Endet der EU-Zulassungsstopp für gv-Pflanzen?

Am 17. Oktober 2002 entscheidet der EU-Ministerrat über zwei neue Verordnungen über gentechnisch veränderte Lebensmittel. Gleichzeitig könnte das seit 1999 bestehende Moratorium für gv-Pflanzen fallen. Umweltverbände protestieren.

Nach dem Europäischen Parlament müssen nun Agrar- und Umwelt-Ministerrat über zwei neue Verordnungen entscheiden, mit denen Zulassung und Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel neu geregelt werden.

Entwürfe zu beiden Verordnungen hatte die EU-Kommission im Sommer 2001 vorgelegt. Sie sehen strengere Sicherheitsanforderungen und erweiterte Kennzeichnungspflichten vor. Künftig muss auf dem Etikett von Lebensmittelprodukten darauf hingewiesen werden, wenn eine Zutat von gentechnisch veränderten Pflanzen oder Mikroorganismen stammt - unabhängig davon, ob diese im Produkte nachweisbar sind oder nicht.

Im Juli 2002 hatte das EU-Parlament dem Konzept der Kommission mit einigen Änderungen grundsätzlich zugestimmt. Jedoch senkte die Mehrheit der Parlamentarier den Schwellenwert, bis zu dem unbeabsichtigte GVO-Beimischungen kennzeichnungsfrei bleiben, von einem Prozent auf 0,5 Prozent.

Nun ist der Ministerrat am Zug.

  • Weicht er vom Votum des Parlaments ab, kommt es zu einem möglicherweise langwierigen Vermittlungsverfahren.
  • Folgt der Ministerrat dem EU-Parlament können beide Verordnungen mit den Änderungen in absehbarer Zeit rechtskräftig werden.

Damit wäre ein weiterer Schritt getan, das seit 1999 bestehende Moratorium aufzuheben. Damals hatten sich die EU-Umweltminister mehrheitlich darauf verständigt, erst dann wieder gentechnisch veränderte Pflanzen in der EU zuzulassen, wenn neue strengere Rechtsvorschriften angenommen sind.

Die damals formulierten Bedingungen sind inzwischen weitgehend erfüllt.

  • Am 17. Oktober, dem Tag der Ministerrat-Sitzung, tritt die neue Freisetzungs-Richtlinie (2001/18) in Kraft, welche die Umweltverträglichkeit gentechnisch veränderter Pflanzen regelt. Anders als bei Verordnungen muss diese Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Gleichzeitig ist die alte Freisetzungs-Richtlinie (90/220) aufgehoben. Auch in den Mitgliedstaaten, die wie Deutschland ihrer Umsetzungspflicht noch nicht nachgekommen sind, gelten nun die Grundsätze der neuen Richtlinie.
  • Eine Verordnung über den grenzüberschreitenden Handels mit GVOs hat die Zustimmung des Parlaments gefunden. Damit wird das internationale Cartagena-Protokoll zur Biologischen Sicherheit in naher Zukunft rechtskräftig.
  • Die 1999 angemahnte Neuregelung von Zulassung und Kennzeichnung von Futter- und Lebensmitteln aus GVOs steht am 17. Oktober auf der Tagesordnung des Ministerrats.
  • Noch nicht erledigt sind EU-einheitliche Rechtsvorschriften zur Umwelthaftung.

Nach Auffassung der EU-Kommissare David Byrne (Verbraucherschutz) und Margot Wallström (Umwelt) verfügt die EU damit über Rechtsvorschriften, die einerseits den Verbrauchern Sicherheit und Wahlfreiheit garantieren, andererseits der Industrie einen verlässlichen Rahmen für Forschung und Anwendung bieten.

Allerdings: Um das „informelle“ Moratorium aufzuheben, muss sich das ein oder andere Land aus der Sperrminorität der gentechnik-kritischen Länder Frankreich, Griechenland, Dänemark, Italien, Österreich und Luxemburg ausbrechen - und kein neues hinzukommen.

Unterdessen mobilisieren die Umweltverbände für eine Verlängerung des Moratoriums. Für den 17. Oktober rufen sie auf zu einer „Demonstration mit Einkaufswagen“ durch Brüssel.