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Futtermittel ohne Gentechnik: Wer will das bezahlen?

(02.06.2016) Bei gentechnik-freien Futtermitteln in Deutschland gibt es aktuell keine Lieferengpässe, auch wenn derzeit mehr als achtzig Prozent der weltweiten Sojaproduktion mit gentechnisch veränderten Sorten erzielt werden. Das hat eine Studie ergeben, die das Thünen-Institut im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft erstellt hat. Danach bremst nicht knappe Verfügbarkeit einen stärkeren Einsatz konventioneller Sojabohnen in der Tierfütterung, sondern deren höhere Kosten. Weder die meisten Verbraucher, noch die anderen Akteure in der Produktionskette scheinen allerdings bereit, für „Ohne Gentechnik“-Futtermittel mehr zu zahlen.

Genaue Zahlen über Umsätze gibt es zwar nicht, aber inzwischen tragen zahlreiche Lebensmittelprodukte das „Ohne Gentechnik“-Label. Verbreitet ist es vor allem bei Eiern, Geflügelfleisch und Milch, weniger bei Schweine- oder Rindfleisch - und erst recht nicht bei verarbeiteten und aus mehreren Zutaten zusammengesetzten Lebensmitteln. Zwar nimmt nach Angaben des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) die Anzahl der Produkte mit dem Label zu, ihr Anteil am Gesamtumsatz des Lebensmittelmarktes ist aber weiterhin gering.

Label ohne Gentechnik

Das „Ohne Gentechnik“-Label. Tierische Lebensmittel (Eier, Milch, Fleisch) können als „Ohne Gentechnik“ deklariert werden, wenn die Tiere kein Futter aus gv-Pflanzen erhalten haben. Erlaubt sind zufällige Beimischungen bis 0,9 Prozent sowie Futtermittelzusätze, die mit gv-Mikroorganismen hergestellt wurden. - Nationale Vorschriften zur Kennzeichnung von „Ohne Gentechnik“-Produkten gibt es neben Deutschland und Österreich noch in Frankreich, Luxemburg und einigen Regionen Italiens.

Infografik: BMEL

Soja, Handel

Welthandel mit Soja.

Einfuhr von Sojaschrot nach Deutschland: 4,5 Mio. t/Jahr (2015)
Verwendung:
-Schweine 2,6 Mio. t
-Geflügel: 1,5 Mio. t
-Rinder 0,4 Mio. t

Marktanteil gentechnik-freies Futter an der Gesamt-Futtermenge nach Tierarten (2014/15, geschätzt)

-Legehennen: 50-60 %
-Geflügelmast: 50-60 %
-Milchvieh: 30 %
-Schwein: weniger als 1 %
Quellen: DVT, Thünen-Institut; Grafik: OVID

Im letzten Jahr haben die großen Handelsunternehmen angekündigt, künftig bei ihren Eigenprodukten auf den Einsatz gentechnisch veränderter Futtermittel verzichten zu wollen. Doch: Ist das überhaupt noch möglich, wenn weltweit mehr als 80 Prozent der angebauten Sojabohnen gentechnisch verändert sind? Dazu hatte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine Studie beim ressorteigenen Thünen-Institut in Auftrag gegeben.

Seit Jahren fehlt es in Deutschland an eiweißreichen Futtermitteln. Diese „Eiweißlücke“ wird durch den Import von jährlich etwa 4,5 Millionen Sojaschrot vor allem aus Nord- und Südamerika geschlossen. Dort sind gentechnisch veränderte Sorten längst zum Standard geworden. Im Regelfall sind Futtermittel, die importierte Sojabestandteile enthalten, „mit Gentechnik“.

Sollen – wie es der Handel anstrebt – schon bald mehr Lebensmittel „ohne Gentechnik“ auf den Markt, müssen mehr konventionelle Sojabohnen eingeführt werden. Denn trotz großer politischer Unterstützung wird der verstärkte Anbau von Sojabohnen oder anderer Eiweißpflanzen wie Lupinen oder Erbsen in Deutschland schon wegen der zusätzlich benötigten großen Flächen wohl kaum über eine Nischenrolle hinauskommen.

