GMO Horror

Unbedenklichkeit von Gentechnik-Pflanzen: Gibt es einen wissenschaftlichen Konsens?

Eine Gruppe gentechnik-kritischer Wissenschaftler - darunter die indische Aktivistin Vandana Shiva - hat in einem Fachjournal eine Erklärung veröffentlicht, nach der es keinen wissenschaftlichen Konsens über die Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen gebe. Damit widerspricht sie der internationalen Mehrheitsmeinung. Vor allem in den USA kam umgehend heftige Kritik. Dort ist gerade eine Studie erschienen: Danach halten 87 Prozent der Wissenschaftler den Verzehr von Gentechnik-Lebensmitteln für sicher. In der Bevölkerung ist der Zweifel daran jedoch weit verbreitet.

Vandana Shiva

Vandana Shiva hat die No-Consensus-Erklärung mit unterzeichnet. „Der wissenschaftliche Konsens über die Unbedenklichkeit gentechnisch veränderter Organismen existiert nicht. Dahinter steckt ein interner Kreis von Gentechnik-Befürwortern, Entwicklern, Kommentatoren und Journalisten.“

Foto: Hammer Museum, Los Angeles

Kevin Folta

Kevin Folta , Molekularbiologe an der Universität Florida und Wissenschafts-Blogger. „Unter Wissenschaftlern gibt es Konsens zu Klimawandel, Gravitation, Evolution und vielen, vielen anderen Themen. Gentechnisch veränderte Pflanzen gehören auch dazu.“

Foto: University of Florida

Das No consensus-Papier ist keine eigene Studie, auch keine Meta-Analyse verschiedener bereits publizierter Untersuchungen, sondern eine Erklärung, die von fünfzehn Wissenschaftlern aus mehreren Ländern unterzeichnet wurde, darunter die Biologin Angela Hilbeck von der ETH Zürich und die bekannte indische Saatgut-Aktivistin Vandana Shiva, ein Popstar der fundamentalen Gentechnik-Kritik.

Die Erklärung wurde inzwischen von weiteren 300 Wissenschaftlern, Ärzten und Experten aus verschiedenen Fachgebieten unterzeichnet. Bereits im Herbst 2013 verfasst, wurde sie nun im Fachjournal Environmental Science Europe publiziert und gehöre damit, so die Autoren in einer Presseerklärung, zum Fundus wissenschaftlich anerkannter (peer reviewed) Literatur.

Der angebliche Konsens über die Unbedenklichkeit von gentechnisch veränderten Organismen existiere nicht, so die Erklärung. Die Behauptung, es gebe bereits eine einhellige Meinung, „ist irreführend und fördert ein Klima der Verharmlosung“. Dadurch könne es zu einer Gefährdung der Gesundheit von Menschen, Tieren und der gesamten Umwelt kommen.

Die Erklärung verweist auf verschiedene Untersuchungen, aus denen sich „ernsthafte Bedenken“ ergeben. Viele sicherheitsrelevante Fragen seien nicht oder nur unzureichend erforscht, etwa mögliche Langzeitauswirkungen. Die meisten Studien, die behaupten, gentechnisch veränderte Produkte seien ebenso sicher wie konventionelle, seien „von Biotechnologie-Unternehmen durchgeführt“ worden. Das unterstreiche „die Notwendigkeit weiterer unabhängiger wissenschaftlicher Untersuchungen und einer informierten, öffentlichen Diskussion zur Sicherheit gentechnisch veränderter Produkte.“

Vor allem in den USA ließen viele Wissenschaftler die No-consensus-Erklärung nicht unkommentiert. Konsens in der Wissenschaft, so etwa der Molekularbiologie Kevin Folta von der University of Florida, bedeute nicht, dass es keine abweichenden Meinungen gebe dürfe, sondern er sei eine allgemeine, auf Evidenz basierende Übereinstimmung. Auch zu Evolution, Gravitation oder Klimawandel existierten Minderheitenmeinungen. Dennoch herrsche hier offenkundig ein Konsens unter Wissenschaftlern. Ähnlich sei es auch bei der Gentechnik.

Die National Acedemies of Science, die American Medical Association und Dutzende anderer wissenschaftlicher Gesellschaften aus vielen Ländern haben festgestellt, dass sich GVO-Produkte auf eine fundierte Sicherheitsbilanz stützen können und sich dabei nicht von konventionellen Produkten unterscheiden. Das No-Consenus-Papier, so Kevin Folta, berufe sich dagegen auf fragwürdige Studien, wie etwa den heftig kritisierten Ratten-Fütterungsversuch des französischen Toxikologen Gilles-Eric Séralini, der inzwischen wegen schwerwiegender Fehler wieder zurückgezogen werden musste.

Kurz vor der Publikation der No-consensus-Erklärung war in den USA eine interessante Studie erschienen, in der die unterschiedlichen Auffassungen von Wissenschaftlern und „Normalbürgern“ bei verschiedenen Themen deutlich wurden. Dazu waren 3748 Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen - alle Mitglieder der American Association for the Advancement of Science (AAAS) - sowie 2002 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bürger befragt worden.

Eine überwältigende Mehrheit der Wissenschaftler (88 Prozent) hält den Verzehr von gentechnisch veränderten Lebensmitteln für sicher, aber nur 37 Prozent der Bürger teilen diese Auffassung. Eine ähnliche große Differenz zwischen Wissenschaftlern und Öffentlichkeit zeigte sich auch beim Klimawandel, ein in den USA ebenfalls strittiges und stark politisiertes Thema. 87 Prozent der befragten Wissenschaftler waren der Meinung, dass der Klimawandel überwiegend durch menschliche Aktivitäten verursacht sei, aber nur 50 Prozent der Bürger.

Die Studie belegt, wie dramatisch Wissenschaft und Gesellschaft auch in den USA auseinander driften und das Vertrauen in die Wissenschaft abgenommen hat. Sie zeigt aber auch, dass es bei Klimawandel und Gentechnik entgegen der öffentlichen Meinung tatsächlich einen Konsens in der Wissenschaft gibt. Das No-consenus-Papier, so Kevin Folta, sei daher eher der politischen Opposition gegenüber Gentechnik zuzurechnen, nicht der Wissenschaft.