Apfelschorf

Freilandversuche: Wirksame Resistenz gegen Feuerbrand und Apfelschorf - durch Gene aus Wildapfel

Bei keinem Obst wird so viel gespritzt wie bei Äpfeln. Anders lassen sich Krankheiten wie Apfelschorf und Feuerbrand kaum bekämpfen. Gerade beliebte Apfelsorten wie Gala oder Jonagold sind hochanfällig. Inzwischen ist es gelungen, mit Hilfe der Gentechnik Resistenz-Gene aus Wildäpfeln in gängige Kulturäpfel zu übertragen. Das Konzept funktioniert: In mehrjährigen Freilandversuchen in den Niederlanden und der Schweiz zeigten sich diese Äpfel weitaus weniger anfällig. Mit der Reform der Gentechnik-Gesetze stehen die Chancen gut, dass sie zukünftig ohne Auflagen angebaut werden dürfen.

Pflanzenschutzmittel Behandlunghäufigkeit 2021, JKI

Häufigkeit des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln bei verschiedenen Kulturpflanzen 2021. Bei Äpfeln werden mit Abstand die meisten Pflanzenschutzmittel gespritzt, vor allem gegen die Pilzerkrankung Apfelschorf.

Apfelfreisetzung Wageningen

10 Jahre Tests im Freiland: Cisgene schorf-resistente Apfelbäumchen an der Universität Wageningen, Niederlande

Fotos: iStock/Vilor (großes Foto oben), Frans Krens, Wageningen UR

Der Apfel ist die Obstart, bei der mit Abstand die meisten Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Um einen Befall mit Apfelschorf, der durch einen Pilz (Venturia inaequalis) ausgelöst wird, zu vermeiden, werden die Apfelbäume in Deutschland zehn bis zwanzigmal mit chemischen Mitteln gegen Pilzerkrankungen (Fungizide) behandelt. Im biologischen Anbau werden mehrfach umweltbelastende Kupfer- und Schwefelpräparate ausgebracht.

Wenn im Frühjahr ausgeschleuderte Wintersporen besonders bei feuchter Witterung die ersten Infektionen auslösen, bilden sich auf den Blättern und Früchten zunächst blass oliv-grüne, später bräunliche bis schwarze Flecken. Der Verzehr von Äpfeln, die mit Schorf befallen sind, ist zwar nicht gesundheitsschädlich, aber solche Früchte lassen sich nur schwer vermarkten.

Noch schwieriger ist die Bekämpfung von Feuerbrand, einer hochansteckenden bakteriellen Erkrankung. Sie breitet sich rasend schnell aus, befallene Pflanzenteile verfärben sich und sehen aus „wie vom Feuer verbrannt“. Oft bleibt nichts anderes übrig, als betroffene Bäume radikal zu beschneiden oder zu fällen – manchmal ganze Apfelanlagen. Derzeit steht kein wirksames Pflanzenschutzmittel zur Verfügung. Früher eingesetzte Mittel basieren auf dem Antibiotikum Streptomycin, die in Deutschland nicht mehr erlaubt sind.

Gegen die berüchtigten Apfelkrankheiten widerstandsfähige Äpfel zu züchten, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu verringern, ist schon seit langem eines der wichtigsten Ziele in der Apfelzüchtung. Dabei greift man auch in der klassischen Züchtung auf Resistenzeigenschaften von Wildäpfeln zurück. So gehen etwa die meisten der heutigen Apfelsorten mit einer gewissen Schorfresistenz auf eine Kreuzung mit dem Wildapfel Malus floribunda 821 zurück.

Es dauert dann allerdings Jahrzehnte, bis aus einer solchen Kreuzung mit einem kleinen ungenießbaren Wildapfel wieder eine Apfelsorte mit großen, gut schmeckenden Früchten gezüchtet werden kann, die zugleich resistent ist. Bei der Kreuzung der Apfelsorte Morgenduft mit Malus floribunda dauerte es sechzig Jahre. Und der neue Apfel war kein Morgenduft mehr, sondern eine neue Sorte mit Namen Florina. Denn auf klassischem Wege ist es nicht möglich, eine Resistenz in beliebte, auf dem Markt eingeführte Apfelsorten hineinzuzüchten, ohne deren Eigenschaften zu verändern.

