Europa: Kaum noch Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen

(08.05.2012) In Deutschland und Europa geht die Zahl der Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen weiter zurück. Bisher wurden für die Anbausaison 2012 bei der zuständigen EU-Behörde nur noch 41 Anträge für Freilandversuche gemeldet, davon entfallen allein dreißig auf Spanien. In Deutschland wurde lediglich eine Freisetzung mit gentechnisch veränderten Zuckerrüben neu genehmigt. Das offizielle Standortregister verzeichnet aktuell vier Flächen in Sachsen-Anhalt, auf denen in diesem Jahr Versuche mit gv-Pflanzen stattfinden sollen.

Die zentrale europäische Datenbank (JRC, Joint Research Centre) verzeichnet für 2012 nur noch 41 neue Freisetzungsanträge (Stand 05. Mai 2012). Seit 2009 ist ihre Zahl um zwei Drittel zurückgegangen. Noch vor gut zehn Jahren (1997) wurden in der EU mehr als 250 Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen beantragt.

Drei Viertel aller 2012 geplanten Versuche werden in Spanien stattfinden (30), die übrigen verteilen sich auf acht weitere Länder, darunter Schweden (3), Ungarn (2) und Deutschland (1). Frankreich und Italien bleiben wie im Vorjahr ohne gentechnisch veränderte Pflanzen im Freiland. Die meisten Freisetzungsanträge beziehen sich auf die drei Kulturarten Mais (14), Baumwolle (12) und Zuckerrübe (7), meist Anbauversuche, um bereits entwickelte gv-Pflanzen mit verschiedenenen Resistenzen gegen Schadinsekten oder Herbizide unter europäischen Bedingungen zu testen.

Nur wenige Freilandversuche sind Teil von längerfristigen Forschungs- und Entwicklungsprojekten, die sich mit neuen Konzepten zur Abwehr von Schädlingen und Pflanzenkrankheiten, einer besseren Nährstoffverwertung oder optimierten Inhaltsstoffen beschäftigen.

So beginnen in den Niederlanden Freilandtests mit Apfelbäumen, in die ein Resistenzgen gegen Apfelschorf aus einem japanischen Wildapfel eingeführt wurde. Da es sich dabei nicht um „artfremde“ Gene oder DNA-Sequenzen handelt, bezeichnet man solche Pflanzen in Abgrenzung zu transgen als cisgen. Ebenfalls cisgen ist eine Gerste, die auf einem Versuchsfeld in Dänemark ausgesät wird. Sie produziert Phytase, ein Enzym, das Schweine und Geflügel benötigen, um den notwendigen Phosphor aus den Futterpflanzen erschließen zu können. Derzeit wird Phytase mit gv-Mikroorganismen hergestellt und dem Futter beigemischt. In Schweden kommt eine gv-Gerste ins Freiland, die Stickstoff besser verwerten kann und damit weniger Mineraldünger genötigt.

In Polen und Tschechien werden verschiedene gv-Flachslinien erprobt, die Flachs als heimischen nachwachsenden Rohstoff interessanter machen könnten. Dabei geht es etwa um verbesserte Fasereigenschaften oder einen erhöhtem Ölsäuregehalt.

Wie in der internationalen Pflanzenforschung nutzen auch europäische Projekte gentechnische Verfahren, wenn damit die jeweiligen Ziele besser zu erreichen sind als mit anderen Verfahren. Doch offenbar wird es in Europa immer schwieriger, neue Pflanzen-Prototypen im Freiland zu testen, wenn sie nach den gesetzlichen Definitionen als „gentechnisch verändert“ gelten. Nicht nur, dass es viel Zeit und Geld kostet, bis ein Freisetzungsversuch genehmigt wird. In vielen Ländern gibt es tiefe gesellschaftliche Vorbehalte gegenüber der Grünen Gentechnik bis hin zu Zerstörungen der Felder durch radikale Gegner.

Aktuell haben Anti-Gentechnik-Aktivisten in Großbritannien angekündigt, ein Versuchsfeld am Rothamsted Research Institute zerstören zu wollen. Dort sollen Versuche mit einem Weizen beginnen, der infolge eines aus Minze stammenden Gens Duftstoffe bildet, der Läuse vertreibt. Wie die meisten ähnlichen Projekte ist auch dieser Weizen weit von einer möglichen Markteinführung entfernt. Ziel der Versuche ist es, die Funktionalität neuer Pflanzenschutzkonzepte grundsätzlich zu überprüfen. Wissenschaftler des Instituts haben sich nun mit einem Appell an die Öffentlichkeit gewandt. Darin unterstreichen sie die Bedeutung ihrer Forschung für eine nachhaltige Landwirtschaft und fordern die Gegner auf, die geplante Zerstörung aufzugeben.

Auch in Deutschland gibt es 2012 nur noch vereinzelte Freilandversuche mit gv-Pflanzen. Aktuell weist das Standortregister vier Flächen mit insgesamt 9800 Quadratmeter aus, im Vorjahr waren es 15 Flächen mit 73.000 Quadratmeter

Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen werden in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten geprüft und - falls keine Gefahren für Mensch und Umwelt bestehen - genehmigt. Die nationalen Behörden melden die Anträge bei der EU-Kommission, die in eine zentrale Datenbank beim Joint Research Centre (JRC) eingespeist werden. Ein Antrag kann Freilandversuche mit einer bestimmten gv-Pflanze an mehreren Standorten und über mehrere Jahre umfassen. - Das in Deutschland gesetzlich vorgeschriebene Standortregister (beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL) verzeichnet alle Flächen, auf denen in einem bestimmten Jahr gv-Pflanzen wachsen. Bei experimentellen Versuchen müssen die betreffenden Flächen spätestens drei Tage vor der Aussaat gemeldet werden.