Aufregung um „Gen-Wein“

Seit um die Jahreswende bekannt wurde, dass in Franken gentechnisch veränderte Weinreben freigesetzt werden sollen, hat sich die Aufregung nicht mehr gelegt. Viele beschworen einen „Anschlag auf die Weinkultur“; noch immer gibt es Verbotsforderungen, Unterschriftensammlungen, sogar Anträge und Debatten im bayrischen Landtag. Von „unabschätzbaren Risiken für Mensch und Natur“ spricht der Bund für Naturschutz. Aber auch viele Winzer fürchten sinkende Absätze, wenn infolge der öffentlichen Diskussionen um die Freisetzungen das gute Ansehen des deutschen Weines leiden könnte.

Geplant ist, in der Nähe von Würzburg sowie auf dem Gelände des Instituts für Rebenzüchtung in Siebeldingen (Pfalz) insgesamt knapp 200 gentechnisch veränderte Rebstöcke unter Freilandbedingungen zu testen.

Das Ziel: Resistenz gegen schädliche Pilze

Pilzliche Schaderreger, in den europäischen Regionen vor allem Grauschimmel, Echter und Falscher Mehltau, sind ein großes Problem im Weinbau. Sie führen nicht nur zu Ertragseinbußen, sondern auch zu Qualitätsverlusten beim Wein. Bisher bleibt den meisten Winzern kaum etwas anderes übrig als der Einsatz chemischer Fungizide. Bei starkem Befall und in empfindlichen Lagen wird bis zu acht Mal gespritzt. Auch die Ökowinzer suchen noch nach einem verlässlichen Konzept gegen die gefürchteten Pilze. Lange Zeit benutzten sie Kupferpräparate, was zur Belastung der Böden mit Schwermetallen führte. Inzwischen verwenden einige Ökowinzer Tonerde und Pflanzenextrakte; in befallsarmen Jahren können sie inzwischen auf die Kupfersalze verzichten.

  • Der Kampf gegen die Pilze ist deswegen so schwierig, weil sie erst Mitte des letzten Jahrhunderts aus Amerika nach Europa eingeschleppt wurden. Die traditionellen europäischen Rebsorten hatten keine Resistenz gegen die Pilze entwickeln können, und auch in ihrem Gen-Pool waren keine Resistenzgene vorhanden. Viele Bemühungen, traditionelle europäische mit amerikanischen (pilzresistenten) Rebsorten zu kreuzen, hatten wenig Erfolg: Eine Pilzresistenz ging in aller Regel zu Lasten deutlicher Qualitätseinbußen beim Wein.
  • Nach vielen Jahren ist es inzwischen zwar gelungen, mit klassischen Methoden neue, pilzresistente Rebsorten wie Regent (Rotwein) und Phoenix (Weißwein) zu züchten, nicht jedoch bei den traditionellen Sorten Riesling, Merlot oder Chardonnay.
  • Neue Möglichkeiten erhofft man sich von der Gentechnik. Weltweit arbeiten mehrere Arbeitsgruppen daran, bestimmte Gene zu übertragen, die auch den von den Weintrinkern so geschätzten traditionellen Rebsorten eine Resistenz gegen die schädlichen Pilze vermitteln. Versuche laufen etwa mit Genen, die man bei Gerste gefunden hat. Werden sie in Reben eingeschleust, dann sorgen sie dort für die Bildung des Chitinase-Enzyms, welches die Zellwände der Pilze abbaut. Andere Strategien nutzen Gene, welche in den Stoffwechsel der Pilze eingreifen und ihn blockieren.

Die Versuche in Franken und in der Pfalz

Die für 1999 geplanten Freisetzungsversuche mit transgenen pilzresistenten Riesling-Reben sind der Anfang einer langen Versuchsreihe. Zunächst soll geprüft werden, ob die im Labor erzeugten Reben auch im Weinberg die gewünschte Wirkung zeigen und den Angriffen von Mehltau und Grauschimmel widerstehen. Das Einführen des neuen Gens in die Reben soll jedoch nicht die Qualität des Weines beeinträchtigen. Die Trauben des gentechnisch veränderten Rebstöcke werden geerntet und zu Wein ausgebaut. Zum Vergleich werden die gleichen Reben, die das Chitinase-Gen jedoch nicht enthalten, auf der Nachbarparzelle angebaut und ebenfalls zu Wein verarbeitet. Diese Weine kommen jedoch nicht in den Handel. Sollten die transgenen Reben die Erwartungen ihrer Züchter bestätigen, folgen weitere Versuchsschritte. Doch bis es zu einer marktreifen pilzresistenten _Rieslin_g-Rebe wird es mindestens zwanzig Jahre dauern. Solange ist es ausgeschlossen, das in Weinfeldern und -bergen Reben wachsen, die aus den nun beginnenden Freisetzungen hervorgegangen sind.

Dabei soll auch Umweltverhalten und -verträglichkeit der transgenen Reben untersucht werden. Die für die Freisetzung Verantwortlichen versichern, dass ein Umweltrisiko etwa durch Pollenübertragung nicht zu befürchten sei. Sollten benachbarte Reben mit dem Pollen aus dem transgenen Riesling befruchtet werden, ist das übertragene zusätzliche Gen nur im Traubenkern vorhanden. Für den Wein wird jedoch nur das Fruchtfleisch verwendet.

Gentechnik bei Weinreben - weltweit

In anderen Ländern ist die Entwicklung gentechnisch veränderter Weinreben bereits weiter fortgeschritten als in Deutschland. Führend sind Institute in Frankreich, USA, Kanada und Australien. Aber auch in Israel, Japan, Spanien oder Südafrika gibt es Arbeitsgruppen. Ziele sind Resistenzen gegen verschiedene Pilze, Pflanzenviren und -krankheiten, aber auch die Erhöhung der Kältetoleranz. In Kanada wird versucht, bestimmte Gene in Rebsorten einzuschleusen, die einen Weinbau auch in kälteren Regionen zulassen. Nicht absehbar ist jedoch, wann die ersten Weine aus transgenen Reben verkostet werden können. Die Schätzungen bewegen sich zwischen fünf und fünfzehn Jahren. Auch in den USA geben sich viele Weinunter- nehmen reserviert. Die Skepsis ist groß, ob die in die Reben eingeführten Fremdgene tatsächlich keinen negativen Einfluss auf Geschmack und Qualität des Weines haben werden.