Obst- und Gemüsehändler in Indien

Gentechnik-Pflanzen in Indien: Viel Streit, viel Forschung

(27.07.2016) Ein Expertengremium hat der indischen Regierung empfohlen, den Zulassungsprozess für gentechnisch veränderte Strauch- und Kichererbsen zu beschleunigen, um die Erträge zu steigern und unabhängiger von Importen zu werden. Die Hülsenfrüchte - in Indien ein Grundnahrungsmittel - sind durch Übertragung verschiedener Bt-Gene resistent gegen ihren wichtigsten Fraßfeind. Allerdings steht einer baldigen Marktzulassung noch einiges entgegen. So werden die nötigen Freilandversuche nach wie vor von den meisten Bundesstaaten blockiert.

Hülsenfrüchte und Gewürze auf einem Markt in Indien

Hülsenfrüchte sind in Indien Grundnahrungsmittel. Wissenschaftler des Crops Research Institute for the Semi-Arid Tropics (Icrisat) sowie der Assam Agricultural University haben gentechnisch veränderte Strauch- bzw. Kichererbsen entwickelt, die gegen ihren wichtigsten Fraßfeind resistent sind.
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Senf Indien

Gentechnisch veränderter Senf stand in Indien Anfang 2016 vor der Zulassung für den Anbau. Aufgrund von Protesten wurde diese jedoch verschoben.
Foto: Nitin Bhardwaj

Forschung: Zahlreiche Saatgutunternehmen, aber auch öffentliche Institutionen in Indien entwickeln gv-Pflanzen, neben Mais und Baumwolle u.a. bei Senf, Kichererbse, Straucherbse, Aubergine, Zuckerrohr, Baumwolle, Reis, Weizen, Kartoffeln, Tomaten, Wassermelone, Banane, Cassava, Kohl.

Großes Foto oben: iStockphoto

Was die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen angeht, ist Indien ein zutiefst widersprüchliches und gespaltenes Land. Auf der einen Seite steht Indien an vierter Stelle beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen weltweit. Seit 2002 wird auf nunmehr knapp 12 Millionen Hektar gentechnisch veränderte Baumwolle angebaut. Auf der anderen Seite wurden bislang keine weiteren neuen gv-Pflanzen für den Anbau zugelassen und auch die Bedingungen für Freilandversuche sind mehr als unsicher.

Indien hat eine sehr starke Opposition gegen die Nutzung von Gentechnik in der Landwirtschaft. Organisationen wie die Coalition for a GM-free India haben großen Einfluss auf Politik und Gesellschaft. So wurde 2010 nach einer langen und heftigen öffentlichen Kontroverse eine gentechnisch veränderte Aubergine vorerst nicht für den Anbau zugelassen. Durch ein neu eingeführtes Gen produziert die Bt-Aubergine ein Protein, das sie widerstandsfähig gegen den Auberginenfruchtbohrer macht. Die Zulassung sollte solange nicht gewährt werden, bis neue gesetzliche Grundlagen vorhanden seien, um die Sicherheit für Mensch und Umwelt zu garantieren. Bis heute wurden nur sehr halbherzige Anstrengungen in diese Richtung unternommen, 2013 ein entsprechender Gesetzentwurf vom Parlament abgelehnt. Die Zulassung steht weiterhin aus. Unterdessen wird die Bt-Aubergine seit 2014 im Nachbarland Bangladesch angebaut und es wird befürchtet, dass das Bt-Saatgut auch ohne Zulassung seinen Weg nach Indien findet.

Dem Zulassungsstop für die Bt-Aubergine folgten erhebliche Einschränkungen für Freilandversuche. 2011 wurde ein spezielles Zertifikat (NOC: no objection certificate) eingeführt, mit dem die einzelnen Bundesstaaten über Freilandversuche auf ihrem Territorium selbst entscheiden können. Genehmigungen durch die zuständige nationale Behörde, das Genetic Engineering Appraisel Commitee (GEAC) können so durch Nichterteilung des Zertifikates torpediert werden. Zudem empfahl eine vom obersten Gerichtshof Indiens eingesetzte Expertenkommission 2012, zehn Jahre lang keine Freilandversuche mehr durchzuführen. Dies führte zu einem De-facto-Moratorium für Freilandversuche mit gv-Pflanzen.

