Verwirrung um neue Kennzeichnung: „Ohne Gentechnik“ darf „mit Gentechnik“ sein

(17.01.2008) Tierische Lebensmittel wie Milch, Eier und Fleisch werden häufig unter Verwendung gentechnisch hergestellter Futtermittelzusätze erzeugt. Dennoch dürfen solche Produkte künftig mit einem „ohne Gentechnik“-Etikett versehen werden. Darauf hat sich die Große Koalition in Berlin verständigt.

Nachdem sich Vertreter von CDU/CSU und SPD am Sonntag Abend auf einen Kompromiss in der strittigen Frage der „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung geeinigt hatten, wurde die Öffentlichkeit zunächst nur lückenhaft und widersprüchlich informiert. Selbst in der offiziellen Pressemitteilung der Bundesregierung über die „Kennzeichnung gentechnikfreier Lebensmittel“ wurden die Kriterien nicht klar benannt, die solche Produkte erfüllen müssen.

Inzwischen hat das Landwirtschaftsministerium einen Beschlussvorschlag für den Bundestag vorgelegt. Danach können tierische Lebensmittel wie Milch, Fleisch und Eier bereits dann mit einem „ohne Gentechnik“-Etikett werben, wenn das Futter keine gentechnisch veränderten Pflanzen wie Soja oder Mais enthält. Futtermittelzusätze dürfen auch dann verwendet werden, wenn sie mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt wurden. Solche Zusätze - vor allem Aminosäuren, Enzyme oder Vitamine - sind in vielen Futtermischungen enthalten. In der Begründung des Ministerium heißt es, solche gentechnisch hergestellten Zusätze sollten „im Sinne einer ausgewogenen Tierernährung“ verwendet werden dürfen. Solche Fermentationsprodukte „werden unter den kontrollierten Bedingungen des geschlossenen Systems umwelt- und ressourcenschonend hergestellt.“

Bei Lebensmitteln dürfen solche Zusatzstoffe jedoch nicht verwendet werden. Hier schließt das „ohne Gentechnik“-Etikett gentechnisch hergestellte Zusatzstoffe, Enzyme oder Aromen grundsätzlich aus, wenn sie mit gv-Mikroorganismen hergestellt wurden. Ausnahmen sind nur bei solchen gentechnisch hergestellten Zusatz- und Hilfsstoffen möglich, die nach der EU-Ökoverordnung zugelassen sind und bei denen keine „gentechnikfreien“ Alternativen verfügbar sind. Bisher gibt es jedoch solche Zusatzstoffe nicht, die trotz gentechnischer Herstellung mit dem „ohne Gentechnik“-Etikett vereinbar wären.

Umwelt- und Verbraucherverbände begrüßten die geplante „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung. Die Verbraucher erhielten „endlich eine Wahlfreiheit für oder gegen den Einsatz gentechnisch veränderter Futtermittel“, so der Verbraucherzentrale Bundesverband. Kritik kam dagegen aus der Lebens- und Futtermittelwirtschaft. Es sei „Verbrauchertäuschung“, wenn sich die Verbraucher nicht sicher sein könnten, dass Produkte, die mit dem Hinweis „ohne Gentechnik“ angeboten werden, tatsächlich ohne gentechnisch hergestellten Stoffe erzeugt wurden, so der BLL, Dachverband der Lebensmittelwirtschaft. Es sei dem Verbraucher nicht vermittelbar, wenn der „bewusste und zielgerichtete Einsatz gentechnischer Verfahren“ ausgerechnet bei jenen Lebensmitteln erlaubt sei, die mit dem „ohne-Gentechnik“-Etikett werben.

Die geplante „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung soll in das „EG-Durchführungsgesetz“ eingefügt werden. Noch im Januar wird der Bundestag über das Gesetz abstimmen.