EU-Kommission: Erste Vorschläge für eine neue Gentechnik-Politik

(05.05.2010) In Zukunft sollen die EU-Mitgliedstaaten selbst über den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen entscheiden können. Mit Änderungen im gemeinschaftlichen Gentechnik-Recht will die EU-Kommission die seit Jahren andauernde politische Blockade überwinden.

In einem internen Strategiepapier hat die EU-Kommission erste Vorschläge für eine neue Gentechnik-Politik vorgelegt, die Kommissionspräsident Barroso bereits vor seiner Wiederwahl im Herbst angekündigt hatte. Künftig sollen die Mitgliedstaaten den Anbau von gv-Pflanzen auf ihrem Gebiet erlauben oder verbieten können. Über die allgemeine Zulassung von gv-Pflanzen soll jedoch wie bisher in einem EU-weit verbindlichen Verfahren auf Basis einer wissenschaftlichen Sicherheitsbewertung entscheiden werden.

Mit der Aufteilung der Kompetenzen für Zulassung und Anbau auf die EU und die einzelnen Mitgliedstaaten will die Kommission die seit Jahren festgefahrene Gentechnik-Politik neu beleben. Derzeit blockieren sich „gentechnik-freundliche“ und -ablehnende Länder gegenseitig und verhindern so klare und für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Entscheidungen.

Künftig, so zitiert die Nachrichtenagentur Reuters aus dem Strategiepapier, soll es den Ländern, die gv-Pflanzen nutzen wollen, einfacher werden, deren Anbau zu erlauben, während die Länder, die ihre Landwirtschaft „gentechnik-frei“ halten wollen, entsprechende Verbote erlassen dürfen. Gemessen an der aktuellen Situation sei mit einem „positiven Impuls für die Pflanzenbiotechnologie und die Saatgutunternehmen“ zu rechnen, so das Papier der Kommission.

„Wenn möglich“ soll die Verlagerung der Anbaukompetenz auf die Mitgliedsstaaten innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens umgesetzt werden, da dessen Änderungen nur mit einer Mehrheit des Europäischen Parlaments und entsprechend langwierigen Beratungsprozessen möglich ist. Wie im einzelnen das Ziel einer raschen Umsetzung erreicht werden kann, lässt das Strategiepapier offen.

Dort werden verschiedene Vorschläge gemacht, wie ein überwiegend politisch motiviertes Anbauverbot einer gv-Pflanze - die zuvor in der EU zugelassen und damit als sicher bewertet wurde - begründet werden könnte. So sei es etwa denkbar, zwischen Feldern mit gv- und konventionellen Pflanzen Mindestabstände von fünf oder zehn Kilometer vorzuschreiben, die einen Gentechnik-Anbau in der Praxis unmöglich machen. Eine andere Überlegung ist, dass „sozioökonomische Kriterien“ - etwa Auswirkungen auf eine kleinteilige Landwirtschaft oder Imageschäden für eine Region - als Legitimation für Anbauverbote herangezogen werden können.

Für die Kommission ist es entscheidend, dass die neuen Vorschriften mit den Regeln der Welthandelorganisation (WTO) vereinbar sind und keine neuen Konflikte vor allem mit den USA hervorrufen.

Auch der neue EU-Vertrag von Lissabon könnte die politischen Entscheidungen bei der Zulassung von gv-Pflanzen beschleunigen. Dort ist ein neues Verfahren vorgesehen, wie die Mitgliedstaaten an den Entscheidungen der EU-Kommission mitwirken. Derzeit werden die Einzelheiten ausgehandelt. Nach dem vorliegenden Entwurf sollen Entscheidungen, welche die Kommission auf Basis bestehender Gesetze vorschlägt, von den Mitgliedstaaten unmittelbar mit qualifizierter Mehrheit angenommen oder abgelehnt werden können. Ist die Mehrheit der Mitgliedstaaten jedoch nicht eindeutig, kann die Kommission ihre Entscheidung sofort umsetzen. Die bisherige doppelte und langwierige Abstimmung im Ständigen Ausschuss und im Ministerrat würde entfallen.