Kuh

Ohne Gentechnik! Und wo kommt das Soja-Futter her?

Vor allem bei Milchprodukten ist „ohne Gentechnik“ fast Standard. Auch bei Eiern und Geflügelfleisch tragen viele Produkte das grüne Label. Es bezieht sich in erster Linie auf das Futter, das die Tiere erhalten haben. Doch: Wo kommen genug „gentechnik-freie“ Sojabohnen her, wie sie dafür benötigt werden? In Europa, erst recht in Deutschland wird davon viel zu wenig angebaut. Und was aus Nord- und Südamerika eingeführt wird, ist zum großen Teil gentechnisch verändert.

Soja: Die großen Handelsströme 2021, Quelle: OVID 2022

Soja: Die großen Handelsströme, Stand 2021. Inzwischen ist China das mit Abstand wichtigste Importland, weit vor der EU. Die EU führte 2021 etwa 31 Millionen Tonnen Sojabohnen und Sojaschrot aus Nord- und Südamerika ein - überwiegend gentechnisch verändert.

Sojaanbau und -importe in Deutschland 2021

Deutschland: Anbau von Sojabohnen und Import von Sojabohnen und -schrot mit und ohne Gentechnik.

Sojaanbau und -importe in der EU 2021

EU-27: Anbau von Sojabohnen und Import von Sojabohnen und -schrot mit und ohne Gentechnik.

Futteraufkommen in verdaulichem Eiweiß 2021/22

Bei den Eiweißfuttermitteln Raps- und Sojaschrot ist Deutschland auf Importe angewiesen.

Großes Foto oben: Igor Gancharenko/123RF

Raps- und Sojaschrot sind die wichtigsten Eiweißfuttermittel in Deutschland. Beide - Soja noch mehr als Raps - enthalten einen hohen Anteil an verdaulichem Rohprotein. Sie liefern etwa ein Drittel des Bedarfs an Rohprotein im Tierfutter, vor allem bei Geflügel und Schweinen.

Die 2,9 Millionen Tonnen Sojaschrot, die 2021/22 an Deutschlands Nutztiere verfüttert wurden (vorläufige Zahl, BMEL), stammen fast ausschließlich aus Importen. Auch wenn in den letzten Jahren der Sojaanbau in Europa – vor allem in Italien und im Donauraum – stark zugenommen hat, reichen die Erntemengen bei weitem nicht aus, um sich von Soja-Importen aus Nord- und Südamerika unabhängig zu machen. Erst recht trifft das auf Deutschland zu. Angetrieben von massiver öffentlicher Förderung hat zwar der Anbau von Sojabohnen vor allem in Süddeutschland kräftig zugelegt, doch gemessen an den Importen fällt die heimische Sojaproduktion kaum ins Gewicht. 2021 wurden auf 34.200 Hektar 106.600 Tonnen Sojabohnen geerntet (Zahlen FAO). Das sind gerade mal 1,8 Prozent der Sojaimporte.

Als einziges nicht-europäisches Erzeugerland bietet Brasilien in größeren Mengen „gentechnik-freie“ Sojabohnen an. Allerdings: Mit einem seit Jahren ansteigenden Anteil an gv-Sojabohnen - inzwischen etwa 98 Prozent der brasilianischen Anbauflächen - ist es immer aufwändiger und damit auch teurer geworden, „gentechnik-freie“ Soja anzubauen und die Ernten nach Europa zu liefern. Laut ProTerra ist der Anbau von Nicht-GVO-Soja in Brasilien in den letzten Jahren deutlich gesunken. Lag die Produktionsmenge 2018/19 noch bei 5,5 Millionen Tonnen, so schätzte die Organisation für 2020/21 nur noch 2,75 Millionen Tonnen. Für die Ernte 2022/23 will Brasilien die Anbaufläche für Gentechnik-freie Soja allerdings wieder deutlich um 24 Prozent erweitern, so der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG). Grund für die erhöhte Nachfrage aus Europa sei vor allem ein Exportstopp in Indien im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

Über die gesamte Produktionskette - vom Saatgut über Anbau, Ernte, Transport und Verschiffung bis zur Verarbeitung - müssen konventionelle Sojabohnen von gentechnisch veränderten getrennt werden. Zufällige Beimischungen von gv-Soja sind unter offenen natürlichen Bedingungen zwar nicht gänzlich zu vermeiden, doch sie sollen so gering wie möglich bleiben und den für die Kennzeichnung maßgebenden Schwellenwert von 0,9 Prozent nicht überschreiten. Meist liegen die GVO-Anteile für als „gentechnik-frei“ gehandelte Soja aus Brasilien zwischen 0,1 und 0,9 Prozent.

