Kartoffel der Zukunft, Schild an Freisetzungsfläche in Belgien

„Kartoffeln der Zukunft“ - Scheitern am schlechten Gentechnik-Image?

(15.02.2016) Wissenschaftler der Universität Wageningen haben eine Kartoffel entwickelt, die gegen die Kraut- und Knollenfäule resistent ist. In Freisetzungsversuchen konnten sie bereits unter Beweis stellen, dass ihr Konzept funktioniert. Dennoch hat die Kartoffel in Europa derzeit keine Chance auf Vermarktung. Weil sie nach derzeitigem Recht als gentechnisch veränderter Organismus (GVO) eingestuft wird. Die Wageninger Wissenschaftler treten dafür ein, dass sich das ändert. Das wird ihnen nun vorgeworfen.

Kartoffelernte Amflora

Die Niederlande sind weltweit führend bei der Erzeugung von Saatkartoffeln.

Befall durch Phytophthora

Die Kraut- und Knollenfäule hat verheerende Auswirkungen auf den Kartoffelanbau. In der Regel sind zehn und mehr Spritzungen mit Fungiziden nötig, um den Befall einzudämmen.

Titelfoto: Plakat an einer Freisetzungsfläche mit cisgenen Kartoffel in Belgien

Seit 2005 arbeiten Wissenschaftler der Universität Wageningen (WUR) in den Niederlanden daran, Kartoffeln dauerhaft vor der berüchtigten Pilzerkrankung Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) zu schützen. Im Rahmen des Forschungsprogramms Durable Resistance against Phytophthora (DuRPh) haben sie mit Hilfe gentechnischer Methoden verschiedene Resistenzgene aus Wildkartoffeln in gängige Kartoffelsorten übertragen. Die neuen Kartoffeln werden als cisgen (cis=diesseits) bezeichnet, da sie nur Erbmaterial aus Kartoffel enthalten. Erste Ergebnisse aus Freilandversuchen in Belgien und den Niederlanden sind viel versprechend.

Aber die Wageninger Wissenschaftler stecken in einem Dilemma. Sie haben ein aus ihrer Sicht äußerst wirkungsvolles, in überschaubarer Zeit realisierbares Konzept entwickelt. Aber die Methode, mit der sie arbeiten, ist Gentechnik. Und damit sind sie zumindest in Europa meilenweit davon entfernt, dass ihre Kartoffeln in der landwirtschaftlichen Praxis auch genutzt werden könnten. Der Stempel „Gentechnik“ verstellt von vornherein den Blick auf eine nutzenorientierte Bewertung dieses Ansatzes. Da die cisgenen Kartoffeln als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden müssten, wären sie nicht zu vermarkten, denn sowohl Konsumenten als auch Landwirte und kartoffelverarbeitende Industrie lehnen Gentechnik-Produkte ab.

Die beteiligten Wissenschaftler sind deshalb darum bemüht, dass ihre cisgenen Kartoffeln in Zukunft nicht mehr als gentechnisch veränderter Organismus (GVO) eingestuft werden, sondern als ein Produkt, das vergleichbar ist mit einem, das durch konventionelle Züchtung entstanden ist. Denn bei der Cis-Gentechnik wird ausschließlich arteigenes oder artverwandtes Erbmaterial in Pflanzen eingebracht. Geht man vom Produkt aus, kann man zu dem Schluss kommen, dass es sich nicht um einen gentechnisch veränderten Organismus handelt, da kein Genmaterial aus anderen, artfremden Organismen enthalten ist. Für die Kritiker ist und bleibt eine cisgene Pflanze aber ein GVO. Entscheidend sei, dass mit gentechnischen Methoden gearbeitet werde. Solche Pflanzen seien deshalb im Hinblick auf die Lebensmittel- und Umweltsicherheit nicht vergleichbar mit Produkten aus konventioneller Züchtung.

Das sieht die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) anders. Zwar kommt die EFSA in einer Stellungnahme von 2012 zu dem Schluss, dass auch auf cisgene Pflanzen die gesetzlichen Bestimmungen für gentechnisch veränderte Pflanzen anwendbar seien. Aber sie betont, dass cisgene Pflanzen vergleichbare Risiken mit sich bringen wie konventionell gezüchtete. Auch letztere könnten unerwartete Effekte hervorrufen. Die EFSA plädiert deshalb dafür, dass von Fall zu Fall geprüft werden sollte, ob die Anforderungen für die Sicherheitsbewertung reduziert werden können. Das niederländische Institut für Lebensmittelsicherheit RIKILT sieht hingegen keinen Grund für geringere Anforderungen bei cisgenen Pflanzen, es fehle einfach die „Erfahrung des sicheren Umgangs“ bei cisgenen Produkten.

Dass die beteiligten Wissenschaftler ihr Produkt offensiv in der Öffentlichkeit und auch auf der politischen Ebene vertreten, wird Ihnen von Kritikern vorgeworfen. Anfang Februar veröffentlichte Corporate Europe Observatory einen Artikel über die versuchte Einflussnahme auf die niederländische Politik von Seiten der am DuRPh-Projekt beteiligten Wissenschaftler. Insbesondere der „Miterfinder“ der Cisgenese Henk Schouten bekleide eine „Doppelrolle“ als Wissenschaftler der Universität Wageningen und als Repräsentant von Plant Research International – einer privaten Ausgründung der WUR – sowie der Firma Inova Fruit, die zusammen mit der WUR cisgene Äpfel entwickelt.

Die niederländische Regierung tritt auf EU-Ebene dafür ein, dass cisgene Produkte nicht länger unter die GVO-Gesetzgebung fallen und beruft sich dabei vor allem auf die Stellungnahme der EFSA. Denn wenn die Risiken cisgener Pflanzen vergleichbar sind mit denen konventionell gezüchteter Pflanzen, was rechtfertigt dann eine Sonderstellung als GVO mit entsprechender Kennzeichnung? Allerdings sind die Meinungen zu dieser Fragestellung in den politsichen Institutionen der Niederlande nicht einheitlich. So verabschiedete das Parlament 2014 eine Resolution, in der gefordert wird, dass cisgene Produkte aus Gründen der Wahlfreiheit auch dann gekennzeichnet werden müssen, wenn sie nicht mehr als GVO gelten.

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