Gerste

Gerste

Forschung Virus-, Pilzresistenz, verbesserte Braueigenschaften, bessere Futterverwertung, geringerer Düngebedarf
Freilandversuche EU: 17 (8 Länder)
USA: mehr als 100, weitere 3 Länder

Gerste (Hordeum vulgare) ist weltweit in den gemäßigten Klimaregionen verbreitet. Sie ist eine der ältesten Kulturpflanzen. Führend im Anbau sind Russland, Australien und die Ukraine, in der EU Spanien, Deutschland und Frankreich. Gerste ist anspruchsloser als Weizen und kann unter unterschiedlichen Bedingungen wachsen.

Bei Gerste unterscheidet man zweizeilige Sommergerste und mehrzeilige Gerste, meist Wintergerste. Zweizeilige Gerste entwickelt an jeder Ansatzstelle ein kräftiges Korn, während mehrzeilige Gerste dort drei schwächer ausgeprägte Körner aufweist. Zweizeilige Sommergerste wird hauptsächlich in der Brauerei verwendet, mehrzeilige Gerste in der Lebensmittelverarbeitung, z.B. für Backwaren, und als Futtermittel.

Als nachwachsender Rohstoff liefert Gerste Stärke für die Industrie und kann auch für die Kraftstoff- und Wärmeerzeugung (Bioethanol, Biomethan) genutzt werden.

Beispiele Forschung und Entwicklung (Gentechnik, neue Züchtungsverfahren)

Resistenz gegen Gerstenmosaikvirose. Das Gerstengelbmosaikvirus (Barley yellow mosaic virus, BaYMV) und das Milde Gerstenmosaikvirus (Barley mild mosaic virus, BaMMV), zwei nahe verwandte Virenarten, werden durch Mikroorganismen im Boden übertragen. Infizierte Pflanzen zeigen gelbgrüne Verfärbungen auf den Blättern. Die Pflanzen entwickeln sich schlechter, es kann zum vollständigen Absterben kommen. Ertragsverluste von bis zu 50 Prozent sind die Folge. Eine Bekämpfung des Virus oder des Überträgers ist nicht möglich. Die aktuellen Gerstensorten sind zwar fast alle resistent, doch einige Virenstämme haben bereits die Fähigkeit entwickelt, die Resistenzen zu überwinden.

Ein Forschungsteam am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben hat ihre Genbank nach Resistenzgenen in alten Sorten und wilden Verwandten der Gerste durchsucht und konnte ein Gen (PDIL5-1) identifizieren, das die Viren für ihre Vermehrung nutzen. Einige Varianten dieses Gens sind durch Mutation so verändert, dass die Viren sich nicht mehr vermehren können. Mit Hilfe des Genome Editing-Verfahrens CRISPR/Cas haben die Beteiligten in der Kulturgerste dieses Gen ausgeschaltet. Im Gewächshaus zeigten sich die editierten Pflanzen resistent gegen BaMMV, während Wachstum und Ertrag unverändert waren.

Resistenz gegen Mehltau. Bei Gerste kommt natürlicherweise eine Resistenz gegen Mehltau vor. Diese beruht auf einer Mutation des MLO-Gens. Dieses kodiert ein Protein, das dem Mehltauerreger, einem Pilz, hilft, in die Zellen einzudringen. Fehlt den Pflanzen das MLO-Gen oder ist es deaktiviert, sind sie resistent gegen Mehltau. Diese Eigenschaft wurde durch züchterische Kreuzung in die meisten der in Deutschland angebauten Gerstensorten eingebracht.

Heute setzt man auch die neuen Genome Editing-Verfahren dafür ein, die MLO-Gene bei der Entwicklung neuer Sorten auszuschalten, nicht nur bei Gerste, sondern auch bei anderen Pflanzen, etwa Weizen.

Resistenz gegen Ährenfusariose. Die Ährenfusariose wird vor allem durch den Pilz Fusarium graminearum, aber auch andere Fusarienarten hervorgerufen. Die Krankheit ist eine der wichtigsten Pflanzenkrankheiten weltweit und verursacht hohe Ertragsverluste bei Getreiden wie Gerste und Weizen. Ein Fusarienbefall führt außerdem zu einer Belastung des Getreides mit giftigen Mykotoxinen. - Wissenschaftler/innen in den USA haben in der Modellpflanze Arabidopsis mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas ein Gen ausgeschaltet. Die editierten Pflanzen zeigten sich resistent gegenüber F. graminearum. Bei Gerste gibt es ein entsprechendes Gen, welches wahrscheinlich für die Anfälligkeit von Gerste gegen Fusarieninfektionen verantwortlich ist. Wird es ausgeschaltet, könnte damit auch bei Gerste eine Resistenz gegen Ährenfusariose erreicht werden.