Vor der Verladung auf die Schiffe werden die Sojarohstoffe auf ihren GVO-Anteil analysiert, manchmal zusätzlich auch an anderen Stellen der Warenkette. Für so zertifizierte „gentechnik-freie“ Sojabohnen wird ein Preisaufschlag berechnet. Auch die Farmer in Brasilien erwarten eine zusätzliche Prämie, wenn sie sich zum Anbau konventioneller Sorten verpflichten. Aus ihrer Sicht fallen die Wünsche der gentechnik-kritischen Europäer gegenüber der in den letzten Jahren stark gestiegenen Nachfrage in Asien kaum noch ins Gewicht. Längst hat China die EU als weltweit größter Soja-Importeur abgelöst.

Derzeit sind geschätzte vier bis fünf Millionen Tonnen „Ohne Gentechnik“-Sojabohnen aus Brasilien und Europa erhältlich. Geringe Mengen sind auch aus Indien verfügbar. Zurzeit gibt es dort allerdings einen Exportstopp. Wie viel GVO-frei-zertifizierte Soja nach Deutschland importiert wird, dazu gibt es keine verlässlichen Daten. Laut Thünen-Institut sind die einzigen Zertifizierungs-Standards, die Gentechnik explizit ausschließen, ProTerra und Donau Soja/Europe Soya. In Deutschland standen 2020 geschätzte 750.000 Tonnen ProTerra-zertifizierte Soja zur Verfügung. Die Menge der von Donau Soja/Europe Soya zertifizierten Soja betrug 2020 für die gesamte EU 610.000 Tonnen (Quelle: European Soy Monitor). Der Bedarf wird von Donau Soja auf 1,1 Millionen Tonnen geschätzt.

Auch in Russland und der Ukraine wird großflächig Soja angebaut. Zwar sind dort gv-Sojabohnen offiziell verboten, doch ein illegaler Anbau ist nach Ansicht von Branchenkennern weit verbreitet. In der Ukraine soll mehr als die Hälfte der Produktion (2021 3,5 Mio. t) von gv-Sorten stammen. 2021 hat Deutschland etwa 100.000 Tonnen Sojabohnen aus Russland und der Ukraine bezogen (Donau Soja). Trotz des Krieges wird die Soja-Erntemenge für 2022 auf 70 Prozent des Vorjahres geschätzt.

Eine größere Nachfrage nach „ohne Gentechnik“-Futtermitteln wird weniger durch die begrenzte Verfügbarkeit solcher Sojarohstoffe eingeschränkt, als durch die mangelnde Bereitschaft, für den höheren Aufwand auch mehr zu bezahlen. Akzeptieren die Konsumenten höhere Preise - allein für „ohne Gentechnik“ bei ansonsten gleichbleibender Qualität der Produkte? Oder zwingen die großen Handelsketten ihre Landwirte, die Mehrkosten für gentechnik-freie Futtermittel zu übernehmen? Für die Erzeuger in Brasilien lohnen Investitionen in „gentechnik-freien“ Anbau und separate Warenketten nur, wenn die Europäer ihnen langfristig höhere Preise garantieren. Wenn nicht, ist der weiter ansteigende Absatz in China für sie das bessere Geschäft.

Soja: Erzeugerländer, Produktionsmengen, GVO-Anteile

Alle Zahlen 2021 vor Beginn des Ukraine-Krieges

Produktion
Mio. t
GVO-Anteil Nicht-GVO (rechnerisch)
Mio. t
Nordamerika
USA 120,7 95% 6
Kanada 6,3 95 % 0,3
Südamerika
Brasilien 134,9 98 % 2,7
Argentinien 46,2 99,5 % 0,23
Paraguay 10,5 99 % 0,1
Bolivien 3,3
Uruguay 1,7
EU 27
Italien 0,9 1
Frankreich 0,44 0,44
Rumänien 0,37 0,37
Kroatien 0,23 0,23
Österreich 0,24 0,24
Deutschland 0,11 0,11
übrige EU-Länder 0,4 0,4
EU gesamt 2,7 2,7
Osteuropa
Serbien 0,54 0,54
Ukraine 3,5 illegaler GVO-Anbau ?
Russland 4,8 illegaler GVO-Anbau ?
Sonstige
China 16,4 kein Export 16,4
Indien 12,6 z.Zt. kein Export 12,6
andere 7,6 7,6

Zahlen 2021: FAO, ISAAA

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