Greenpeace & Co: Juncker soll wissenschaftliche Politikberatung abschaffen

(18.08.2014) In einem offenen Brief an den zukünftigen Präsidenten der EU-Kommission Jean-Claude Juncker haben Greenpeace und andere NGOs gefordert, den Posten des wissenschaftlichen Politikberaters abzuschaffen. Derzeit wird er von der Molekularbiologin Anne Glover bekleidet. Zahlreiche wissenschaftliche Organisationen widersprachen: Ebenfalls in einem offenen Brief warnten sie davor, „die Integrität und die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Beratung zu unterminieren“. Im Hintergrund des Streits geht es erneut um die Grüne Gentechnik.

Ann Glover

Anne Glover, Professorin für Molekular- und Zellbiologie an der University of Aberdeen und wissenschaftliche Beraterin der schottischen Regierung. 2012 wurde sie zum Chief Scientific Advisor der EU-Kommission berufen.

Foto: Friends of Europe / Creative Commons Attribution 2.0 via Wikimedia Commons

Die 2012 eingerichtete Position eines leitenden wissenschaftlich Beraters des EU-Kommissionspräsidenten sei intransparent, umstritten und gegenüber niemandem zu Rechenschaft verpflichtet, so Greenpeace und acht weitere Organisationen, darunter der gentechnik-kritische Verein Testbiotech aus München. Der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker solle daher keinen Chief Scientific Adviser mehr berufen und lieber eine Vielzahl „unabhängiger, multidisziplinärer Berater“ einbeziehen.

Die schottische Molekularbiologin Anne Glover, noch von Junckers Vorgänger Barroso berufen, halten die NGOs vor allem ihre „einseitige Meinung“ zum Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Landwirtschaft vor.

Die Reaktion der Wissenschaft folgte prompt. Die britische Organisation Sense about Science , deren Ziel es ist, die Bedeutung seriöser, evidenz-basierter Wissenschaft in der Gesellschaft zu erhöhen, initiierte ebenfalls einen offen Brief. Innerhalb weniger Tage wurde er von vierzig wissenschaftlichen Organisationen und 773 Einzelpersonen unterzeichnet. Zudem sandte der Verband der Europäischen Wissenschaftsjournalisten und weitere Verbände eigene Briefe ähnlichen Inhalts an Juncker.

Unabhängige Beratung zu allen Aspekten von Wissenschaft, Technologie und Innovation - an diesen Auftrag der EU-Kommission an die Position des Chief Scientific Advisors erinnert auch der offene Brief der Wissenschaftler. „Gerade in polarisierten politischen Debatten, wie etwa bei der über den Klimawandel, ist eine umfassende unabhängige wissenschaftliche Beratung besonders wichtig. Politische Entscheidungsträger oder Lobbyisten, die Wissenschaftler aus einem Amt entfernen, weil ihnen ihr Rat und ihre Erkenntnisse nicht passen, nehmen letztlich Nachteile für die Bürger in Kauf.“

Auch bei ihren Äußerungen zur Grünen Gentechnik sei Anne Glover dem Mandat ihres Amtes nachgekommen. Mehrfach hatte sie erklärt, es gebe keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass gentechnische Verfahren per se mit mehr Risiken verbunden seinen als konventionelle Züchtungsverfahren. Das sei in Tausenden von Forschungsprojekten bestätigt worden. Diese „fundamentale Schlussfolgerung“, so der Sense about Science -Brief, werde von Wissenschaftlichen Akademien im Europa, Afrika und anderswo geteilt, von der Weltgesundheitsorganisation ebenso wie von der Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften und vielen anderen wissenschaftlichen Institutionen.

Die Forderung der NGOs und vor allem die massive Antwort der Wissenschaft haben in vielen europäischen Ländern, vor allem in Großbritannien, ein starkes Medienecho hervorgerufen.

Ob es auch in der Amtszeit der künftigen EU-Kommission die Position des Chief Scientific Advisors geben wird, liegt allein bei Jean-Claude Juncker. Doch bevor die neue Kommission nicht im Amt ist, wird darüber wohl keine Entscheidung fallen.