Einigung im Ministerrat: Länder dürfen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verbieten, müssen es aber nicht

(12.06.2014) Der EU-Ministerrat hat heute in Luxemburg einer nationalen Ausstiegsklausel beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zugestimmt. Künftig können ihn einzelne EU-Länder verbieten, auch wenn die betreffende gv-Pflanze zugelassen und wissenschaftlich als sicher bewertet wurde. Deutschland, das sich bisher enthalten hatte, schloss sich nun der Mehrheit an. Nur Belgien und Luxemburg enthielten sich. Doch rechtskräftig sind die neuen Regeln noch nicht. Denn auch das EU-Parlament muss noch zustimmen.

Barbara Hendricks

Barbara Hendricks (SPD), Bundesumweltministerin: „Die Ausstiegsklausel bietet Rechtssicherheit.“

Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen: Nationale Ausstiegsklauseln

-Während des Antragsverfahrens: Länder melden bei der Kommission Verbotsabsichten an.

-Falls Unternehmen zustimmen: Bei der Zulassung werden Verbotsländer ausgenommen.

-Länder können unabhängig von einer Zustimmung der Unternehmen Verbote aussprechen; diese sind zu begründen.

-Auch nach der Zulassung können Länder den Anbau einer gv-Pflanze verbieten.

Vor fünf Jahren hatten Österreich und die Niederlande erstmals vorgeschlagen, bei der Grünen Gentechnik von der Idee eines gemeinschaftlichen europäischen Wirtschaftsraums abzuweichen und den Mitgliedsstaaten hier ein „Selbstbestimmungsrecht“ einzuräumen. Einzelne Länder sollten selbst entscheiden können, ob sie den Anbau gentechnisch veränderte Pflanzen bei sich erlauben wollen - oder eben nicht.

Zwar nahm die EU-Kommission den Vorschlag auf und der damalige Verbrauschutzkommissar John Dalli arbeite 2010 einen ersten Gesetzentwurf aus. Doch die gegenseitige Blockade der seit Jahren bei der Gentechnik-Politik heillos zerstrittenen Mitgliedsstaaten wirkte sich auch hier aus.

Nun, nach mehreren vergeblichen Anläufen, hat die Ausstiegsklausel (opt-out) die wohl entscheidende Hürde genommen: Bis auf Belgien und Luxemburg stimmten alle Länder dem von der griechischen Ratspräsidentschaft ausgehandelten Kompromiss zu - sowohl strikt auf Anti-Gentechnik-Kurs liegende Länder wie Österreich als auch Pro-Länder wie Spanien. Auch Deutschland, das sich bisher immer enthalten hatte, schwenkte um.

Doch ein generelles Verbot der Grünen Gentechnik wird es in Europa weiterhin nicht geben. Auch am gemeinsamen, an wissenschaftlichen Grundsätzen ausgerichteten Zulassungsverfahren wird festgehalten. Ist eine gv-Pflanze in der EU dafür zugelassen, darf sie auch angebaut werden. In Spanien, dessen Landwirte die „Vorteile der Biotechnologie nutzen“ können - so die spanische Umweltministerin in Luxemburg -, aber auch in Ländern wie Großbritannien oder Tschechien gibt es derzeit wenig politische Neigungen zu vorschnellen Verboten.

Mitgliedsstaaten, die dagegen einen Anbau bei sich nicht wollen, steht es frei, Einschränkungen bis hin zu einem Verbot zu beschließen, ohne sich wie bisher auf neue, sicherheitsrelevante wissenschaftliche Erkenntnisse berufen zu müssen.

Schon während des Zulassungsverfahrens können Länder ihre Verbotsabsicht gegenüber der Kommission anmelden. Die Kommission fordert die antragstellenden Unternehmen auf, diese Länder aus dem Geltungsbereich einer späteren Zulassung ausnehmen.

Weigern sich die Unternehmen jedoch, den Anbau von sich aus einzuschränken, können die betreffenden Ländern dennoch ihr „Selbstbestimmungsrecht“ wahrnehmen und Verbote aussprechen. Allerdings müssen sie dafür Gründe anführen und belegen, dass sich ein Anbau der jeweiligen gv-Pflanze sozial oder ökonomisch nachteilig auswirken würde, etwa die „gentechnik-freie“ Landwirtschaft gefährdet sei. Selbst eine „Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung“ durch den Anbau von gv-Pflanzen kann als Verbotsgrund vorgebracht werden.

Die Re-Nationalisierung beim Gentechnik-Anbau ist mit der heutigen Entscheidung der Umweltminister grundsätzlich beschlossen. Doch rechtskräftig sind die neuen Vorschriften noch nicht. Auch das gerade frisch gewählte EU-Parlament muss noch zustimmen. Jetzt fällt Italien, das in der zweiten Jahreshälfte die Ratspräsidentschaft übernimmt, die „schwierige Aufgabe“ zu, mit EU-Parlament und der Kommission - im sogenannten Trilog - einen konkreten Gesetzestext aushandeln. Im Detail dürfte es noch Änderungen geben. So haben einige Länder strengere Vorkehrungen für die „Koexistenz“ zwischen GVO-anbauenden und GVO-verbietenden Ländern angemahnt. Andere wollen das Zulassungsverfahren überarbeiten und die Anforderungen für eine Zulassung drastisch verschärfen.

Bis Ende des Jahres soll der Trilog abgeschlossen sein, sodass zur Anbausaison 2015 nationale Verbote erlassen werden können.