Zulassung von Gentechnik-Mais 1507: Deutschland wird sich wohl enthalten

(05.02.2014) Die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) erzwungene Entscheidung über die Anbauzulassung eines weiteren gentechnisch veränderten Maises (1507) spaltet die EU und auch die Bundesregierung. Zwar liegen alle Fakten seit Wochen auf dem Tisch, dennoch wird die fällige Abstimmung im EU-Ministerrat bis zum letztmöglichen Termin hinausgeschoben. Jetzt soll der Rat der Europa- und Außenminister auf seiner Sitzung am 11.02. entscheiden. Kurz vorher hat sich auch die Bundesregierung zu einer Entscheidung durchgerungen: Sie wird sich enthalten. Damit rückt die Zulassung für den 1507-Mais näher.

Hans-Peter Friedrichs

Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU): Er ist dagegen, doch die Bundesregierung wird sich bei der Abstimmung in Brüssel über die Anbauzulassung für den 1507-Mais enthalten.

(Foto: BMEL)

Demo Gen-Mais stoppen

Kampagne gegen 1507: Auch bei der „Wir haben es satt“-Demonstration während der Grünen Woche ging es gegen den 1507-Mais. Anfang Februar sammelte das Aktionsbündnis Campact 180.000 Unterschriften gegen die Zulassungen.

(Foto: Jakob Huber/Campact CC BY-NC 4.0)

Der gentechnisch veränderte 1507-Mais wird zum Anbau in der EU zugelassen, wenn…

… im Ministerrat (hier der Rat der Europa- bzw. Außenminister am 11.02.) eine qualifizierte Mehrheit für den entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission stimmt.

…. die Abstimmung im Ministerrat ohne qualifizierte Mehrheit endet und die EU-Kommission gemäß den EU-Verträgen ihren Entscheidungsvorschlag umsetzt.

Der Anbau des gentechnisch veränderten 1507-Maises in der EU bliebe verboten, wenn …

…bei der Abstimmung im Ministerrat eine qualifizierte Mehrheit den Vorschlag der EU-Kommission ablehnt.

Ein qualifizierte Mehrheit ist erreicht bei mindestens 15 von 28 Mitgliedsstaaten und gleichzeitig 260 von 352 Stimmen. Einzelne Länder haben entsprechend ihrer Größe unterschiedliche Stimmenzahlen, etwa Deutschland 29, Österreich zehn oder Malta drei.

Zulassung unter Bedingungen.

Der Entscheidungsvorschlag der Kommission sieht vor, den Anbau von 1507-Mais nur unter bestimmten Bedingungen zu erlauben, etwa:

Anbau unter Nutzung des Merkmals Herbizidtoleranz verboten

Anlage von Refugienflächen mit konventionellem Mais

Überwachungsprogramme durch den Antragsteller in Bezug auf Resistenzbildung bei Schädlingen

Eigentlich geht es nur um die Anbauzulassung für einen weiteren gentechnisch veränderten Mais. Wie der bereits seit 1998 in der EU erlaubte MON810-Mais wurde auch der 1507-Mais schon in den 1990er Jahre entwickelt und ist - gemessen an den neueren in Nord- und Südamerika genutzten Sorten - technisch inzwischen längst überholt.

Doch selbst wenn der 1507-Mais in der EU zugelassen und tatsächlich als Saatgut auf den Markt kommen würde - in Bezug auf den derzeitigen Anbau von gv-Pflanzen in der EU würde sich kaum etwas ändern.

Dort, wo wie in Spanien seit mehreren Jahren gv-Mais auf vielen Feldern steht, hätten die Landwirte eine Alternative zum derzeit konkurrenzlosen MON810 von Monsanto. Der 1507-Mais der beiden Agrokonzerne Pioneer und Dow AgroSciences verfügt ebenfalls über eine Resistenz gegen den Maiszünsler, aber mit einer anderen Variante des Bt-Proteins.