Höhere Erträge. Bei Reis und Raps hat man festgestellt, dass durch das Ausschalten des Gens CKX2 höhere Erträge erzielt werden können. Das Gen ist an der Samenbildung beteiligt und in zwei Kopien auch in Gerste vorhanden. In einem Gemeinschaftsprojekt der Freien Universität Berlin und des Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) wurden beide Genkopien mit Hilfe von CRISPR/Cas ausgeschaltet. Ab Frühling 2024 soll in einem dreijährigen Freilandversuch auf der Protected Site der Schweizer Forschungseinrichtung Agroscope getestet werden, ob die editierten Gerstenpflanzen wie Reis und Raps höhere Erträge liefern. Es ist der erste Freilandversuch in der Schweinz mit Pflanzen, die mittels Genome Editing entwickelt wurden.

Geringerer Düngebedarf. Am Crop Science Centre in Großbritannien wurde eine Gerste gentechnisch so verändert, dass sie besser mit natürlich vorkommenden Bodenpilzen interagieren kann. Damit erhofft man sich, dass die Pflanze über die Bodenpilze besser Wasser und darin gelöste Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor aufnehmen kann. Ziel ist es, die Abhängigkeit von synthetischen Düngergaben zu reduzieren. In Feldversuchen soll das Wachstum der gv-Gerste unter hohen und niedrigen Phosphatgehalten im Boden untersucht werden. Um die Wechselwirkungen zwischen Bodenpilzen und Gerstenpflanzen besser zu verstehen, wird auch eine genom-editierte Gerste angebaut, bei der die Fähigkeit zur Interaktion mit Bodenpilzen unterdrückt wurde.

Verbesserte Braueigenschaften. In den USA ist eine Gerstensorte entwickelt worden, die aufgrund eines übertragenen Bakterien-Gens hitzestabile Glukanasen bildet. Diese Enzyme verbessern unter anderem die Verwertung der Gerste beim Brauprozess, indem sie Glukane, eine wichtige Stützsubstanz der Zellwände, abbauen und damit als Stärkequelle verwertbar machen. Der Abbau von Glukanen senkt zudem die Kosten für den Brauprozess, da die Glukane nicht mehr zu Verstopfungen von Filtern führen. - Glukanasen erhöhen auch die Widerstandsfähigkeit der Gerste gegenüber Pilzen, da sie die Glukane in deren Zellwänden abbauen.

Bessere Verdaulichkeit. Dänische Wissenschaftler/innen haben eine cisgene Gerste entwickelt, die eine verbesserte Phytase-Aktivität aufweist. Das Enzym Phytase spaltet bestimmte Phosphorverbindungen und erleichtert dadurch die Aufnahme von Phosphor aus der Nahrung. Bei einer Fütterung mit dieser gv-Gerste kann auf eine Zufütterung von mikrobieller Phytase, wie sie sonst üblich ist, verzichtet werden.

Produktion von industriell nutzbaren Substanzen oder Pharmawirkstoffen. Die isländische Firma ORF Genetics stellt in gv-Gerste den epidermalen Wachstumsfaktor (EGF) her (Molecular Farming). Dieser wird unter dem Markennamen Bioeffect EGF in Kosmetika und Anti-Aging-Produkten eingesetzt und soll zelleigene Reparaturprozesse in Hautzellen aktivieren. Die dafür entwickelte Gerste wird ausschließlich in geschlossenen Gewächshäusern kultiviert. Der EGF-Wirkstoff wird aus den Körnern extrahiert und aufgereinigt. Nach Angaben des Unternehmens ist der in Gerste gewonnene EGF-Aktivator reiner und wirksamer als in den bisher verwendeten Präparaten.

Ein anderes Produkt von ORF Genetics sind spezielle Proteine und Wachstumsfaktoren aus gv-Gerste, die für die Produktion von Zellkulturfleisch eingesetzt werden. Die Wachstumsfaktoren regen die Teilung der kultivierten Muskelzellen an.

Seit 2018 testet die Firma Usovsko A.S. in Tschechien transgene Gerste im Freiland, die das antimikrobielle Peptid LL-37 produziert. LL-37 wird vor allem in Immunzellen gebildet und spielt eine Rolle bei entzündlichen Prozessen der Haut. Es wird unter anderem zur Wundheilung eingesetzt.