Lebensmittelwirtschaft und Bauernverband für umfassende Gentechnik-Kennzeichnung

(23.01.2010) Spitzenvertreter der Lebensmittelwirtschaft und des Deutschen Bauernverbandes haben sich für eine Ausweitung der Gentechnik-Kennzeichnung ausgesprochen. Gleichzeitig kritisierten sie das „ohne Gentechnik“-Siegel als „unehrlich“.

Wo Gentechnik drinstecke, müsse das auch auf dem Produkt stehen, sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) Matthias Horst gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Seine Branche wolle „Transparenz“ und sei daher für eine Positivkennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel. Alle Produkte, die in irgendeiner Form mit Gentechnik Kontakt hatten, sollten einen entsprechenden Hinweis auf dem Etikett tragen.

Resse's, Riegel, Kennzeichnung
Resse's, Riegel, Kennzeichnung

Gekennzeichnete Lebensmittel sind derzeit in Deutschland nicht auf dem Markt. Allenfalls bei bei Importprodukten - hier ein Riegel aus den USA - wird auf gentechnisch veränderte Zutaten hingewiesen.

Derzeit fallen gerade die weit verbreiteten Anwendungen der Gentechnik nicht unter die Kennzeichnungspflicht, etwa tierische Lebensmittel wie Milch, Eier oder Fleisch, wenn die Tiere gentechnisch verändertes Futter erhalten haben. Ebenso sind Zusatzstoffe, Vitamine oder Enzyme, die mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen von den Kennzeichnung ausgenommen. Auch „zufällige, technisch unvermeidbare“ Beimischungen von gentechnisch veränderten Pflanzen - gerade bei sojahaltigen Lebensmitteln weit verbreitet - müssen nicht deklariert werden. Bei einer lückenlosen Kennzeichnung müssten Schätzungen zufolge etwa sechzig Prozent der Lebensmittel gekennzeichnet werden.

Auch Gerhard Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, äußerte sich auf der Grünen Woche in Berlin kritisch über die geltenden Kennzeichnungsvorschriften. Er forderte eine „klare Entscheidung“: Entweder werden alle Anwendungen der Gentechnik über den gesamten Herstellungsprozess auf dem Endprodukt deklariert. Oder aber man kehre zu der produktbezogenen Kennzeichnung zurück, wie sie in der EU bis 2004 vorgeschrieben war. Danach ist die Verwendung gentechnisch veränderter Organismen nur kennzeichnungspflichtig, wenn sie im Lebensmittel nachweisbar sind.

Die „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung nannte Sonnleitner „unehrlich“. Es sei „unaufrichtig“, wenn die in der Tierhaltung verwendeten gentechnisch hergestellte Vitamine, Enzyme und Impfstoffe nicht deklariert werden müssten. Alle Futtermittel enthielten heute Gentechnik-Spuren. Dennoch dürfte die damit erzeugte Milch und Fleisch mit dem „ohne Gentechnik“-Siegel versehen werden.

Kurzfristig wird sich an den bestehenden Kennzeichnungsvorschriften kaum etwas ändern. Eine umfassende Kennzeichnung wie sie auch von Umwelt- und Verbraucherverbänden gefordert wird kann nur auf europäischer Ebene umgesetzt werden. Selbst wenn es im Europäischen Parlament und unter den EU-Mitgliedstaaten dafür Mehrheit gäbe, würde das erforderliche Gesetzgebungsverfahren einige Jahre dauern.