Die Schweiz und die Grüne Gentechnik: Keine besonderen Gefahren, aber weitere vier Jahre verboten

(23.11.2012) In der Schweiz bleibt die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen und Tiere verboten. Das 2005 in einer Volksabstimmung beschlossene Moratorium soll noch einmal um vier Jahre bis 2017 verlängert werden. Nach einer Mehrheit im Nationalrat ist in Kürze auch mit der Zustimmung des Ständerats zu rechnen. Anders als bei der ersten Verlängerung 2010 wird sie nun nicht mehr mit besonderen Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen begründet, sondern mit deren fehlendem wirtschaftlichen Nutzen.

Weizenversuch Schweiz

Freilandversuche mit gentechnisch verändertem Weizen im Rahmen des Schweizer Sicherheitsforschungs- programms NFP59: Keine besonderen Gefahren

Weizenversuch Schweiz

Weizenpflanzen abgeschnitten. Auch in der Schweiz wurden Versuchsfelder des NFP59-Programms von radikalen Gentechnik-Gegnern zerstört.

Fotos: ART / Gabriele Brändle (oben), Mario Waldburger (unten)

Als das Schweizer „Stimmvolk“ sich 2005 mit einer Mehrheit von 55,7 Prozent für ein fünfjähriges Anbauverbot gentechnisch veränderter Pflanzen aussprach, waren es vor allem die aus Sicht der Bürger ungeklärten Risiken für Mensch und Umwelt, die den Ausschlag gaben.

Der Bundesrat, die Schweizer Regierung, legte daher ein besonderes Forschungsprogramm (NFP59) auf, um diese Fragen wissenschaftlich zu untersuchen, auch in praktischen Feldversuchen. Zudem wurden über tausend wissenschaftliche Publikationen zu Sicherheitsfragen gentechnisch veränderter Pflanzen ausgewertet.

Einbezogen waren aber auch Studien zum wirtschaftlichen Nutzen, zu Risikowahrnehmung, Akzeptanz oder den Möglichkeiten einer Koexistenz von Anbauformen mit und ohne Gentechnik in der Schweizer Landwirtschaft. Insgesamt wurden 31 Projekte mit knapp zehn Millionen Schweizer Franken (acht Mio. Euro) finanziert.

Nach einigen Verzögerungen, mit denen die erste Verlängerung des Moratoriums 2010 begründet wurde, legte die NFP59-Leitungsgruppe im August 2012 einen umfangreichen Abschlussbericht mit zahlreichen Empfehlungen vor: Danach wurden „keine Gesundheits- oder Umweltrisiken der grünen Gentechnik festgestellt.“ Ihr wirtschaftlicher Nutzen sei unter den heutigen Bedingungen der Schweizer Landwirtschaft jedoch „bescheiden“. Er könne in Zukunft allerdings steigen, wenn Pflanzen mit kombinierten Merkmalen, beispielsweise Herbizid- und Krankheitsresistenzen, zum Einsatz kämen.

Damit war die zentrale Frage nach gentechnikspezifischen Risiken, deren sorgfältige und unabhängige Untersuchung das Moratorium 2005 maßgeblich begründet hatte, zwar im Rahmen der NFP59-Projekte bearbeitet und beantwortet worden. Doch die Schweizer Politik und wichtige Interessengruppen wollten das Nutzungsverbot für gv-Pflanzen und Tiere dennoch nicht antasten.

Nun traten vor allem wirtschaftliche Fragen in den Vordergrund. Der Anbau von gv-Pflanzen „muss ökologisch, landwirtschaftlich und wirtschaftlich interessant sein. Aber gegenwärtig wird keines der drei Kriterien erfüllt“, so etwa Bernhard Nicod, Vorstandsmitglied des Schweizerischen Bauernverbands (SBV) im Swissinfo.

Ende September stimmte der Nationalrat, die große Parlamentskammer, mit 112 gegen 62 Stimmen für eine Verlängerung des Moratoriums. Man benötige die Zeit, um über neue Gesetze zu beraten. Zudem forderte der Nationalrat eine weitere Untersuchung, diesmal zum Nutzen gentechnisch veränderter Pflanzen. Inzwischen hat sich auch die „Kommission für Wirtschaft und Abgaben“ des Ständerats, der kleinen Schweizer Parlamentskammer, für weitere vier Moratoriums-Jahre ausgesprochen.

Damit wird das Anbauverbot für gv-Pflanzen in der Schweiz wohl noch einmal bis Ende 2017 verlängert. Vermutlich war es das letzte Mal über den Weg einer Parlamentsentscheidung. Denn ein langfristiges Moratorium in der Schweiz, so der NFP59-Abschlussbericht, würde „eine Änderung der Bundesverfassung erfordern“.