Petunien orange

Die neue Farbe der Petunien: Schön, aber nicht erlaubt

(02.06.2017) In Europa und den USA werden massenweise Petunien vom Markt genommen. Eine Gefahr sind sie nicht, aber deutsche Behörden haben gerade Händler und Blumenfreunde aufgefordert, lachs- und orangefarbene Petunien verschiedener Sorten zu vernichten und fachgerecht zu entsorgen. Ihre auffälligen Farben - meist ein kräftiges Orange - sind ein Produkt der Gentechnik. Offenbar werden die auffällig gefärbten Petunien seit Jahren überall auf der Welt in Gärten und auf Balkonen angepflanzt. Viele Blumenzüchter haben sie in zahlreichen Varianten im Programm. Doch wie die für die neuen Farben verantwortlichen Gene in die Sorten hineingekommen sind, ist bisher unklar.

Teemu Teeri

Teemu Teeri, Universität Helsinki wollte der orangenen Blütenfarbe auf den Grund gehen und löste ein „Petunien-Massaker“ aus.

Foto: Universität Helsinki

Petunie, Köln 2

Petunien in Köln: Die erste Freisetzung einer gv-Pflanze in Deutschland. Sie enthielten ein Gen aus Mais für eine lachsfarbene Blüte. Damit wollten die Wissenschaftler dem Gehemnis der „springenden Gene“ auf die Spur kommen.

Vor zwei Jahren fielen dem finnischen Molekularbiologen Teemu Teeri in Helsinki orange blühende Petunien auf. Schon länger beschäftigte er sich mit der Genetik der Blütenfarben und wollte herausfinden, wie deren ungewöhnliche Farbe zustande kommt. Als er die Pflanzen in seinem Labor untersuchte, fand er ein Gen (A1) aus Mais. Es bewirkt eine kleine Änderung in den Stoffwechselwegen: Die Petunien blühen nun orange – eine Farbe, die sie üblicherweise nicht bilden können. Der Farbstoff – Pelargonidin – gehört zu der Gruppe der Anthocyane, die in vielen Pflanzenarten für ihre orange und rote Färbung verantwortlich sind. Zudem konnte Teeri bestimmte genetische Steuerungselemente nachweisen, die für GVO (gentechnisch veränderte Organismen) charakteristisch sind.

Teeri informierte die finnische Gentechnik-Behörde - und löste damit ein „Petunien-Massaker“ (Süddeutsche Zeitung) aus. Denn eine gentechnik-rechtliche Zulassung für die orangenfarbenen Petunien gab es weder in Finnland, noch in der EU oder anderen Ländern. Und das bedeutet: Auspflanzen und Handel sind nicht erlaubt. Zunächst forderten die finnischen Behörden Blumenzüchter und -handel auf, die orangenen Petunien zu vernichten. Dann folgten die übrigen EU-Länder, später auch die USA und die Schweiz. Inzwischen sind weltweit 51 verschiedene orange- und lachsfarbene Petuniensorten bekannt, in denen Fremd-DNA nachgewiesen werden konnte.

Mehrere deutsche Bundesländer ordneten an, alle bereits in Handel gebrachten und angepflanzten Petunien der betroffenen Sorten sofort zu „entsorgen“ und dabei sicherzustellen, dass „ihre Vermehrungsfähigkeit vollständig zerstört wird.“ Das gelte für Gewerbetreibende wie für Endverbraucher.

