Einigung in Brüssel: Länder können über den Anbau von Gentechnik-Pflanzen künftig selbst entscheiden

(04.12.2014) EU-Ministerrat und Europa-Parlament haben sich geeinigt: Künftig können einzelne Mitgliedsstaaten den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf ihrem Gebiet untersagen. Ein solches Verbot muss für jede neu zugelassene gv-Pflanze einzeln ausgesprochen und begründet werden. Generelle Verbote sind nicht erlaubt. Im Kern hat sich der Ministerrat mit seinen im Sommer beschlossenen Verfahrensregeln durchgesetzt. Die abschließenden Abstimmungen im Januar gelten nur noch als Formsache.

Vytenis Andriukaitis

Der neue EU-Gesundheits-kommissar Vytenis Andriukaitis (Litauen) ist nun in der Kommission für Gentechnik zuständig. Er begrüßt die Einigung bei den Anbauverboten. „Die Mitgliedsstaaten können nun den Anbau von gv-Pflanzen bei sich erlauben oder verbieten - unabhängig von der wissenschaftlichen Risikobewertung der EU. „

Foto: EU-Kommission

Es bleibt wie im Beschluss des Ministerrates vorgesehen bei einem zweistufigen Verfahren: Im ersten Schritt meldet ein Land seine Verbotsabsicht an die Kommission. Diese fordert das Antrag stellende Unternehmen auf, das jeweilige Land darin auszunehmen. Die Anbauzulassung für die betreffende gv-Pflanze würde dann nur für die „anbauwilligen“ Länder gelten.

Die Einbeziehung der Unternehmen („Bittsteller bei Monsanto“) war von Anti-Gentechnik-Organisationen heftig kritisiert worden. Die Aktionsplattform Campact hatte in den letzten Tagen mehr als 250.000 Unterschriften dagegen gesammelt.

In dem nun ausgehandelten Kompromiss ist dieser Verfahrensschritt nicht mehr verbindlich vorgeschrieben. Ein Land kann ihn überspringen und ein Verbot aussprechen - und so direkt mit dem zweiten Verfahrensschritt beginnen.

Ein nationales Anbauverbot muss für jede gv-Pflanze, die sich im EU-Zulassungsverfahren befindet, einzeln erteilt und begründet werden. Anders als vom Parlament gefordert, können die Länder dafür nur sozioökonomische, landwirtschaftspolitische oder kulturelle Gründe heranziehen, nicht jedoch Zweifel an der Umwelt- und Produktsicherheit.

Damit ist das Ergebnis des EU-Zulassungsverfahrens, in dem die Sicherheit einer gv-Pflanze nach wissenschaftlichen Standards bewertet wird, für die gesamte EU unabhängig von einzelnen nationalen Verboten weiterhin bindend. Würde ein Land den Anbau einer gv-Pflanze trotz einer EU-Zulassung aufgrund möglicher Umweltrisiken untersagen können, würde damit das europäische Zulassungsverfahren entwertet und weiter an Vertrauen verlieren.

Künftig sollen Maßnahmen ergriffen werden können, um das Einschleppen von GVO-Spuren aus Anbau- in Verbotsländer zu minimieren. Wie diese im Einzelnen aussehen sollen, ist derzeit noch unklar.

Während Österreich die Einigung bei den Anbauverboten als „Triumph für das Selbstbestimmungsrecht bei der Gentechnik“ feiert, kritisieren vor allem die Grünen sie scharf. Sie sei „unakzeptabel und unzureichend“. Nun werde es, so der Europa-Abgeordnete Martin Häusling, einen „gentechnischen Flickenteppich in Europa geben“.

Doch genau das war die Absicht, die mit den nationalen Anbauverboten verfolgt wurde: Ein Nebeneinander von EU-Mitgliedsstaaten, in denen der Anbau von gv-Pflanzen erlaubt ist, und solchen, die ihn aus politischen Gründen verbieten wollen. Ein „gentechnik-freies Europa“, wie es die Grünen und andere Organisation fordern, war bisher kein mehrheitsfähiges Ziel der europäischen Politik. Die derzeit in Europa geltenden Gentechnik-Gesetze - denen auch die damalige rot-grüne Bundesregierung zugestimmt hat - regeln den Umgang mit gv-Pflanzen. Die Auflagen dafür sind zwar hoch und oft kaum zu erfüllen - doch ein generelles Verbot bisher nicht vorgesehen.