Volksabstimmung in Kalifornien: Meinungsschlacht um Gentechnik-Kennzeichnung

(26.06.2012) In den USA verschärfen sich die Auseinandersetzungen um eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für gentechnische veränderte Lebensmittel. Zwar sind bisher alle Versuche, in einzelnen Bundesstaaten eine Kennzeichnung einzuführen, gescheitert. Doch im November könnte sich das ändern: Dann stimmen die Bürger in Kalifornien über einen Gesetzesvorschlag für eine Kennzeichnung von Genfood ab. Eine Mehrheit hätte weitreichende Auswirkungen auf die amerikanische Lebensmittelindustrie und Landwirtschaft.

USA, Monster Paprika
USA, Anti-GMO
USA, Anti-Monsanto

Wahlfreiheit: Vordergründig geht es bei der Right-to-Know-Kampagne um Kennzeichnung und Wahlfreiheit. Dabei werden Gentechnik-Lebensmittel als hochgefährlich und als Experiment mit ungewissem Ausgang dargestellt.

Am 6. November stimmen die Bürger in Kalifornien nicht nur über den nächsten US-Präsidenten ab, sondern auch über einen Gesetzesvorschlag für eine Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Lebensmittel. Im Juni hatte die Right to know-Initiative die für einen Bürgerentscheid in Kalifornien notwendigen eine Million Unterschriften vorgelegt.

Sollte das Gesetz eine Mehrheit finden, müssten ab 1. Juli 2014 Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Zutaten enthalten, mit dem Hinweis Partially Produced with Genetic Engineering (oder May be Partially Produced with Genetic Engineering) versehen werden. Ähnlich wie in Europa sieht die Gesetzesinitiative Ausnahmen vor: Etwa Fleisch, Milch oder Eier, wenn die Tiere mit gv-Pflanzen gefüttert wurden, mit gv-Mikroorganismen hergestellte Zusatzstoffe und Enzyme, das Essen in Restaurants sowie - unter bestimmten Voraussetzungen - „nicht beabsichtigte“ Anwendungen. Bis 2019 sollen Zutaten, die weniger als ein halbes Gewichts-Prozent eines Produktes ausmachen, von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen sein.

Viele Branchenexperten erwarten, dass die kalifornische Regelung - bei einer Mehrheit im November - auch in anderen Bundesstaaten und wohl auch USA-weit übernommen wird. Nach einem Bericht der New York Times bereitet sich die US-Lebensmittelbranche auf die neue Situation vor. Die großen Unternehmen würden eher die Zutaten ändern als ihre Markenprodukte kennzeichnen, zitiert die Zeitung einen führenden Vertreter eines Landwirtschaftsverbandes. Eine stärkere Nachfrage nach konventionellen Agrarrohstoffen hätte weitreichende Folgen für die amerikanischen Farmer. Derzeit enthält in den USA nahezu jedes verarbeitete Lebensmittel Zutaten aus gv-Pflanzen.

In Kalifornien „braut sich eine Schlacht um die Kennzeichnung“ zusammen, so die New York Times. Zehn Millionen Dollar wollen beide Seiten sich ihre Kampagnen kosten lassen. Die von großen Unternehmen aus der Organic-Food-Branche finanzierte Right to Know-Initiative kämpft vor allem für die Wahlfreiheit. Es sei das selbstverständliche Recht des Konsumenten, zu wissen, was er isst - und dazu gehöre eben auch die Information, ob ein Produkt „gentechnisch verändert“ wurde. Doch ähnlich wie in Europa wollen die_Right to Know_-Gruppen die Kennzeichnung als Hebel nutzen, um den in den USA allgegenwärtigen Anbau von gv-Pflanzen zurückzudrängen. Dazu werden diese als „unnatürlich“, unsicher und unbeherrschbar dargestellt. Ob Übergewicht, Krebs, Allergien - die Gentechnik erscheint als Ursache nahezu allen Übels.

Nicht zu unrecht fürchten die Lebensmittelunternehmen, dass die auch von prominenten Schauspielern und Musikern unterstützte Kennzeichnungs-Kampagne in der breiten Öffentlichkeit zu einem Negativimage der Gentechnik führt. Wenn die Verbraucher die Wahl haben, würden sie sich von diffusen Ängsten leiten lassen und zu Produkten ohne Kennzeichnung greifen, obwohl es in Bezug auf Sicherheit und Zusammensetzung keine Unterschiede gebe.

Auch Naturwissenschaftler engagieren sich im kalifornischen Abstimmungskampf. David Zilberman, Professor für Landwirtschaft und Ressourcenökonomie an der University of California in Berkeley, lehnt eine Kennzeichnung ab, weil sie die Gentechnik stigmatisiere. Die Folge wäre, so fürchtet er, dass staatliche Einrichtungen und Unternehmen das Interesse an einer Weiterentwicklung der Agro-Biotechnologie verlieren könnten. Vor allem im globalen Kontext, so Zilberman, seien gv-Pflanzen von großem Nutzen für Landwirte, Umwelt und Ertragsicherheit.

Auch Michael Eisen, Evolutionsbiologe in Berkeley, sieht in der Kennzeichnungs-Kampagne einen „Krieg gegen die Wissenschaft“, der mit Falschinformationen, Pseudowissenschaft und Angst vor Krankheiten wie Krebs geführt wird. Dadurch leide die Glaubwürdigkeit guter, fundierter Wissenschaft insgesamt.

Dagegen haben für Marion Nestle, bekannte Ernährungswissenschaftlerin an der New York University, die Verbraucher das Recht, Gentechnik in ihre Kaufüberlegungen einbeziehen zu können. „Und wenn die Unternehmen meinen, die Gründe seien dumm und irrational, dann sollten sie den Nutzen ihrer Produkte besser erklären.“

Noch halten Politik und Behörden in den USA am Grundsatz einer strikt produktbezogenen Kennzeichnung fest: Ein Hinweis auf dem Etikett sei nur dann gerechtfertigt, wenn eine Gentechnik-Anwendung bei einem Lebensmittel zu veränderten Inhaltsstoffen oder Eigenschaften geführt habe. Eine prozessbezogene Kennzeichnung bei stofflich im wesentlichen unveränderten Produkten - wie bei nahezu allen derzeit angebauten gv-Pflanzen - weist die amerikanische Lebensmittelbehörde FDA weiterhin als „unwissenschaftlich“ und „irreführend“ zurück.

Am 21. Juni lehnte der US-Senat einen Antrag, den Bundesstaaten die Einführung eigener Kennzeichnungsbestimmungen zu erlauben, mit großer Mehrheit ab. Schon vorher hatten die Bundesstaaten Conneticut und Vermont entsprechende Pläne aufgegeben.