Das nächste EuGH-Urteil: Nationale Anbauverbote für Gentechnik-Mais MON810 nur bei „offensichtlicher Gefahr“

(08.09.2011) EU-Mitgliedsstaaten können EU-weit zugelassene Gentechnik-Pflanzen nur verbieten, wenn die „Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt offensichtlich gefährdet sind“. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem heute verkündeten Urteil enge Grenzen für nationale Alleingänge gesteckt. Danach dürften sich die von den Regierungen in Deutschland und Frankreich verfügten Anbauverbote für gentechnisch veränderten Bt-Mais MON810 kaum aufrecht erhalten lassen. Für deren Überprüfung sind nationale Gerichte zuständig.

Maiskolben

Enge Grenzen für nationale Anbauverbote gentechnisch veränderter Pflanzen: Nur bei „erheblichem Risiko“ und „offensichtlichen Gefahren“.

Frankreich hatte - ähnlich wie Deutschland und weitere EU-Staaten - sich beim Erlass des Anbauverbots von MON810-Mais Ende 2007 auf eine „Schutzklausel“ in den europäischen Rechtsvorschriften berufen. Danach kann ein Mitgliedsstaat Sofortmaßnahmen ergreifen, wenn er aufgrund neuer Informationen „berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass ein GVO eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt.“

Frankreich hatte das Verbot, ähnlich wie Deutschland ein Jahr später, mit einzelnen, wissenschaftlich nicht unumstrittenen Untersuchungen begründet, in denen sich vage Hinweise auf solche Gefährdungen fanden. Die Regierungen stützten sich dabei auf eine sehr weite Auslegung des Vorsorgeprinzips.

In beiden Ländern klagten Landwirte, Verbände und Unternehmen mehrfach gegen die MON810-Verbote. Französische Gerichte hatten sich an den Europäischen Gerichtshof gewandt, um verschiedene grundsätzliche Fragen zu klären, die in den Verfahren aufgeworfen wurden.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem heutigen Urteil enge Grenzen für nationale Verbote von in der EU zugelassenen gv-Pflanzen gesteckt. Mitgliedsstaaten sind nur dann zum Erlass von „Sofortmaßnahmen“ berechtigt, wenn eine Situation vorliegt, „in der ein erhebliches Risiko bestehen kann, das offensichtlich die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt gefährdet.“ Solche Maßnahmen können, so der EuGH, „nur getroffen werden, wenn sie auf eine möglichst umfassende Risikobewertung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Falles gestützt sind, die erkennen lassen, dass diese Maßnahmen geboten sind.“

Außerdem muss der Mitgliedstaat vor dem Erlass einer Sofortmassnahme die EU-Kommission informieren, da sie zusammen mit dem Rat der EU „für die Risikobewertung und das Risikomanagement bei einem ernsten und offensichtlichen Risiko zuständig sind“. Nur wenn die EU-Kommission trotz des Hinweises eines Mitgliedsstaates auf neue Erkenntnisse über offensichtliche Gefahren eines GVO-Produkts untätig bleibt, sind die einzelnen Regierungen berechtigt, nationale Verbote auszusprechen.

Die EuGH äußert sich nicht dazu, ob konkrete Anbauverbote einzelner Länder wie das für MON810-Mais in Deutschland rechtmäßig sind. Einzelne Verbote zu überprüfen, ob sie den vom EuGH vorgegebenen Voraussetzungen entsprechen, falle in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte. Allerdings sei das Anbauverbot in Frankreich, so die Richter in Luxemburg, auf einer Rechtsgrundlage ausgesprochen worden, die eine solche Maßnahme gar nicht zulasse.

Mit den vom EuGH formulierten Präzisierungen dürften sich die Erfolgsaussichten für Klagen gegen nationale MON810-Vebote erheblich verbessert haben.