Senegal, Landwirtschaft

Die Landwirtschaft der Zukunft: Mehr Erträge, weniger Ressourcen

Weltweit sind eine Milliarde Menschen chronisch unterernährt, und die Weltbevölkerung wächst. Gleichzeitig ist die Landwirtschaft global betrachtet der größte Verursacher von Umweltschäden. Wie kann die globale Landwirtschaft in Zukunft umweltschonender werden und dabei genügend Lebensmittel produzieren? Mit dieser Frage haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Wissenschaftler beschäftigt. Ende 2011 erschien in der Zeitschrift Nature eine umfassende Studie mit Handlungsempfehlungen.

Obst- und Gemüsehändler in Indien

Immer mehr Menschen, knapper werdende Ressourcen: Einfache Lösungen gibt es nicht.

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Hirse

Hirse oder Sorghum ist ein Grundnahrungsmittelin zahlreichen Entwicklungsländern. Viele solcher Grundnahrungs- pflanzen wurden über Jahrzehnte hinweg von der Pflanzenzüchtung vernachlässigt.

Etwa eine Milliarde Menschen, vor allem in Afrika und Asien, sind chronisch unter- oder fehlernährt. Auf den ersten Blick handelt es sich um ein Verteilungsproblem, denn heute würde die global produzierte Menge an Lebensmitteln im Prinzip für alle Menschen ausreichen. Doch die Weltbevölkerung wächst, und die Bedingungen für die Landwirtschaft werden schwieriger. Im Zuge des Klimawandels werden Wetterextreme wie Hitze, Dürre und Überflutung zunehmen, Frischwasser wird knapper und die Auslaugung und Erosion der Böden ist ein weit verbreitetes Problem. Diese Entwicklungen sind zu einem nicht unerheblichen Teil durch die Landwirtschaft selbst verursacht.

Wie kann die Landwirtschaft umweltverträglicher werden und gleichzeitig eine wachsende Weltbevölkerung ernähren? Ende 2011 veröffentlichte eine Gruppe von Wissenschaftlern unter Federführung des amerikanischen Geografen Jonathan Foley eine groß angelegte Studie, in der sie vier Problem- und Handlungsfelder herausarbeiteten.

(1) Ausweitungsstopp für landwirtschaftliche Nutzflächen. Der FAO zufolge werden 12 Prozent der eisfreien Erdoberfläche als Ackerland genutzt und 26 Prozent als Weideland. Damit ist die Landwirtschaft mit Abstand der größte Landnutzer auf der Erde. Die verbleibende Fläche ist vor allem von Wüsten, Gebirgen, Tundra, Naturschutzgebieten und Städten bedeckt. Für die Erschließung neuer landwirtschaftlicher Nutzflächen gibt es kaum noch Spielraum.

Zwischen 1985 und 2005 kam es zu einer deutlichen Expansion der Landwirtschaft in tropischen Gebieten, während die landwirtschaftlich genutzten Flächen in den gemäßigten Breiten leicht abnahmen. Die Autoren der nature-Studie fordern, diese Entwicklung müsse dringend umgekehrt werden. Die ökologischen Schäden durch die Abholzung tropischer Regenwälder seien zu groß und die Erträge auf dem so gewonnen Ackerland in der Regel niedrig, verglichen mit gemäßigten Zonen.

Die wichtigsten Empfehlungen der nature-Studie von Foley et al. 2011

-keine weitere Ausweitung landwirtschaftlicher Nutzflächen, insbesondere nicht in den Tropen

-Steigerung der Erträge durch precision farming, Methoden aus dem Ökolandbau sowie Pflanzenzüchtung

-optimierter Einsatz von Wasser und Nährstoffen

-Minimierung von Nachernteverlusten und Lebensmittelabfällen, kritische Überprüfung des Anbaus von Futter- und Energiepflanzen

-Offenheit für alle Problemlösungsansätze

Der Produktionsausfall durch den Verzicht auf die Abholzung weiterer Regenwälder könne und müsse durch Produktionssteigerungen in den gemäßigten Breiten aufgefangen werden. Diejenigen Kulturpflanzen, die in den Tropen hohe Erträge erbringen - Soja, Zuckerrohr, Ölpalmen - trügen nicht zur Verbesserung der Ernährungssituation bei.

