USA: Zähes Ringen um eine Kennzeichnung von Gentechnik-Lebensmitteln

(11.02.2013) In mehreren US-Bundesstaaten stehen Gesetzesvorschläge für eine Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln auf der politischen Tagesordnung. Nach Kalifornien wird nun in Washington, dem nordwestlichsten Bundesstaat, eine weitere Volksabstimmung stattfinden. Inzwischen suchen große Handels- und Lebensmittelkonzerne das Gespräch mit den Führern der Just Label it-Kampagne. Dabei sollen offenbar Möglichkeiten für eine landsweit einheitliche Regelung ausgelotet werden. Doch die Bundesbehörden - vor allem die FDA (Food and Drug Administration) und Landwirtschaftsminister Tom Vilsack - lehnen eine Gentechnik-Kennzeichnung weiterhin ab.

Tom Vilsack

Tom Vilsack, Landwirtschafts- minister auch in der neuen Obama-Regierung, lehnt eine Kennzeichnungspflicht weiterhin ab.

(Foto: USDA)

I522, Washington, Abstimmung

Neue Abstimmung in Washington: Die Initiative für eine Gentechnik-Kennzeichnung (I-522) hat eine ausreichende Zahl an Unterschriften gesammelt, um eine Volksabstimmung (Ballot) einzuleiten.

Labeling Patchwork. Die in den einzelnen US-Bundesstaaten eingebrachten Gesetzes-Initiativen wollen Kennzeichnungsregeln etablieren, die sich stark unterscheiden.

In New Mexiko sollen Lebens- oder Futtermittel dann kennzeichnungspflichtig sein, wenn mehr als ein Gewichtsprozent aus „gentechnisch verändertem Material“ besteht.

Die Initiative in Washington zielt vor allem auf die wichtigsten landwirtschaftlichen Exportprodukte der Region: Äpfel und Fisch (Lachsfarmen). Sollten gv-Äpfel und gv-Lachs zugelassen werden, fürchten die Farmer in Washington Exporteinbußen, wenn gentechnisch veränderte und konventionelle Produkte über eine Kennzeichnung nicht klar unterscheidbar wären. Nicht unter die Kennzeichnungsregeln fallen Fleisch und Milchprodukte im Hinblick auf gv-Futtermittel.

In Missouri sollen ausschließlich Lebensmittel aus gentechnisch verändertem Fisch oder Fleisch aus gv-Nutzieren gekennzeichnet werden.

Im November 2012 war die Right to know-Koalition bei der Volksabstimmung in Kalifornien knapp gescheitert. Nur 47 Prozent sprachen sich für eine Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel aus. Mit einer vierzig Millionen Dollar teuren Gegen-Kampagne hatten sich die großen Agro- und Lebensmittelkonzerne am Ende doch noch durchgesetzt. Auch viele Wissenschaftler hatten sich gegen eine Kennzeichnung engagiert und vor der „Diskriminierung“ einer Technologie gewarnt.

Doch mit dem Sieg in Kalifornien war das Thema nicht vom Tisch. Die lange und mit großem Aufwand geführte Auseinandersetzung hat die Forderung nach Kennzeichnung vor allem in den Städten populär gemacht. Die nationalen Medien berichteten und erstmals wurde vielen Amerikanern bewusst, dass fast alle verarbeiteten Lebensmittel-Zutaten gentechnisch veränderte Pflanzen enthalten.

Inzwischen hat das kalifornische Beispiel zahlreiche Nachahmer in anderen Bundesstaaten gefunden. Im Herbst könnte in Washington, dem nordwestlichsten Bundesstaat, die nächste Volksabstimmung stattfinden. Die örtliche Label it-Kampagne hat die notwendige Zahl von Unterschriften erhalten, um eine Gesetzesinitiative (I-522) einzuleiten. Wenn die Abgeordneten in der Hauptstadt Olympia (südlich von Seattle) nach ihren Beratungen im März den Gesetzesvorschlag der Kampagne nicht übernehmen und damit die Kennzeichnung ablehnen, müssen die Bürger entscheiden.

Auch in Conneticut, Vermont, New Mexico oder Hawaii sind Gesetzesinitiativen zur Kennzeichnung eingebracht - und sogar im landwirtschaftlich geprägten Missouri mit St. Louis, dem Hauptsitz von Monsanto. Ähnliche Vorhaben planten zwanzig Bundesstaaten, sagte Gary Hirshberg, Vizepräsident der Just Label it-Kampagne der New York Times.

Diese Entwicklung setzt die großen Lebensmittelkonzerne unter Zugzwang. Mit viel Geld und Aufwand müssen sie wie in Kalifornien nun in zahlreichen Bundesstaaten die Bevölkerung oder die Mehrheiten in den örtlichen Parlamenten davon überzeugen, dass eine Gentechnik-Kennzeichnung überflüssig und teuer ist. Doch auf die Dauer - und das ahnen inzwischen auch die Spitzen einiger Konzerne - ist nicht nur der unmittelbare Erfolg solcher Kampagnen fraglich.

Jede Gesetzesinitiative in einem Bundesstaat führt zu einer polarisierenden öffentlichen Auseinandersetzung. Die Gentechnik-Gegner schüren mit drastischen Aussagen etwa über Krebs und Übergewicht als direkte Folgen der Gentechnik die Zweifel an der Unbedenklichkeit der Lebensmittel. Ein Dauerkonflikt um die Kennzeichnung könnte das Vertrauen nachhaltig erschüttern, das die meisten Amerikaner ihren Lebensmitteln und den verantwortlichen Behörden noch immer entgegenbringen.

Im Januar trafen sich in der Hauptstadt Washington Vertreter von zwanzig national operierenden Lebensmittelunternehmen, darunter die größte Handelskette WalMart, PepsiCo und ConAgra mit den Führern der Just Label it-Kampagne, um Möglichkeiten für eine einheitliche nationale Regulierung der Kennzeichnung auszuloten. Sowohl über Ergebnisse als auch über die Teilnehmer wurde Stillschweigen vereinbart.

Doch die nationale Lebensmittelbehörde FDA lehnt weiterhin eine verpflichtende Gentechnik-Kennzeichnung als unvereinbar mit den Grundsätzen des US-Lebensmittelrechts ab. „Ich kenne keine gesundheitlichen Gründe in Bezug auf gentechnisch veränderte Organismen, die eine Kennzeichnung erforderlich machten“, sagte Tom Vilsack, alter und auch neuer Landwirtschaftsminister der Obama-Regierung vor der Hauptstadtpresse in Washington. „Wir kennzeichnen, damit der Konsument Informationen zu Nährwert und möglichen gesundheitlichen Risiken erhält. Aber solche Risiken sehe ich nicht,“ so Vilsack.