Das Ende der „gentechnik-freien“ Zeit

Vor fünf Jahren verabredeten die EU-Umweltminister, die Zulassung von GVO-Pflanzen einzustellen. Dieses Moratorium sollte solange bestehen, bis neue Rechtsvorschriften zur Grünen Gentechnik in Kraft treten. Nun ist dieser Zeitpunkt erreicht. Mit der Zustimmung des EU-Parlaments zu den Verordnungen über gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel geht die zulassungsfreie Periode zu Ende.

Bis zuletzt war es spannend, ob sich das Europäische Parlament dem Gemeinsamen Standpunkt von Kommission und Ministerrat anschließen würde. Vor allem bei der Frage des Schwellenwertes gingen die Auffassungen auseinander. Zuletzt hatte der Umweltausschuss des Parlaments eine Höhe von 0,5 Prozent empfohlen, bis zu dem zufällige GVO-Beimischungen zu tolerieren seien.

Am Ende folgte die Mehrheit des Parlaments der Linie der Agrarminister, die sich im Herbst auf 0,9 Prozent geeinigt hatten. Offenbar wollte auch das Parlament ein langwieriges Vermittlungsverfahren vermeiden. Nun können die beiden Verordnungen über GVO-Lebens- und Futtermittel und zur Rückverfolgbarkeit gegen Ende des Jahres in Kraft treten. Nachdem die neue Freisetzungs-Richtlinie bereits seit Oktober 2002 rechtsgültig ist, verfügt die EU damit über einen neuen Rechtsrahmen zur Gentechnik.

Auch bei GVO-Lebensmitteln setzt die EU ihr neues Regulierungskonzept um: strengere Zulassungsbestimmungen, Rückverfolgbarkeit bei den Rohstoffen und vor allem mehr Kennzeichnung und Transparenz. Bei den Genehmigungsverfahren wird die neue Europäische Lebensmittelbehörde eine zentrale Rolle übernehmen.

Überwiegend positiv. Als Forschritt für Verbraucher und Landwirte feierte Renate Künast den Beschluss des EU-Parlaments. Sogar Greenpeace sprach von einem „Sieg für den Verbraucherschutz“. Nur der BUND beklagte, die neue Verordnung gebe „Grünes Licht für gentechnische Verunreinigung“. Europa-Bio, der Dachverband der Biotechnologie-Industrie freute sich, dass „extreme Positionen“ sich nicht durchgesetzt haben und ein Verbot der Grünen Gentechnik damit vom Tisch sei. Dennoch beklagte er die Last an Vorschriften, die den Unternehmen aufgebürdet worden sei.

Problem Umsetzung. Tatsächlich sind mit den neuen Verordnungen nicht alle Probleme gelöst. Vor allem bei der Kennzeichnung gibt es noch viele Fragen, ob und wie sie praktiziert werden wird. Da nicht mehr der DNA-Nachweis im Endprodukt die Kennzeichnungspflicht auslöst, müssen warenstromgleitende Rückverfolgbarkeitssysteme die notwendigen Informationen für eine Kennzeichnung liefern. Doch welche Systeme dazu geeignet sind, wie sie umgesetzt und vor allem überwacht werden, ist weitgehend ungeklärt. Auch im internationalen Agrarhandel müssten solche System etabliert werden.

Zu erwarten ist, dass auch künftig die Lebensmittelwirtschaft alles tun wird, um eine Kennzeichnung ihrer Produkte zu vermeiden. Damit das Etikett den Konsumenten verlässliche Informationen über den tatsächlichen Anwendungsstand der Gentechnik liefert, ist neben durchdachten Vorschriften auch die Bereitschaft der beteiligten Unternehmen erforderlich.

Leitlinien zur Koexistenz. Ungelöst ist auch noch, wie die von allen gewollte „Koexistenz“ zwischen einer Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik geregelt werden soll. Eigentlich wollte die Kommission diese Aufgabe den Mitgliedstaaten überlassen. Nun hat das Parlament die Kommission verpflichtet, Leitlinien für die Koexistenz zu erarbeiten. Noch im Juli sollen diese vorgelegt werden.