Gene im Bienendarm

(24.05.2000) Neue Aufregung um gentechnisch veränderten Raps. Nach einem Bericht des ZDF sind in Darmbakterien von Honigbienen Gene aus gentechnisch verändertem Raps gefunden worden. Dies sei, so der Bericht, eine „Sensation“; denn erstmals sei damit der Nachweis gelungen, dass modifizierte Rapsgene Artgrenzen überspringen können.

Der Hintergrund: Am Institut für Bienenkunde der Universität Jena ist unter der Leitung von Prof. Hans-Hinrich Kaatz ein mehrjähriges Forschungsprojekt durchgeführt worden. Dabei ging es um die Frage, ob von den im Darm der Bienen siedelnden Mikroorganismen Gene aus den Pflanzen aufgenommen werden, deren Pollen die Bienen einsammeln. Von besonderem Interesse war das neu in den Raps eingeführte Gen, welches diesem eine Resistenz gegen ein bestimmtes Herbizid vermittelt. Das Projekt wird von der thüringischen Landergierung und vom Bundesforschungsministerium finanziert; das Lifescience- Unternehmen Aventis (früher AgrEvo) stellte das Versuchsfeld mit gentechnisch verändertem Raps zur Verfügung.

Das Ergebnis: Bisher sind die in Jena durchgeführten Untersuchungen nicht publiziert. Eine vorgesehene Veröffentlichung in dem renommierten

Wissenschaftsmagazin Nature ist bisher nicht erschienen. Bis auf einzelne Hinweise sind die Daten im einzelnen nicht bekannt. Offenbar hat Prof. Kaatz Darmbakterien aus Bienen isoliert, die unter Laborbedingungen Pollen von gentechnisch verändertem Raps erhalten haben. Einige der Darmbakterien zeigten sich resistent gegen den Herbizidwirkstoff Glufosinat. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die Bakterien das entsprechende Gen aus dem Raps aufgenommen und in ihr eigenes Genom integriert haben. In einem weiteren Versuch wurde bei bestimmten Hefen aus dem Bienendarm etwas ähnliches gefunden.

Diskussionen um Versuch und Auswertung: Wie so oft, wird nun heftig gestritten. Die eine Seite kritisiert das Versuchsdesign, meldet Zweifel, ob die im Laborexperiment erhaltenen Ergebnisse auf natürliche Bedingungen zu übertragen seien. Außerdem seien verschiedene Erklärungen für die resistenten Mikroorganismen aus dem Bienendarm möglich, nicht nur die Aufnahme des Resistenz-Gen aus dem transgenen Raps. Ohnehin sei das Forschungsprojekt in Jena längst noch nicht abgeschlossen. Die andere Seite sieht ihre

Risikovermutungen bestätigt: „Eine Kettenreaktion, vergleichbar der unkontrollierten Ausbreitung von Computer-Viren.“

Neue Fragen: Sollten sich die Jenaer Befunde bestätigen und die Bienen-Bakterien tatsächlich modifizierte Gene aus Raps aufgenommen haben, stellen sich neue Fragen.

  • Die Bienen und ihre Darm-Bakterien kommen mit einer Vielzahl von Pflanzen-Genen in Kontakt. Werden sie alle von den Mikroorganismen aufgenommen oder nur bestimmte? Bleiben sie über mehrere Generationen in deren Erbgut? Es erscheint wenig plausibel, wenn nur das modifizierte Gen in das Bakteriengenom eingebaut würde.
  • Was wären die Folgen, wenn das Herbizid- Resistenz-Gen in die Bienen-Bakterien wandert? Die Bienen selbst zeigten offenbar keine Zeichen für Krankheiten oder verändertes Verhalten. In diesem Fall ist das fragliche Gen (bzw. das dadurch gebildete neue Protein) gut untersucht; negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit sind nicht zu erwarten. Aber trifft das auch zu, wenn andere Gene auf Pflanzen übertragen werden?
  • Was ist mit dem Honig, den die Bienen produzieren? Honig enthält die „verdauten“ Blütenpollen und damit auch eine Vielzahl von Pflanzengenen. Haben die Bienen gentechnisch veränderten Raps beflogen, dann ist in ihrem Honig neben vielen anderen auch das modifizierte Gen nachweisbar. In Rapshonig aus Kanada sind

Herbizid- Resistenz-Gene zu finden - denn dort wächst gentechnisch veränderter herbizidresistenter Raps auf einer Fläche von 3,2 Mio. Hektar, mehr als sechzig Prozent der kanadischen Raps-Anbaufläche. Dort hat man sich an „Gene im Honig“ offenbar gewöhnt.