Achtzig Prozent der gegenwärtig in der deutschen Landwirtschaft verfütterten konventionellen Sojabohnen kommen aus Brasilien, jeweils knapp zehn Prozent aus Indien und Südost-Europa. Bei einer Ausweitung des „Ohne Gentechnik“-Segments müsste in erster Linie Brasilien die Versorgung mit geeigneten Sojabohnen sicherstellen. Das scheint – so das Fazit der Studie des Thünen-Instituts – durchaus möglich. Zwar schwanken die Angaben über den Flächenanteil für herkömmliche Sorten zwischen sechs und zwölf Prozent, doch unabhängig davon ist die gesamte „gentechnik-freie“ Sojaernte in Brasilien deutlich größer als die Nachfrage aus Europa.

Doch damit konventionelle Sojabohnen von einem Feld in Brasilien tatsächlich beim Endverbraucher in Europa ankommen, ist ein erheblicher Aufwand erforderlich. Über die gesamte Produktionskette - vom Saatgut über Anbau, Ernte, Transport und Verschiffung bis zur Verarbeitung - müssen konventionelle Sojabohnen von gentechnisch veränderten getrennt werden. Zufällige Beimischungen von gv-Soja sind unter offenen natürlichen Bedingungen zwar nicht gänzlich zu vermeiden, doch sie sollen so gering wie möglich bleiben und den für die Kennzeichnung maßgebenden Schwellenwert von 0,9 Prozent nicht überschreiten. Meist liegen die GVO-Anteile für als „gentechnik-frei“ gehandelte Soja aus Brasilien zwischen 0,1 und 0,9 Prozent.

In den Häfen Brasiliens werden vor der Verladung auf die Schiffe die Sojarohstoffe auf ihren GVO-Anteil analysiert, manchmal zusätzlich auch an anderen Stellen der Warenkette. Für so zertifizierte „gentechnik-freie“ Sojabohnen wird ein Preisaufschlag von 60 bis 110 Euro/Tonne berechnet. Auch die Farmer in Brasilien erwarten eine zusätzliche Prämie, wenn sie sich zum Anbau konventioneller Sorten verpflichten. Aus ihrer Sicht fallen die Wünsche der gentechnik-kritischen Deutschen – und ähnlich in anderen EU-Ländern – gegenüber der in den letzten Jahren stark gestiegenen Nachfrage in Asien kaum ins Gewicht. Längst hat China die EU als weltweit größter Soja-Importeur abgelöst.

Eine eigene separate, mengenmäßig unbedeutende Warenkette für konventionelle Sojabohnen – getrennt vom großen Hauptstrom - führt zu erheblichen Mehrkosten. Und bisher ist nicht geklärt, wer sie übernimmt.

Dass die große Mehrheit der deutschen Verbraucher dazu bereit ist, zweifeln viele in der Lebensmittelbranche an. Trotz anderer Absichten, wie oft in Umfragen geäußert, zählt beim täglichen Einkauf vor allem der Preis. Auf längere Sicht werden sich „Ohne Gentechnik“-Produkte deswegen kaum durchsetzen, so die Einschätzung der Vertreter aus Handel und Futterwirtschaft, die für die Studie den Thünen-Instituts befragt wurden.

Wegen der scharfen Konkurrenzsituation auf dem deutschen Lebensmittelmarkt dürfte es den Handelsketten kaum gelingen, die gesamten Mehrkosten für „Ohne Gentechnik“-Produkte an die Verbracher weiterzugeben. Auch die Landwirte werden nur dann auf teureres „gentechnik-freies“ Futter umstellen, wenn sie es von ihren Abnehmern vergütet bekommen. Ebenso fürchten die Futtermittelunternehmen, auf den höheren Kosten für den Einkauf sitzen zu bleiben. Von einigen Nischen abgesehen, bedeutet „ohne Gentechnik“ für die meisten Marktbeteiligten ein wirtschaftliches Risiko.

„Eine Ausweitung der „Ohne Gentechnik“-Produktpalette in Deutschland wird weniger durch die Verfügbarkeit von nicht-gentechnisch verändertem Soja aus Brasilien limitiert“, so die Schlussfolgerung des Thünen-Instituts, „sondern eher durch die Vermarktungskette.“

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