EU-Kommission will nationale Ausstiegsklauseln jetzt auch beim Import von Gentechnik-Rohstoffen

(16.04.2015) Die EU-Kommission will auch bei Lebens- und Futtermitteln aus importierten gentechnisch veränderten Pflanzen den Mitgliedstaaten das Recht einräumen, den Gebrauch solcher Produkte zu verbieten. Ein erster Vorschlag für eine entsprechende Änderung der EU-Gentechnik-Vorschriften wird derzeit in der Kommission beraten. Die Verbände der Agrarwirtschaft warnen vor „dramatischen Konsequenzen“.

Jean-Claude Juncker, EU-Kommissionspräsident

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Junker. Er hatte bei seinem Amtsantritt angekündigt, das EU-Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzen zu überarbeiten.

Foto: EU-Kommission

Sojabohnen

Silo mit Sojabohnen in Brasilien. Die EU führt jährlich etwa 35 Millionen Tonnen Sojarohstoffe ein, die überwiegend als Futtermittel verwertet werden. Etwa fünf Millionen entfallen auf Deutschland. In den Erzeugerländern Brasilien, Argentinien und USA werden zu mehr als neunzig Prozent gentechnisch veränderte Sojabohnen angebaut.

Foto: iStockphoto

Gv-Pflanzen: Zulassung zum Import in die EU und Verwendung als Lebens- und Futtermittel (Anzahl Zulassungen nach derzeit geltendem EU-Recht)

Mais 28

Sojabohnen 7

Raps 4

Baumwolle 2

Zuckerrübe 1

Anträge vor Entscheidung über Zulassung (Sicherheitsbewertung abgeschlossen, in den meisten Fällen Abstimmungen im Ministerrat bzw. den Ausschüssen durchgeführt)

Mais 7

Sojabohnen 5

Baumwolle 5

Raps 2

Nach dem vorab bekannt gewordenen Vorschlag der Kommission soll jeder EU-Mitgliedstaat Lebens- und Futtermittel aus gentechnisch veränderten Pflanzen, die nicht in der EU angebaut werden, bei sich verbieten oder einschränken können. Für ein solches Verbot müssen „zwingende Gründe“ angeführt werden. Dabei sind Sicherheitsbedenken, die dem wissenschaftlichen Gutachten der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) widersprechen, nicht zulässig. Die Verbotsmaßnahmen müssen zudem „verhältnismäßig und nicht-diskriminierend“ sein.

Nicht von möglichen nationalen Verboten betroffen wären „zufällige, technisch unvermeidbare“ Beimischungen zugelassener gv-Pflanzen bis zum Schwellenwert von 0,9 Prozent. Die verbietenden Länder müssten zudem eine „angemessene“ Frist einräumen, in der bereits auf dem Markt befindliche Lebens- und Futtermittel der betreffenden gv-Pflanze noch verbraucht werden dürfen.

Ähnlich wie bei den bereits beschlossenen Ausstiegsklauseln (opt-out) für den Anbau von gv-Pflanzen will die neue Kommission von Jean-Claude Juncker die anhaltende politische Selbstblockade der EU auch bei Importzulassungen überwinden. Seit dem Inkrafttreten der EU-Gentechnik-Gesetze vor mehr als zehn Jahren schafften es die Mitgliedstaaten bisher bei keiner Abstimmung, sich zu einer Entscheidung durchzuringen. Immer scheiterten sie an der erforderlichen qualifizierten Mehrheit. Was in den EU-Verträgen eigentlich als Ausnahme vorgesehen ist, wurde bei der Gentechnik so zur Regel: Die Kommission musste die geltenden Gesetze vollziehen und - falls keine wissenschaftlichen Bedenken dagegen sprechen - die Zulassung herbeiführen.

Für viele Mitgliedstaaten war das ein bequemes Arrangement: Sie konnten aus politischen Motiven gegen eine Gentechnik-Zulassung stimmen und anschließend der Kommission den Schwarzen Peter zuschieben, da diese - scheinbar gegen die Mitgliedstaaten - die Zulassungen durchsetzen musste. So konnten sich die Mitgliedstaaten als Gentechnik-Gegner profilieren ohne die Verantwortung für ihr Stimmverhalten übernehmen zu müssen.

Das könnte nun anders werden. Ein Mitgliedstaat, der Lebens- und Futtermittel aus einer gv-Pflanze bei sich verbietet, müsste künftig dafür sorgen, wie er ein solches Verbot umsetzen kann. So dürften etwa Futtermittel, die aus Südamerika importiert werden, keine Rohstoffe aus der verbotenen gv-Pflanze mehr enthalten. Es müssten dann entweder eigene Liefer- und Verarbeitungsketten aufgebaut - oder aber auf den Import solcher Futtermittel verzichtet werden. Sollte die Ausstiegsklausel für Gentechnik-Importe tatsächlich kommen, wäre der gemeinsame europäische Binnenmarkt in Teilen der Agrarwirtschaft wohl Geschichte.

Der Grain Club, die Allianz von acht deutschen Verbänden aus der Agrarwirtschaft, warnt daher „eindringlich vor dramatischen Konsequenzen.“ Die deutsche Landwirtschaft sei „mit einem Selbstversorgungsgrad von 35 Prozent auf den Import von wertvollen Protein- und Aminosäurequellen, wie beispielsweise Soja, angewiesen.“

Bisher hat die Kommission den eingebrachten Vorschlag für ein opt-out bei Importen nur beraten, aber offenbar noch keinen Beschluss gefasst. Selbst wenn die Kommission eine entsprechende Änderung der EU-Verordnung 1829/2003 auf den Weg bringen würde, müssten EU-Parlament und Ministerrat noch zustimmen. Spätestens dann wird sich zeigen, ob es den Mitgliedsaaten mit den Import-Verboten tatsächlich ernst ist.