Grüne Gentechnik: „Das Misstrauen, das den Forschern entgegengebracht wird, ist verletzend und unwürdig.“

(07.09.2011) Die Medizin-Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard beklagte eine feindliche Atmosphäre gegenüber der Pflanzengentechnik in Deutschland, die zu Einschränkung der Forschungsfreiheit und einer Abwanderung junger Wissenschaftler ins Ausland führe. Die Genetikerin aus Tübingen wurde zusammen mit Prof. Reinhard Szibor und dem Ressortleiter Wissen der ZEIT, Andreas Sentker, im Schaugarten Üplingen mit dem Innoplanta-Preis 2011 ausgezeichnet.

Innoplanta Forum Üplingen 2011

Die Innoplanta-Preisträger 2011: Prof. Reinhard Szibor (Wissenschaftspreis), Andreas Sentker (Die ZEIT, Journalistenpreis), Prof. Christiane Nüsslein-Volhard (Sonderpreis)

Innoplanta Forum Üplingen 2011

Proteste vor der Einfahrt zum Stiftungsgut Üplingen: Etwa vierzig Teilnehmer waren aus ganz Deutschland angereist.

Innoplanta Forum Üplingen 2011

Diskussionen: Demonstranten und Gegendemonstranten

Innoplanta Forum Üplingen 2011

Zwei Demonstranten hatten sich an einem Dreibein festgebunden. Die Feuerwehr beendete die Aktion.

Als Wissenschaftler rege es sie einfach auf, mit welcher Unkenntnis und Unvernunft Forschung und Anwendung in der Grünen Gentechnik bekämpft werden, sagte Nüsslein-Volhard bei der Verleihung des Preises im Rahmen des Innoplanta-Forums, das wie schon in den Vorjahren auf dem Stiftungsgut Üplingen und dem benachbarten Schaugarten stattfand.

Die angewandte Pflanzenforschung biete ein riesiges Potenzial und spannende wissenschaftliche Herausforderungen, aber in Deutschland herrsche eine feindliche Atmosphäre, so die Genetikerin und Direktorin am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen. Die mangelnde Akzeptanz, eine überzogene Gesetzgebung und wiederholte Zerstörungen von Freilandversuchen mit gentechnisch veränderten Pflanzen führten zu einer gravierenden Einschränkung der Forschungsfreiheit.

Nüsslein-Volhard, die für ihre Forschungen auf dem Gebiet der Entwicklungsbiologie 1995 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde, zeigte sich davon überzeugt, dass die Einsparung von Pflanzenschutzmitteln beim Anbau von gv-Pflanzen sich „positiv auf den Artenreichtum und die Schönheit der Natur“ auswirken.

Den Innoplanta Journalistenpreis erhielt in diesem Jahr Andreas Sentker, Biologe und Ressortleiter Wissen der Wochenzeitschrift DIE ZEIT. Auch er sieht das Potenzial der Gentechnik in der Pflanzenzüchtung noch nicht ausgeschöpft. Aber der deutsche Gesetzgeber habe in seiner Fürsorge, die Risiken zu begrenzen, der Grünen Gentechnik die Möglichkeit genommen, ihren Nutzen zu beweisen. Sentker wünscht sich einen globalen Wettbewerb, an dem auch kleine Unternehmen und Forschungseinrichtungen teilnehmen können. Die hohen gesetzlichen Auflagen und der immense Aufwand für Zulassungen bevorzuge jedoch die großen internationalen Konzerne.

Sentker sieht derzeit wenig Chancen, dass sich die Grüne Gentechnik in Deutschland durchsetzen könnte. „Wie soll sich der Bürger für eine Technik aussprechen, die von der Politik nicht gewollt und auch vom Bundesverfassungsgericht nur als Risikotechnologie eingestuft wird?“

Aber auch die Befürworter müssten sich mehr um Differenzierung bemühen, und weniger die Zuspitzung suchen. „Der Gestus erfahrener weiser Männer, die im Brustton der Überzeugung sagen, glaubt uns, wir wissen Bescheid und bisher ist nichts passiert, wird von Zweiflern und Ängstlichen als kalte Arroganz empfunden.“

Wenn man Vertrauen will, muss man die Kontroverse zulassen, zitierte Sentker Sir Robert May, den leitenden wissenschaftlichen Berater der britischen Regierung während der BSE-Krise. Der offene Austausch biete nicht nur die Chance, mögliche Risiken frühzeitig zu benennen, sondern auch die Möglichkeit, die Nutzen konkreter darzustellen. Nur mit Transparenz und Offenheit könne man dem „verheerenden Verdacht von Manipulation und Partikularinteressen“ entgegentreten. „Diese Mischung ist das größte Gift für die Akzeptanz von Veränderungen.“

Auf dem Innoplanta-Forum präsentierte sich auch das neu gegründete europäische Farmers-Scientists-Network. In Üplingen berichteten Vertreter von Landwirte-Organisationen aus Spanien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Ungarn, Rumänien, Polen und Deutschland über die Situation in ihren Ländern. Dort, wo wie in Spanien der Anbau von gentechnisch verändertem Bt-Mais erlaubt ist, waren die Erfahrungen positiv: Die Mehrzahl der Landwirte verzeichneten höhere Erträge bei sinkenden Kosten. In den meisten Ländern ist jedoch der Anbau nicht erlaubt oder wird politisch blockiert.