Stiftung Warentest 2000: Die Spitze des Eisbergs

Gekennzeichnete Lebensmittel gibt es nicht. Dennoch sind keineswegs alle Produkte frei von gentechnischen Anwendungen. Das bestätigte die Untersuchung der Stiftung Warentest aus dem Frühjahr 2000. In mehr als einem Drittel der untersuchten Lebensmittelprodukte konnten gentechnisch veränderter Mais oder Sojabohnen nachgewiesen werden.

Die Untersuchung. Insgesamt wurden 82 Lebensmittelprodukte von der Stiftung Warentest untersucht - jedoch ausschließlich solche, deren Zutatenliste Mais und/oder Soja aufführt.

Generell nicht analysiert wurden Produkte, die verarbeitete Zutaten aus Mais oder Soja enthalten, bei denen ein anerkannter Nachweis gentechnisch veränderter Rohstoffe (derzeit) nicht möglich ist. Beispiele sind etwa Sojaöle in Margarine und vielen verarbeiteten Produkten, aber auch Maisöl, Glukosesirup oder Traubenzucker aus Maisstärke. Ebenso waren Zusatzstoffe aus Mais oder Soja kein Thema für Stiftung Warentest. Beispiele dafür sind Lecithin, Tocopherol/Vitamin E, Mono- und Diglyceride oder modifizierte Stärken.

Gekauft wurden die Testprodukte im Februar/März 2000 - kurz bevor zwei neue Kennzeichnungsregelung in Kraft traten: Die Schwellenwert-Regelung (1%) bei der Kennzeichnung sowie eine Kennzeichnungspflicht für Zusatzstoffe, bei denen gentechnisch veränderte Rohstoffe nachweisbar sind.

Die Ergebnisse

  • Kein Produkt mit nachweisbaren gentechnisch veränderten Rohstoffen war gekennzeichnet.
  • In drei Produkten fanden die Tester gv-Mais bzw. gv-Soja in Anteilen zwischen einem und zwanzig Prozent. Es handelt sich um eine aus den USA importierte Backmischung für Pfannkuchen, in der sowohl gv-Soja- als auch verschiedene gv-Mais-Sorten gefunden wurden, ein Sportler-Riegel aus Großbritannien und ein vor allem in Reformhäusern und Naturkostläden vertriebenes milchfreies Eis, beide mit Anteilen aus gv-Soja. Bei allen Produkten lagen die GVO-Anteile über dem damals gültigen Schwellenwert von einem Prozent und waren daher zweifelsfrei kennzeichnungspflichtig.
  • In vier Produkten ermittelte Stiftung Warentest einen gv-Soja-Anteil zwischen 0,2 und einem Prozent. Dabei handelte es sich vor allem um fleischlose Brotaufstriche, Fleischersatz und ein Diät-Produkt. Als diese Produkte für die Untersuchung gekauft wurden, bestand eine grundsätzliche Kennzeichnungspflicht. Da der gv-Soja-Anteil unter dem seit April 2000 gültigen Schwellenwert von ein Prozent lag, kann unter bestimmten Voraussetzungen die Kennzeichnung unterbleiben. Dazu müssen die Hersteller oder Importeure nachweisen, dass sie sich aktiv um „gentechnikfreie“ Rohstoffe bemüht haben und die vorhandenen Anteile daher zufällig und unbeabsichtigt in das Produkt gelangt sind.
  • Anteile bis zu 0,1 Prozent enthielten insgesamt 16 Produkte, davon zwölf gv-Soja. Auch hier fielen vor allem Fleischersatz-Produkte, Diät- und Babynahrung, Sojamehlund auf, die zu einem hohen Anteil aus vergleichsweise gering verarbeiteten Sojabohnen bestehen (). Bei den Maisprodukten handelt es sich um Tacos und Tortilla Chips aus Maismehl, sowie Maismehl und -grieß.
  • In sechs weiteren Produkten konnten Anteile aus gv-Sojabohnen in sehr geringen, prozentual nicht bestimmbaren Mengen nachgewiesen werden, vor allem in Kleingebäck, Kuchen, Brot und einem tiefgefrorenem Cheeseburger. Viele enthalten aus technologischen Gründen Sojamehl. Aufgrund der geringen Mengen und der hohen Temperaturen beim Backen ist der Nachweis von gv-Soja im Endprodukt jedoch schwierig und liefert kaum aussagekräftige Ergebnisse. Geringe, quantitativ unbestimmte gv-Mais-Anteile wurden nur in einem Toastbrot gefunden.
  • Bei 24 Produkten mit Mais-Zutaten und 31 Produkten mit Sojazutaten konnten keine gentechnisch veränderten Rohstoffe nachgewiesen werden. (Einige Produkte enthalten sowohl Mais- wie Sojazutaten.)

Die Spitze des Eisbergs . Die Ergebnisse der Stiftung- Warentest bestätigen, was viele in der Branche längst wissen: Dass gekennzeichnete Produkte nicht im Handel sind, bedeutet keinen generellen Verzicht auf die Gentechnik. Anders ausgedrückt: Auch wenn sich viele Hersteller um „gentechnikfreie“ Rohstoffe bemühen - es gibt sie nicht, zumindest nicht in ausreichenden Mengen und nicht in 100%-iger Reinheit.

Daher sind von der Stiftung-Warentest-Untersuchung weniger die großen Lebensmittelunternehmen betroffen, die sich mit ihrer Nachfragemacht die begrenzten Mengen an gentechnik- freien Sojarohstoffen sichern und eine eigene Gentechnik- Analytik leisten können. „Erwischt“ wurden nun vor allem kleinere Hersteller, auch solche von Bio- und Reformhausprodukten, die vielleicht den Zusicherungen ihrer Zulieferer, es handele sich um gentechnikfreie Rohstoffe, zu leichtfertig vertraut haben.

Was die Stiftung Warentest - wie zuvor schon einige Lebensmitteluntersuchungsämter - zutage förderte, ist allenfalls die Spitze des Eisbergs. Gegenstand der Untersuchung waren nur jene mais- und/oder sojahaltigen Produkte, bei denen mögliche gentechnisch veränderte Anteile überhaupt nachweisbar sind. Sojaöle und -fette, hoch verarbeitete Zutaten aus Maisstärke wurden gar nicht analysiert, weil im Endprodukt ohnehin nicht mehr festgestellt werden kann, ob gentechnisch veränderte Pflanzen verwertet wurden oder nicht.

Ebenso fehlten Zusatzstoffe, Vitamine und Enzyme im Untersuchungsprogramm der Stiftung Warentest.