Anton Haverkort. Wageningen

Kraut- und Knollenfäule bei Kartoffeln: Resistenzgene statt Spritzen

Phytophthora infestans - so heißt der Erreger der Kraut- und Knollenfäule, die zu den wichtigsten Kartoffelkrankheiten zählt. Auf ihr Konto gehen weltweit Ernteeinbußen von etwa zwanzig Prozent. Den Landwirten bleibt bisher kaum anderes übrig, als immer wieder zu spritzen, auch im Öko-Landbau. Dabei gibt es Alternativen: An der Universität Wageningen (Niederlande) wurden Kartoffeln mit Resistenzgenen aus Wildkartoffeln ausgestattet. In mehrjährigen Feldversuche erwiesen sie sich als dauerhaft resistent. 80 Prozent der Fungizide können eingespart werden. Doch noch immer dürfen solche „nachhaltigen“ Kartoffeln in Europa nicht auf die Felder. Die Gentechnik-Gesetze bremsen sie aus.

Befall durch Phytophthora

Es beginnt mit braunen Flecken. Insbesondere bei feucht-warmer Witterung verbreitet Phytophthora sich rasend schnell. Zunächst bilden sich grau-grüne im weiteren Verlauf braune Flecken auf Stängel und Blättern, an der Unterseite der Blätter ein weißer Pilzrasen. Die Blätter verfaulen schließlich oder vertrocknen.

Phytophthora befallene Knollen

Kranke Knollen. Bei Regen wird Phytophthora in den Boden gespült und befällt dort auch die Knollen.

Intensität der Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln, Deutschland 2020, JKI

Einsatz von Fungiziden: Bei Kartoffeln muss im Vergleich mit anderen Ackerfrüchten deutlich mehr gespritzt werden.

Freilandversuch Wageningen

Resistent durch Kartoffel-Gene: Bei dem Wageninger DuRPh-Projekt wurden Resistenzgene aus Wildkartoffeln (Foto) in Kultursorten übertragen. Anders als bei der Kreuzungszüchtung gehen dabei keine erwünschten Eigenschaften verloren. Für eine vergleichbare konventionelle Züchtung würde man 20 bis 30 Jahre benötigen.

Fotos: i-bio, BASF; Großes Foto oben: Anton Haverkort, Leiter des DuRPh-Projekts an der Universität Wageningen

Manche halten Phytophthora für die gefährlichste Pflanzenkrankheit überhaupt, denn der Erreger verbreitet sich so schnell, dass er binnen kürzester Zeit großen Schaden anrichten kann. Und er ist darüber hinaus so flexibel, dass er bislang noch jede gegen ihn gerichtete Bekämpfungsstrategie mit neuen, angepassten Formen beantwortet hat.

Traurige Berühmtheit erlangte Phytophthora durch die Ereignisse in Irland Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Pilz vernichtete mehrere Jahre hintereinander nahezu die gesamte Kartoffelernte des Landes und löste damit eine Hungerkatastrophe aus, in deren Folge etwa eine Million Menschen starben und weitere zwei Millionen nach Australien und Nordamerika auswanderten.

Pilzresistenz – eine schwierige Aufgabe

Die Bekämpfung von Phytophthora erfolgt bisher fast ausschließlich durch chemische Pflanzenschutzmittel (Fungizide). In Deutschland werden in einer Anbausaison bis zu 16 Spritzungen vorgenommen. Im Biolandbau wird Phytophthora mit umweltbelastenden Kupferverbindungen bekämpft.

Verschiedene Wildkartoffelarten sind natürlicherweise resistent gegen Phytophthora. In der konventionellen Züchtung versucht man seit langem, die entsprechenden Erbanlagen in Kultursorten einzukreuzen. Die dabei ebenfalls übertragenen unerwünschten Eigenschaften der wilden Kartoffeln müssen dann aber wieder herausgezüchtet werden, ohne die Resistenzeigenschaften zu verlieren. Wegen der komplexen Vererbungsmuster der Kartoffel ist das schwierig und zeitaufwändig. Außerdem ist die entstehende Sorte nicht mehr identisch mit der Ausgangssorte, was die Geschmacks- und Anbaueigenschaften angeht.

In der Vergangenheit wurden die aus Wildkartoffeln eingezüchteten Resistenzen jedes Mal nach wenigen Jahren von Phythophthora durchbrochen: Der Pilz passte sich durch Mutationen an. Inzwischen versuchen Forscher und Züchter, mehrere erbliche Resistenzen zu kombinieren. Das Ziel ist nicht mehr ein absoluter Schutz vor Phythophthora, sondern eine Art Grundresistenz der Pflanzen, die die Vermehrung des Erregers dauerhaft verlangsamt und nicht so leicht durch neue Mutationen durchbrochen werden kann.

Cisgene Kartoffeln: Gentechnische Methoden, aber nur Erbmaterial aus Kartoffeln

Mit gentechnischen Methoden kann die Übertragung von Resistenz-Genen aus Wildkartoffeln erheblich viel schneller erfolgen als mit konventioneller Züchtung, vor allem, wenn mehrere Resistenz-Gene kombiniert werden sollen. Ein wesentlicher Vorteil: Die Sorten mit ihren jeweiligen Geschmacks- und Anbaueigenschaften bleiben dabei erhalten.