Erst mit der neuen Regierung unter Premierminister Narendra Modi, die seit 2014 im Amt ist, änderte sich der Kurs. 2014 genehmigte das wieder eingesetzte Genetic Engineering Appraisel Commitee 80 Freisetzungsanträge darunter Reis, Baumwolle, Mais, Senf, Aubergine und Kichererbse. Acht (von 29) Bundesstaaten stimmten Freilandversuchen auf ihrem Territorium zu, die zuvor durch das GEAC genehmigt worden waren. Die meisten der Freilandversuche konnten aber auch weiterhin aufgrund der Blockadehaltung einzelner Staaten nicht durchgeführt werden.

Beispiel gv-Senf: Seit zwanzig Jahren in der Entwicklung

Schon seit 1996 arbeiten Wissenschaftler der Delhi University an der Entwicklung von gv-Senf, der 25 bis 35 Prozent mehr Ertrag bringen könnte. Dabei handelt es sich um einen Hybriden aus zwei gv-Linien, die miteinader gekreuzt wurden. Eine davon ist männlich steril, die andere hebt diese Sterilität wieder auf. Eigenschaften, die in der Hybridzüchtung gebraucht werden. Schon seit 2002 wurde der gv-Senf im Freiland getestet, durch die mehrjährige Auszeit für Freilandversuche verzögerte sich jedoch die angestrebte Zulassung für den kommerziellen Anbau. Anfang 2016 schließlich stand die Zulassung unmittelbar bevor, wurde jedoch vom GEAC aufgrund heftiger Proteste auf unbestimmte Zeit verschoben. Gv-Senf wäre die erste essbare gv-Pflanze, die in Indien angebaut wird.

Beispiel gv-Hülsenfrüchte: Gute Chancen trotz schwieriger Bedingungen

Strauch- und Kichererbsen wie auch andere Hülsenfrüchte sind in Indien ein Grundnahrungsmittel. Sie werden zu „Dal“ - einer Art Püree - verarbeitet, das Grundlage vieler Gerichte ist. Die Erträge bei Hülsenfrüchten sind in Indien sehr niedrig, die Bauern erzielen weniger als ein fünftel der Erträge in europäischen Ländern. Wissenschaftler des Crops Research Institute for the Semi-Arid Tropics (Icrisat) arbeiten seit sechs Jahren an der Entwicklung von gv-Straucherbsen, die durch Einführung eines Bt-Gens gegen den Hauptschädling der Straucherbse, eine Mottenart, resistent sind. Sie erhoffen sich Ertragssteigerungen um bis zu 30 Prozent.

Seit drei Jahren warten die Wissenschaftler von Icrisat auf die Zulassung für Freilandversuche durch den Bundesstaat Telangana, wo ihre Versuche stattfinden sollen. Nachfragen bei den zuständigen Behörden blieben bislang unbeantwortet. Auch eine weitere Gruppe von Wissenschaftlern der Assam Agricultural University hat bislang grünes Licht für lediglich einen von elf Freisetzungsanträgen bekommen. Sie verfolgen ein ähnliches Konzept und haben Kichererbsen mit gleich zwei Bt-Genen ausgestattet.

Bis zur Vermarktung wird es also noch eine Weile dauern, auch wenn Modis Regierung signalisiert hat, das Procedere bei Feldversuchen zu beschleunigen. Ein die Regierung beratendes Gremium hatte im Dezember empfohlen, moderne Züchtungstechnologien insbesondere bei Ölsaaten und Hülsenfrüchten zu nutzen und die beiden insektenresistenten Hülsenfrüchte zeitnah zuzulassen - unter anderem aufgrund der wachsenden Importabhängigkeit.

Das Gremium mahnte auch an, endlich neue gesetzliche Regelungen fertigzustellen und eine unabhängige Zulassungsbehörde, die geplante Biotechnology Regulatory Authority of India (BRAI) einzurichten.

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