Auskreuzung: Haftung auch ohne Verschulden

Beim Anbau von gv-Pflanzen in Deutschland gelten weitreichende Haftungsbestimmungen. Landwirte haften für wirtschaftliche Schäden, die durch Auskreuzungen etwa von gv-Mais entstehen - auch dann, wenn sie alle Vorschriften und Regeln beachtet haben und möglicherweise gar nicht der Verursacher sind. Doch: Die vorgeschriebenen Abstände zwischen gv- und konventionellen Felder sind so groß, dass es kaum zu Haftungsfällen kommen wird.

Die Vorschriften zur Haftung stammen noch aus dem 2004 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung durchgesetzten Gentechnik-Gesetz. Bis heute hat sich daran nichts geändert.

Ein Landwirt, der gv-Pflanzen anbaut, haftet…

-für wirtschaftliche Schäden, die seinem Nachbarn durch GVO-Einträge entstehen, etwa geringere Verkaufserlöse; -verschuldensunabhängig, also auch dann, wenn er alle Vorschriften eingehalten hat;

-gesamtschuldnerisch, d.h. für GVO-bedingte Schäden, für die kein Einzelverursacher in Frage kommt.

Was ist ein Schaden?

Nicht jede Auskreuzung einer gv-Pflanze ist ein entschädigungspflichtiger Schaden. Bei zugelassenen und damit als sicher bewerteten gv-Pflanzen werden mögliche Schäden durch Auskreuzung in erster Linie wirtschaftlich definiert.

Ein Schaden liegt nach dem Gentechnik-Gesetz dann vor, wenn es als Folge eines Anbaus von gv-Pflanzen zu „wesentlichen GVO-Einträgen“ in den Ernteprodukten des konventionell wirtschaftenden Nachbarn gekommen ist. „Wesentlich“ sind GVO-Einträge dann, wenn sie über dem gesetzlich festgelegten Schwellenwert von 0,9 Prozent liegen und dadurch eine Kennzeichnungspflicht auslösen.

In einem solchen Fall müsste der betroffene Landwirt seine Produkte als „gentechnisch verändert“ kennzeichnen, obwohl er keine gv-Pflanzen angebaut hat. Möglicherweise hätte er wirtschaftliche Einbußen, wenn er gekennzeichnete Waren zu niedrigeren Preisen verkaufen müsste als „gentechnik-freie“ Ware. Solche Vermarktungsverluste sind grundsätzlich entschädigungspflichtig.

GVO-Einträge sind möglich durch Auskreuzungen von gv-Pflanzen auf konventionelle Pflanzen der gleichen Art, aber auch durch Beimischungen im Erntegut, wenn etwa Ernte- oder Transportmaschinen nicht gründlich gesäubert wurden.

Der für die Kennzeichnung und Haftung maßgebende Schwellenwert von 0,9 Prozent wurde von den EU-Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit beschlossen. Er gilt EU-weit für alle Lebens- und Futtermittel - auch für Öko-Produkte.

Haftung: Gesamtschuldnerisch und verschuldensunabhängig

Nach dem Gentechnik-Gesetz muss der gv-Pflanzen anbauende Landwirt gegenüber seinen Nachbarn in jedem Fall für solche Schäden haften - auch wenn er die seit 2008 verbindlichen Regeln der Guten fachlichen Praxis (GFP) eingehalten und auch nicht gegen andere Vorschriften verstoßen hat.

Zudem gilt eine gesamtschuldnerischen Haftung: Sind wirtschaftliche Schäden infolge von GVO-Einträgen nicht eindeutig auf einzelne Verursacher zurückzuführen, haften alle Landwirte einer Region, welche die betreffende gv-Pflanze anbauen und als mögliche Verursacher in Betracht kommen.

Unbeabsichtigte Schäden durch GVO-Einträge: Wer zahlt?

Bisher ist es für gv-Pflanzen nutzende Landwirte nicht möglich, eine Haftpflichtversicherung gegen solche Schadensansprüche abzuschließen.

Allerdings: Sollte in Deutschland der Anbau von gv-Mais wieder erlaubt werden, dürften entschädigungspflichtige GVO-Einträge äußerst unwahrscheinlich sein. In der Verordnung zur Guten fachlichen Praxis sind die Mindestabstände zwischen konventionellen und gv-Maisfeldern auf 150 Meter festgelegt, bei Öko-Mais sogar auf 300 Meter. Anbauerfahrungen aus vielen Ländern zeigen, dass bei diesen Entfernungen GVO-Einträge weit unterhalb der 0,9 Prozent-Schwelle bleiben.

2006 und 2007 wurde in Deutschland Bt-Mais (MON810) angebaut. Da es noch keine gesetzlichen Regelungen gab, mussten sich die Landwirte verpflichten, um ihr Bt-Maisfeld einen mindestens 20 Meter breiten Trennstreifen mit konventionellem Mais anzulegen, der bei der Ernte zusammen mit dem Bt-Mais zu verwerten war. In beiden Jahren ist es nicht zu entschädigungspflichtigen GVO-Einträgen gekommen.