In den meisten Ländern jedoch, wo wie etwa in Frankreich, Deutschland oder Italien gentechnisch veränderte Pflanzen oft leidenschaftlich abgelehnt werden, muss ein Landwirt schon sehr mutig sein, 1507-Mais auszusäen. Ohne Akzeptanz in Gesellschaft und Politik wäre ein Gen-Mais auch ökonomisch ein Risiko. Bauernpräsident Joachim Rukwied riet auf der Grünen Woche in Berlin daher „dringend“ vom Anbau von gv-Pflanzen ab.

Eine Zulassung von 1507-Mais hätte kaum Auswirkungen auf den gegenwärtig geringen Umfang des Gentechnik-Anbaus in Europa. Dennoch wird darum gestritten, als ginge es grundsätzlich um „die“ Gentechnik. Während Import-Zulassungen für gv-Pflanzen in der EU inzwischen ziemlich geräuschlos und routiniert vollzogen werden, erscheinen Abstimmungen über Anbauzulassungen als historischer Dammbruch. Danach, so fürchten viele, würden Gentechnik-Produkte unkontrolliert nach Europa strömen.

Dabei ist die Grundsatzentscheidung, gv-Pflanzen in der EU zu erlauben, schon 1989 und dann noch einmal 2003 gefallen - übrigens mit den Stimmen der damaligen rotgrünen Bundesregierung. Und obwohl es gentechnik-kritische Organisationen, Parteien und Regierungen immer wieder fordern, hat es seitdem in der EU keinen ernsthaften politischen Vorstoß gegeben, gv-Pflanzen generell zu verbieten.

Nach den immer noch geltenden EU-Vorschriften muss über jede gv-Pflanze einzeln entschieden werden. Eine Zulassung ist zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind - im Kern ein wissenschaftlich fundierter Sicherheitsnachweis. Politische Begründungen, um gv-Pflanzen abzulehnen, lassen die aktuellen EU-Gesetze praktisch nicht zu.

Auch die neue Bundesregierung ist sich nicht einig, wie Deutschland im Ministerrat beim 1507-Mais stimmen sollte. Während die CDU geführten Ministerien für Gesundheit (BMG) sowie Bildung und Forschung (BMBF) Medienberichten zufolge wohl für eine Zulassung sind, wollen Wirtschaftsminister Gabriel (SPD) und Landwirtschaftsminister Friedrich (CSU) sie ablehnen.

Am 5. Februar hat sich die Bundesregierung nun darauf verständigt, sich bei der Abstimmung über den 1507-Mais in Brüssel zu enthalten. Sie folgt damit der Praxis der CDU/CSU-FDP-Regierung, die sich bei Uneinigkeit im Kabinett bei ähnlichen Entscheidungen ebenfalls enthalten hatte. Mit seinem großen Stimmgewicht hat Deutschland maßgeblich dazu beigetragen, dass dort regelmäßig nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit zustande kam, so dass die EU-Kommission die Entscheidung allein nach wissenschaftlichen Kriterien vollziehen musste. Auch beim 1507-Mais ist davon auszugehen, dass die EU-Kommission die Zulassung - wenn auch unter einer Reihe von Auflagen - erteilen wird (siehe Kasten).

Vor vier Jahren hatte der damalige EU-Verbraucherschutzkommissar John Dalli einen Versuch unternommen, den Mitgliedsstaaten einen größeren politischen Entscheidungsspielraum zu gewähren. Sie sollten nach der Zulassung einer gv-Pflanze deren Anbau einschränken oder verbieten dürfen. Gründe hierfür müssten allerdings sozialer, ökonomischer oder ethischer Natur sein ohne die wissenschaftliche Sicherheitsbewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) infrage zu stellen.

Auch in mehreren Anläufen scheiterte dieser Vorschlag, vor allem am Widerstand der großen Länder Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Seit 2012 liegt diese Idee auf Eis. Nun könnte sie wiederbelebt werden.