„Jeder kann sich über die Ergebnisse der Sicherheitsforschung informieren.“

(20.04.2009) Bundeslandwirtsministerin Ilse Aigner (CSU) begründete ihr Verbot des gentechnisch veränderten Maises MON810 mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die auf eine Gefahr für die Umwelt hindeuten. transgen.de sprach darüber mit dem Agrarökologen Dr. Stefan Rauschen (RWTH Aachen), der seit vielen Jahren zu den ökologischen Auswirkungen von gv-Mais forscht.

Stefan Rauschen

Dr. Stefan Rauschen (RWTH Aachen) ist seit vielen Jahren aktiv an Projekten zur Biologischen Sicherheitsforschung beteiligt. Derzeit koordiniert er einen großen Forschungsverbund, der sich mit möglichen ökologischen Auswirkungen eines neuen gv-Maises beschäftigt. Alle Forschungsprojekte werden vom BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) finanziert.

Inzwischen wurde der Bescheid des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) veröffentlicht, in dem das Verbot von MON810 gegenüber Monsanto begründet wird. Neben mehreren älteren Studien werden vor allem zwei neue Untersuchungen angeführt, die sich mit Auswirkungen von MON810 auf Zweipunktmarienkäfer und Wasserflöhe beschäftigen.

transgen.de : Sie forschen seit vielen Jahren über Umweltauswirkungen von gentechnisch verändertem Mais. Gibt es Ihrer Meinung nach tatsächlich neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die das Anbauverbot für MON810 rechtfertigen?

Stefan Rauschen: Nein. Die in der Begründung für das Verbot zitierten Studien sind meiner Meinung nach nicht dazu geeignet, die Unbedenklichkeit von MON810 zu widerlegen.

transgen.de : Wie bewerten Sie insbesondere die Studien zum Zweipunktmarienkäfer und zu Wasserflöhen, die als wesentliche Gründe für das Verbot herangezogen wurden?

Stefan Rauschen: Die Studie zum Zweipunktmarienkäfer weist deutliche methodische Mängel auf, die ich auch in einem Brief an den Herausgeber der Zeitschrift angesprochen hatte. Die Studie und die darin dargestellte Datenlage lassen nicht den Schluss zu, dass von dem Bt-Protein Cry1Ab eine Gefährdung für den Zweipunktmarienkäfer ausgeht. Das wird von einer ganzen Reihe von Kollegen auch so gesehen. Was die Studie zu Wasserflöhen angeht, bin ich kein Experte, aber ich habe mich mit Kollegen auseinandergesetzt, die auf diesem Gebiet sehr viel Erfahrung haben, weil das ja ein Standardtestorganismus in der Ökotoxikologie ist. Die sagen, dass die mit MON810 durchgeführten Tests deutlich von Standardtestverfahren abweichen. Das gesamte Test-Setup, also die Art und Weise, wie die Wasserflöhe dabei mit MON810 in Berührung gekommen sind, sei problematisch und entspreche nicht deren natürlichen Lebensbedingungen. Deswegen sind die Ergebnisse nicht wirklich wissenschaftlich abgesichert oder verlässlich.

transgen.de : Was hat denn insgesamt die bisherige Sicherheitsforschung zu MON810 ergeben und warum werden die Ergebnisse so wenig berücksichtigt?

Stefan Rauschen: Die bisherige Sicherheitsforschung hat ganz klar ergeben, dass MON810 auf Schmetterlinge wirkt, vornehmlich auf den Maiszünsler, weil er der einzige Schmetterling ist, der am Mais frisst, und auf keine anderen Organismen. Also weder auf Nützlinge, die auf dem Maisfeld vorkommen, noch auf andere Organismen, die potenzielle Schädlinge sein könnten. Es hat auch Untersuchungen gegeben, ob MON810 einen Einfluss auf andere Schmetterlinge hat, also auch auf Arten, die schützenswert sein könnten oder sind. Und auch da hat sich klar gezeigt, dass von MON810 selbst im unmittelbaren Feldbereich keine Gefährdung für diese Schmetterlingsarten ausgeht.

transgen.de: Und warum werden diese Ergebnisse von der Politik so wenig berücksichtigt?

Stefan Rauschen: Gute Frage. Die Ergebnisse sind sehr gut publiziert in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, sie werden immer wieder auf Tagungen dargestellt und auch im Internet dargelegt. Jeder kann zu uns Experten gehen und einfach nach unseren Ergebnissen fragen. Wir sind ja durchaus sehr auskunftsfreudig. Warum sich diese Ergebnisse aber letztendlich nicht bis zu Frau Aigner herumgesprochen haben, das kann ich nicht beurteilen.

transgen.de : Vielen Dank für das Gespräch.