Solche Kartoffeln wurden an der Universität Wageningen (Niederlande) in einem auf zehn Jahre angelegten Forschungsprojekt entwickelt und getestet. Das Besondere: Die Wageninger Wissenschaftler verwendeten ausschließlich Erbmaterial aus Kartoffeln, das heißt, auch die Gensequenzen, die für die Übertragung und Ausprägung der Resistenzgene erforderlich sind, stammen aus Kartoffeln. Sie verzichteten ebenfalls auf ein Markergen, das üblicherweise etwa aus Bakterien stammt. Da die gv-Kartoffeln nur arteigenes Genmaterial enthalten, werden sie als cisgen (cis=diesseits) im Unterschied zu transgen (trans=jenseits) bezeichnet.

Ein erster Freilandversuch wurde 2009 in den Niederlanden gestartet. Es folgten weitere Freisetzungen in Belgien und Irland. Inzwischen wurde das Projekt abgeschlossen und die Ergebnisse veröffentlicht. Alle der getesteten Kartoffelvarianten mit verschiedenen Resistenzgenen und Kombinationen aus diesen waren widerstandsfähiger gegenüber Phytophthora als die konventionellen Ausgangssorten. Pflanzen mit nur einem Resistenzgen waren anfälliger als solche mit mehreren kombinierten Resistenzgenen. Pflanzen mit drei Resistenzgenen blieben bis zum Ende der Anbausaison vollständig resistent. In Kombination mit einem geeigneten Resistenzmanagement könnten beim Anbau der cisgenen Kartoffeln 80 Prozent der üblichen Fungizid-Spritzungen eingespart werden.
Ein aktueller Freilandversuch der Universität Wageningen mit cisgenen Kartoffeln läuft noch bis 2022.

Ansätze, Kartoffeln mit Hilfe neuer Züchtungstechniken wie der Genschere CRISPR/Cas gegen die Kraut- und Knollenfäule zu wappnen, bewegen sich noch im Bereich der Grundlagenforschung. Sie eröffnen neue Möglichkeiten, zahlreiche Resistenz-Gene gezielt in das Kartoffelgenom einzubringen. Desweiteren geht es in der Forschung etwa um die Stärkung von Immun-Rezeptoren, die die Krankheitserreger wahrnehmen und zelluläre Abwehrreaktionen auslösen, oder um das Abschalten bestimmter Gene, die die Empfindlichkeit der Kartoffel gegenüber Krankheitserregern beeinflussen. So ist es bereits gelungen - sowohl mit CRISPR/Cas als auch mit der RNAi-Methode - Kartoffeln durch Stilllegung solcher Suszeptibilitäts-Gene resistent zu machen.

Die schwedische Universität für Agrarwissenschaften (SLU) hat für 2020 bis 2024 einen Freilandversuch beantragt mit verschiedenen Kartoffellinien, bei denen Gene sowohl mit Genome Editing als auch mit RNAi verändert wurden. Hier sollen die Resistenzmechanismen erforscht werden mit dem langfristigen Ziel einer Resistenz gegen Phytophthora und andere pilzliche Erreger.

Gentechnisch veränderte Kartoffeln mit Resistenz gegen Kraut- und Knollenfäule:

Cisgene Kartoffeln, Universität Wageningen (NL)

Übertragung von ein bis drei Resistenzgenen aus Wildkartoffeln, dabei Verwendung von ausschließlich kartoffeleigenem Erbmaterial, Verzicht etwa auf ein Markergen

Seit 2009 Freilandversuche in mehreren europäischen Ländern

Kartoffel Fortuna von BASF

Übertragung von zwei Resistenzgenen aus einer mexikanischen Wildkartoffel

Ende 2011 Antrag auf EU-Zulassung für den Anbau und als Lebensmittel

2012 Rückzug der Biotech-Sparte des Unternehmens aus Europa, Anfang 2013 Stopp der Zulassungsverfahren für alle gv-Kartoffeln von BASF in Europa

Innate-Kartoffel, J.R. Simplot Company (USA)

Übertragung eines Resistenzgens aus Wildkartoffel; weitere neue Eigenschaften (RNA-Interferenz)

In den USA für den Anbau zugelassen (September 2015, 2 weitere Sorten mit den gleichen Eigenschaften Oktober 2016); Zulassungen in Kanada Juli 2017

Das Sainsbury Laboratory in Großbritannien testet seit 2017 in Kooperation mit Simplot verschiedene Kartoffel-Linien (Sorte: Maris Piper) mit mehreren Resistenzgenen.

Freilandversuche in Bangladesch, Indonesien und Uganda

Bangladesch und Indonesien: Kartoffel Diamant mit 3 Resistenzgenen, Freilandversuche an mehreren Standorten ab 2022 im Rahmen von „Feed the Future Global Biotech Potato Partnership“ (Partnerschaft nationaler Institute mit der Michigan State University (MSU))

Uganda: Freilandversuche seit 2015, Kartoffel Victoria mit drei Resistenzgenen, entwickelt vom International Potato Center (CIP) in Zusammenarbeit mit Ugandas National Agriculture Research Organisation (NARO)


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