(2) Steigerung der Erträge. Nach Berechnungen der Nature-Studie stiegen die globalen Ernteerträge von 1965 bis 1985 um 56 Prozent, von 1985 bis 2005 nur noch um 20 Prozent. Diese Zuwächse setzten sich aus der Steigerung des Ertrags pro Fläche und der Ausweitung der landwirtschaftlich genutzten Fläche zusammen, doch letztere ist an ihre Grenzen gekommen.

Um die Flächenerträge weiter zu steigern, müssen zunächst so genannte Ertragslücken geschlossen werden. Bei den meisten Feldfrüchten gibt es große regionale Ertragsunterschiede, selbst wenn man Regionen mit annähernd gleichen Umweltbedingungen vergleicht. Der Grund dafür sind vor allem Unterschiede bei der Nährstoff- und Wasserversorgung der Pflanzen. Künstliche Bewässerung und das Ausbringen von synthetischen Düngern hätten jedoch in der Vergangenheit große Umweltschäden hervorgerufen, schreiben die Autoren, weshalb man hier neue Wege gehen und Methoden aus dem Ökolandbau und dem precision farming übernehmen müsse. Die Pflanzenzüchtung spiele eine wichtige Rolle, um nach dem Schließen der Ertragslücken weitere Ertragssteigerungen zu erreichen, etwa mit Pflanzen, die Wasser und Nährstoffe effizienter nutzen können.

(3) Optimierter Ressourcenverbrauch. In vielen Regionen der Welt krankt der Nutzpflanzenanbau an einem Mangel an Stickstoff und Phosphor, in einigen Regionen dagegen gibt es Überschüsse und es wird auf den Ertrag bezogen zu viel verbraucht - mit negativen Folgen für die Umwelt wie etwa Gewässerüberdüngung. Nach den Untersuchungen der Nature-Autoren sind das vor allem China und Nordindien, in geringerem Ausmaß aber auch die USA und Westeuropa. Der Verbrauch von Dünger und auch von Wasser müsse optimiert werden, um die Vorteile der intensiven Landwirtschaft zu erhalten und gleichzeitig ihre negativen ökologischen Auswirkungen zu minimieren.

(4) Minimierung von Verlusten, Veränderung des Konsums. Eine Studie der FAO von 2011 ermittelte, dass rund ein Drittel der produzierten Nahrungsmittel niemals gegessen werden. In Entwicklungsländern sind Nachernteverluste durch Schädlingsbefall ein großes Problem, außerdem die Lagerungs- und Transportbedingungen, unter denen die Lebensmittel verderben. In Industrieländern werden die Lebensmittel schlicht weggeworfen. Hier liegt ein großes Potenzial, um die verfügbare Menge an Lebensmitteln zu erhöhen.

Nach Modellrechnungen der Nature-Studie könnte die weltweit verfügbare Menge an Nahrungskalorien um 50 Prozent erhöht werden, wenn die sechzehn wichtigsten Feldfrüchte ausschließlich für die Ernährung von Menschen eingesetzt würden. Das sei kein Ziel für die Realität, verdeutliche aber, dass die Nutzung von Getreide als Tierfutter und von Nahrungspflanzen als Energiepflanzen reduziert werden müsse.

Die Autoren schätzen, dass die weltweite Nahrungsmittelproduktion um 100 bis 180 Prozent gesteigert werden könnte, wenn alle vier Strategien gleichzeitig verfolgt werden. Sie betonen ausdrücklich, bei der praktischen Umsetzung müsse man technologieneutral bleiben. Man dürfe sich nicht von vornherein auf eine bestimmte Herangehensweise festlegen, sei es konventionelle Landwirtschaft, Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen oder Ökolandbau.