Mehr Kennzeichnung - aber wie?

Die europäischen Vorschriften zur Gentechnik- Kennzeichnung sollen erweitert werden. Im Grundsatz ist man sich weitgehend einig. Doch wenn nicht mehr der Nachweis einer gentechnischen Veränderung die alleinige Voraussetzung für die Kennzeichnung sein soll - was dann? Ist überhaupt eine Kontrolle möglich, um die Verbraucher vor Täuschungen zu schützen?

Von der Nachweisanalytik zur Warenstromkontrolle. Bisher gilt: Ein Lebensmittel ist in Bezug auf die nur dann kennzeichnungspflichtig, wenn der verwendete gentechnisch veränderte Organismus (GVO) - z.B. eine Pflanze - im Endprodukt nachgewiesen werden kann. Ein solcher Nachweis ist über die Erbsubstanz DNA oder das neu eingeführte Protein möglich. Zudem muss der GVO-Anteil an der jeweiligen Zutat mehr als einen Prozent betragen (Schwellenwert). Eine Reihe gentechnischer Anwendungen – etwa raffinierte Öle aus gentechnisch veränderten Sojabohnen oder Raps – bleiben daher ohne entsprechenden Hinweis auf dem Etikett.

Soll die Kennzeichnung erweitert werden, kann sie sich nicht mehr allein wie bisher auf die Nachweisanalytik stützen. Eine Überprüfung kennzeichnungsrelevanter Sachverhalte ist dann nur mit Hilfe warenstrombegleitender Dokumentationssysteme möglich.

Um gentechnische Anwendungen, die im Endprodukt nicht nachweisbar sind, dennoch einer Kennzeichnungspflicht zu unterwerfen, ist es erforderlich, die betroffene Zutat in der jeweiligen Herstellungskette bis zum „Ursprung“ zurückzuverfolgen - bis dahin, wo unmittelbar ein GVO verwendet wird. Die Information über die Gentechnik- Anwendung (oder auch ihren Ausschluss) ist dann über alle Verarbeitungsstufen der jeweiligen Zutat nachprüfbar zu dokumentieren.

Erweiterte Kennzeichnung: Vier Optionen. Um die notwendigen politischen Entscheidungen vorzubereiten hat die EU-Kommission verschiedene Optionen für eine erweiterte Kennzeichnung zusammengestellt. Gemeinsam ist ihnen, dass Nachweisbarkeit als Kennzeichnungskriterium zu einem gewissen Teil durch eine Kontrolle von Papierunterlagen ergänzt wird. Ohnehin zählt die „Rückverfolgbarkeit von Futter- und Lebensmitteln und deren Zutaten“ zu den Grundsätzen der Lebensmittelsicherheit, die in einem künftigen europäischen Lebensmittelgesetz verankert sind.

Die vier Optionen:

  • Grundsätzlich bleibt es beim Status quo: gekennzeichnet wird nur, wenn ein GVO im Produkt nachweisbar ist. Die Überwachung und Kontrolle wird verbessert.
  • Zusätzlich wird eine GVO-frei-Regelung auf freiwilliger Basiseingeführt. Wie bereits jetzt in Deutschland möglich, können Hersteller ihre Produkte EU-weit einheitlich als GVO-frei deklarieren, wenn sie auf eigenen Kosten den Nachweis erbringen, dass die für eine solche Produktlinie im einzelnen festzulegenden Anforderungen eingehalten werden.
  • Kennzeichnungspflichtig sind alle Lebensmittel, Zutaten, Zusatzstoffe und Aromen, die unmittelbar aus einem GVO hergestellt werden – unabhängig von dessen Nachweisbarkeit im Lebensmittel . Mit dieser Option würden etwa auch raffinierte Öle aus GVOs erfasst. Die Nachweislücke zwischen dem GVO, etwa gentechnisch veränderten Maiskörnern oder Sojabohnen, und der daraus hergestellten Zutat, muss durch geeignete, verbindlich vorzuschreibende Dokumentationssysteme überbrückt werden.
  • Kennzeichnung aller Lebensmittel, Zutaten, Zusatzstoffe und Aromen, die mit Hilfe von GVOs hergestellt worden sind. Bei dieser Option würden Fleisch, Milch oder Eier von Tieren, die Futtermittel aus gentechnisch veränderten Pflanzen erhalten haben, ebenso kennzeichnungspflichtig wie Zutaten, bei deren Herstellung Enzyme aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen als technische Hilfsstoffe zum Einsatz kamen. Beispiele für diese Zutatengruppe sind etwa Dextrose (Traubenzucker) oder Glukosesirup.

Eine erweiterte Kennzeichnung verlangt von den Unternehmen, geeignete Dokumentationssysteme aufzubauen und entsprechende Aufzeichnungen zu führen. Diese müssen kontrollierbar sein, damit die Verbraucher nicht getäuscht werden. Der erforderliche Aufwand wird nicht unerheblich sein – je größer, je länger und komplizierter die Verarbeitungskette für die betroffenen Rohstoffe ist. Während etwa zwischen Rapssaat und Öl eine unmittelbare Beziehung besteht, sind GVO-Zutaten im Futter der Kühe in der Milch nur dann kennzeichnungsfähig, wenn die Warenströme über alle Verarbeitungsstufen im Hinblick auf die Gentechnik in eindeutiger, überprüfbarer Form dokumentiert werden.

Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass entsprechende Aufzeichnungspflichten auch die Agrarerzeugung in Drittländern einschließen müssen. Da es keine internationale Verträge gibt, besteht derzeit kein Rechtsanspruch für das Importland, entsprechende Informationen zu erhalten. Eine eindeutige Informations- pflicht gibt es beim grenzüberschreitenden Handel mit lebenden GVOs, nicht jedoch bei verarbeiteten Rohstoffen.

Bis Mitte des Jahres 2001 will die EU-Kommission einen Vorschlag zur erweiterten Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von verarbeiteten GVO-Lebensmitteln vorlegen.