Schweiz: Freilandversuch mit Gentechnik-Kartoffeln genehmigt

(21.04.2015) Die schweizerische Forschungsanstalt Agroscope darf in den nächsten fünf Jahren gentechnisch veränderte Kartoffeln im Freiland testen. Das zuständige Bundesamt für Umwelt hat heute die Genehmigung dazu erteilt. Die gv-Kartoffeln sind resistent gegen den Erreger der Kraut- und Knollenfäule. Sie wurden an der Universität Wageningen (Niederlande) entwickelt und sollen nun unter Schweizerischen Anbaubedingungen geprüft werden.

Freilandversuch Wageningen

Die Kraut- und Knollenfäule ist weltweit die bedeutendste Kartoffelkrankheit. Sie befällt Blätter und Stängel ebenso wie die Knollen und verursacht enorme Ertragsausfälle. - Projektleiter Anton Haverkort im Versuchsfeld an der Universität Wageningen (NL).

Protected Site von oben 5.6.2014

Die Protected Site: Geschützt und gesichert.

Foto: Susanne Brunner, Agroscope

Protected Site .

Die Forschungseinrichtung Agroscope hat am Standort Reckenholz in der Nähe von Zürich ein drei Hektar großes Versuchsfeld als Dienstleistung für Forschende eingerichtet. Hier sollen die gv-Kartoffeln getestet werden. In Planung sind auch Versuche mit gv-Apfelbäumen, die gegen Apfelschorf resistent sind.

Das Einrichten der Protected Site wurde 2012 politisch beschlossen- trotz Gentechnik-Moratorium - und soll dazu dienen, Nutzen und Risiken von gv-Pflanzen für die Schweizer Landwirtschaft zu erforschen. Die Kosten betragen etwa 700.000 Euro pro Jahr.

Agroscope hatte Ende Oktober 2014 den Antrag für einen Feldversuch mit gv-Kartoffeln beim zuständigen Bundesamt für Umwelt (BAFU) eingereicht. Bis Mitte Januar konnte die Öffentlichkeit dazu Stellungnahmen abgeben.

Von 2015 bis 2019 sollen auf dem drei Hektar großen Freisetzungsgelände in Reckenholz bei Zürich gentechnisch veränderte Kartoffeln getestet werden, die an der Universität Wageningen entwickelt wurden.

Die Wageninger Wissenschaftler haben mit Hilfe gentechnischer Methoden verschiedene Resistenz-Gene aus südamerikanischen Wildkartoffeln in gängige Kulturkartoffelsorten übertragen. Davon erhoffen sie sich eine dauerhafte Resistenz gegen den Erreger derKraut- und Knollenfäule.

Das Besondere an den gv-Kartoffel aus Wageningen ist, dass sie - anders als üblicherweise bei gentechnischen Veränderungen - nur Erbmaterial aus Kartoffeln enthalten. Die so veränderten Pflanzen werden als cisgen - im Unterschied zu transgen - bezeichnet.

Im Feldversuch soll nun überprüft werden, ob die eingebrachten Resistenzen auch unter Schweizer Umweltbedingungen und gegen die dort vorkommenden Erreger-Stämme wirksam sind.

In der Schweizer Landwirtschaft stellt die Kraut- und Knollenfäule ein großes Problem dar. Der Erreger findet dort ideale Bedingungen vor - eine gleichmäßige Niederschlagsverteilung und relativ hohe Temperaturen. Im Schnitt sind für seine Bekämpfung sieben bis acht Behandlungen mit Fungiziden nötig.

In dem Feldversuch werden acht verschiedene cisgene Kartoffellinien eingesetzt, die aus den Kartoffelsorten Désirée und Atlantic hervorgegangen sind. Vor allem die Sorte Désirée wird in vielen Ländern der EU und in der Schweiz angebaut. Fünf dieser Kartoffellinien wurden mit jeweils einem Resistenzgen ausgestattet, die aus verschiedenen Wildkartoffeln stammen. Bei zwei Linien wurden jeweils zwei, bei einer Linie sogar drei dieser Resistenzgene kombiniert. Es ist davon auszugehen, dass der Erreger einzelne Resistenzgene schneller wieder überwinden kann als eine Kombination solcher Gene. Von solchen Kombinationen möglichst vieler, breit wirksamer Resistenzgene versprechen sich die Wissenschaftler eine dauerhafte Resistenz.

Dieselben gv-Kartoffeln wurden schon 2013 und 2014 in den Niederlanden angebaut. Sie wiesen eine gute Resistenz auf und es wurden bislang keine negativen Effekte auf die Umwelt oder die menschliche Gesundheit beobachtet. Unterschiede zu klassisch gezüchteten Kartoffeln wurden nicht festgestellt.

Der große Vorteil der Gentechnik ist hier, dass Gene einzeln in gängige Kartoffelsorten eingebracht werden können, ohne dass die Eigenschaften der Sorte und damit die von früheren Züchtern erreichten Züchtungserfolge verloren gehen.

Die Gene aus Wildkartoffeln könnten auch mittels konventioneller Züchtung in die Kartoffeln eingekreuzt werden, allerdings werden dabei auch unerwünschte Eigenschaften übertragen wie etwa ein hoher Gehalt an giftigen Inhaltsstoffen. Mit zahlreichen Rückkreuzungen können solche Eigenschaften zwar zumindest teilweise wieder entfernt werden, das aber ist ein sehr langwieriger Prozess, der Jahrzehnte dauern kann. So sind in der Schweiz in den letzten 25 Jahren zwar einige weniger anfällige Kartoffelsorten entwickelt worden, die sich aber weder im konventionellen noch im Biolandbau durchsetzen konnten, da sie den etablierten, dafür aber anfälligeren Sorten unterlegen waren.

Mögliche Umweltwirkungen des Versuchs werden von Agroscope als vernachlässigbar eingeschätzt. Eine Ausbreitung in der Umwelt sei unwahrscheinlich, da die gv-Kartoffeln außerhalb des Feldes keinen Selektionsvorteil haben. Zudem sind Kartoffeln Selbstbestäuber und werden normalerweise über Knollen vermehrt. Auch kommen die Resistenzgene natürlicherweise in Kartoffeln vor, so dass auch mögliche Auswirkungen etwa auf Insekten vernachlässigbar seien.

Dennoch müssen einige bei Freisetzungen übliche Maßnahmen ergriffen werden wie z. B. eine Umzäunung des Versuchsfeldes, ein ausreichender Abstand zu anderen Kartoffelfeldern sowie die Beseitigung von Durchwuchs. Zusätzlich hat das BAFU weitere Auflagen - etwa ein Vogelnetz - angeordnet.

Trotz der großen Probleme, die vor allem Biobauern mit der Kraut- und Knollenfäule haben, lehnen Gentechnik-Gegner und Öko-Verbände den Versuch ab. Für die Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG) ist die Cisgenese „genauso risikoreich wie die üblicherweise angewandte Transgenese“ und der Basler Appell gegen Gentechnologie hält den Versuch für „überflüssig, nicht zielführend und riskant“. Greenpeace kritisiert die hohen Kosten für die Protected Site. Der Bund forsche an der Bevölkerung vorbei.