Viele Jahre Freilandversuche in der Schweiz und den Niederlanden: Die Resistenzen funktionieren

Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, des Julius Kühn-Institutes (JKI) Dresden-Pillnitz sowie der Universität Wageningen (Niederlande) verfolgen schon seit vielen Jahren das Ziel, geeignete Resistenz-Gene aus Wildäpfeln mit Hilfe der Gentechnik in gängige Apfelsorten zu übertragen. Das besondere ihres Ansatzes ist, dass die gentechnisch veränderten Äpfel am Ende kein artfremdes Erbmaterial enthalten, sondern nur Gene aus dem Apfel-Genpool, die auch mit konventioneller Züchtung eingekreuzt werden könnten. Die Früchte sind dann nicht transgen (lat. trans = jenseits der Artgrenzen), sondern cisgen (lat. cis = diesseits). Neben dem eigentlichen Resistenzgen aus der Wildart, stammen auch alle weiteren benötigten Gensequenzen aus dem Apfelerbgut.

Ein Gen für Schorfresistenz aus dem Wildapfel Malus floribunda 821 konnte von den Wissenschaftlern schon Anfang der 2000er Jahre isoliert werden. Mit diesem Gen wurden mehrere cisgene Apfellinien der Sorte Gala erzeugt. Ein Teil dieser Linien wurde von 2011 bis 2021 an der Universität Wageningen im Freilandversuch angebaut. 2014 trugen die Apfelbäume das erste Mal Früchte. Während die Früchte der gegen Apfelschorf empfindlichen konventionellen Apfelbäume befallen waren, zeigten die Früchte der cisgenen Bäume keine Anzeichen von Apfelschorf. Auch in den Folgejahren blieben sie stabil schorfresistent.

Anfang 2014 gelang schließlich auch der Durchbruch bei Feuerbrand. Es konnte ein wirksames Resistenzgen (FB_Mr5) gegen Feuerbrand in dem Wildapfel Malus x robusta5 identifiziert und in die Sorte Gala übertragen werden. Dass dieses Gen tatsächlich eine Resistenz gegen Feuerbrand bewirkt, wurde in Deutschland und der Schweiz im Gewächshaus erfolgreich getestet. Von 2016 bis 2021 wuchsen die Apfelbäume auch im Freiland auf dem Gelände der Protected Site der Schweizer Forschungseinrichtung Agroscope. Das Freisetzungsgelände Protected Site wurde 2012 eingerichtet, um das Wissen über gentechnisch veränderte Pflanzen und ihr Verhalten in der Umwelt zu erweitern.

Inzwischen liegen die Ergebnisse des fünfjährigen Freilandversuchs vor. Die cisgenen Apfelbäume waren wie erwartet widerstandsfähig gegen Feuerbrand-Infektion. Und es zeigten sich bei Pflanzenwuchs und biochemischen Eigenschaften keine unerwarteten oder nachteiligen Unterschiede zu unveränderten Apfelbäumen.

Es ist grundsätzlich möglich, beliebig viele apfeleigene Resistenzgene in bestehende Apfelsorten einzuführen. Da Krankheitserreger die Fähigkeit besitzen, sich anzupassen und bestehende Resistenzen auch wieder zu durchbrechen, ist es sinnvoll, dass mehrere Gene an der Resistenz beteiligt sind. Deshalb wird eine „Pyramidisierung“ der Resistenzgene angestrebt. Die Suche nach weiteren geeigneten Resistenzgenen geht weiter.

Die Chancen stehen gut, dass cisgene Apfelbäume in absehbarer Zeit tatsächlich in Europa angebaut werden dürfen. Denn nach dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Reform der Gentechnik-Gesetze vom Juli 2023 könnten solche Pflanzen in Zukunft von den strengen Auflagen der Gentechnik-Gesetze befreit sein. Da sie nur Genmaterial aus dem Genpool der jeweiligen Art enthalten, fallen die cisgenen resistenten Apfelbäume demnach unter die Kategorie 1 der NGT-Pflanzen (NGT, New Genomic Techniques). Um sie auf den Markt zu bringen, wäre dann nur noch eine Anmeldung erforderlich.

Gegen Feuerbrand auch mit der Gen-Schere CRISPR/Cas

Italienische Wissenschaftler haben nun auch erfolgreich die Genschere CRISPR/Cas eingesetzt, um die Apfelsorten Gala und Golden Delicious vor Feuerbrand zu schützen. Sie konnten mit der Genschere ein Gen (MdDIPM4) ausschalten, von dem bekannt ist, dass es eine Rolle für die Anfälligkeit gegenüber den Feuerbrand-Bakterien spielt. Sie erreichten damit eine Verringerung der Feuerbrand-Symptome um etwa die Hälfte.