Unklar ist bisher, wie die fremden DNA-Sequenzen, welche die unschuldigen Petunien in einen GVO verwandeln, in sie hineingekommen sind. Die ersten Vermutungen zielten auf die berühmten gv-Petunien, die vor dreißig Jahren am damaligen Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung entwickelt und 1990/91 ausgepflanzt wurden – die erste Freisetzung einer gv-Pflanze in Deutschland. Tatsächlich entsprach das A1-Gen aus Mais, das Teeri und später die Behörden in den orangefarbenen Petunien fanden, dem aus den Kölner Petunien. Es war damals als Indikator eingeführt worden, um über eine Veränderung der Blütenfarbe das Phänomen der springender Gene (Transposon) zu erforschen. Nach dem Ende der Freilandversuche – die neue, wichtige Erkenntnisse über die Wechselwirkung zwischen Umwelt und Genregulation ermöglichten – war für das Kölner Institut auch das Interesse an ihren Petunien erloschen.

Allerdings hatte ein niederländisches Züchtungsunternehmen – inzwischen längst vom Markt verschwunden – Lizenzrechte an der Technologie erworben und damit eine neue, leuchtend orange gefärbte Petuniensorte entwickelt. 1995 wurde sie als marktreif vorgestellt, doch ein Antrag, sie für den kommerziellen Anbau zuzulassen, wurde nie eingereicht. Offenbar schien der Aufwand für eine gentechnikrechtliche Genehmigung zu hoch.

Doch irgendwie – „gewollt oder ungewollt“ (Teemu Teri) - gelangten das A1-Gen und damit neue, attraktive Blütenfarben in den Genpool der Petunien. Viele Züchter kreuzten es immer wieder in ihre Sorten ein. „Einige Unternehmen haben sicher jahrelang unwissentlich gentechnisch veränderte Petunien verkauft,“ so Michael Firko von der US-amerikanischen Landwirtschaftsbehörde USDA gegenüber dem Wissenschaftsmagazin Science. Das A1-Gen und die Ausprägung der neuen Farbe haben sich über Jahrzehnte als stabil erwiesen. In der Regel werden Blumen nicht geschlechtlich vermehrt, sondern in Zellkulturen. Eine einzelne Pflanze, welche die gewünschten Eigenschaften besitzt, wird so über Jahre oft viele tausend Mal „kopiert“.

Doch nicht alle der 51 als gentechnisch verändert eingestuften Sorten enthalten das A1-Gen. In einigen wurden jedoch verschiedene andere Gen-Sequenzen gefunden, die häufig in der Pflanzen-Gentechnik verwendet werden, etwa Markergene (nptII) oder Promotoren (p-35S). Möglicherweise deuten sie auf andere Quellen hin als die Kölner Petunien. So sind auch in China gv-Petunien entwickelt worden, ebenfalls mit veränderter Blütenfarbe, die jedoch auf ein anderes Gen zurückgeht als bei den Kölner Petunien. Seit 1998 werden sie in mehreren chinesischen Provinzen angebaut, wo genau ist nicht bekannt.

Noch immer wissen die Behörden nicht, wie, wann und von wem die fraglichen Gensequenzen in die neuen, attraktiven Petuniensorten hineingekommen sind – und es ist fraglich, ob es überhaupt noch zu klären ist. „Als Quelle der gentechnischen Veränderung werden aktuell mehrere Entwicklungswege verfolgt. Eine abschließende Erkenntnis liegt noch nicht vor,“ so das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).

Inzwischen bereut Teeri, dass er die Regulierungsbehörde über seinen Fund informiert hat und damit die Vernichtung tausender Petunien in Gang setzte, von denen keinerlei Gefahren für Mensch und Umwelt ausgehen. „Werden gv-Pflanzen ausschließlich nach den eingesetzten Züchtungsverfahren reguliert und nicht nach ihren Eigenschaften, verhindert das in der Praxis die kommerzielle Nutzung neuer Sorten mit zusätzlichem Nutzen,“ so die Schlussfolgerung Teeris in einem gerade von ihm publizierten wissenschaftlichen Artikel über seine Untersuchungen. „Bei den orangefarbenen Petunien ging es um Schönheit. Bei den wichtigen Kulturpflanzen hat es jedoch weitaus größere Konsequenzen, wenn die Möglichkeiten der Gentechnik nicht genutzt werden können.“

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