Gen-Reis: Fragen und Antworten

In Europa ist gentechnisch veränderter Reis bisher nicht zugelassen. Dennoch wurde Anfang September 2006 bei Kontrolluntersuchungen gv-Reis gefunden. Betroffen waren Schiffsladungen aus USA und Reisprodukte aus US-Langkornreis.

Für nicht zugelassene gentechnisch veränderte Organismen (GVOs) gilt in der EU eine „Null-Toleranz“: Sie dürfen grundsätzlich nicht in den Handel gelangen. Jeder Nachweis einer in der EU nicht zugelassenen gv-Reissorte hat zur Folge, dass die betreffenden Reisprodukte nicht in Verkehr gebracht werden dürfen. Dabei spielt es keine Rolle, wie hoch der GVO-Anteil ist.

Frage: Um was für einen Reis handelte es sich?

Antwort: Der gv-Reis wurde in den 90er Jahren vom damaligen Agro-Biotech Unternehmen Aventis CropScience entwickelt. Er trägt die Bezeichnung LL601 und verfügt über eine Resistenz gegen Herbizide mit dem Wirkstoff Glufosinat. Nach verschiedenen Freisetzungsversuchen in den USA wurde die Entwicklung von LL601-Reis im Jahr 2001 eingestellt. Bei zwei ähnlichen Reislinien - LL62 und LL06 - wurde jedoch das Ziel einer kommerziellen Nutzung weiter verfolgt. In den USA sind diese für den Anbau und als Lebensmittel zugelassen. Ein Zulassungsantrag für LL62-Reis in der EU ist gestellt.

Frage: Wie konnte es zu einer „Verunreinigung“ konventioneller Reisprodukte durch LL601-Reis kommen?

Antwort: In den USA haben die Behörden eine offizielle Untersuchung durchgeführt, deren Ergebnisse im Oktober 2007 veröffentlicht wurden. Die genaue Ursache konnte nicht mehr zweifelsfrei geklärt werden. Wahrscheinlich ist es in einem Institut in Lousiana/USA zu den unbeabsichtigten Vermischungen gekommen. Dort werden neue Reissorten gezüchtet und Saatgut vermehrt. Auf dem Gelände des Instituts fanden auch Freisetzungsversuche mit LL601-Reis im Auftrag von Aventis CropScience statt. Im Rahmen der Nachuntersuchung wurden 400 Saatgutproben von 57 Reissorten aus den Jahren 2002 bis 2006 analysiert. LL601-Spuren wurden ausschließlich in einer Reisesorte (Cheniere) aus 2005 festgestellt. Durch den Anbau der Cheniere-Reissorte in der Anbausaison 2005 wurde LL601-Reis verbreitet.

Frage: Wie wurde der LL601-Reis überhaupt entdeckt?

Antwort: Aventis CropScience wurde 2003 von Bayer CropScience übernommen. Bayer bereitet die Markteinführung von LL62-Reis vor. Für seine Zulassung musste das Unternehmen ein Verfahren entwickeln, mit dem dieser gv-Reis nachgewiesen werden kann. Bei einem Test des Verfahrens zum Nachweis von LL62-Reis wurden Spuren von LL601-Reis gefunden. Im Juli 2006 informierte Bayer CropScience die zuständigen US-Behörden.

Frage: Was hat die EU unternommen, um zu verhindern, dass LL601 auf den europäischen Markt kam?

Antwort: Am 23. August 2006 beschloss die EU-Kommission, Einfuhren von US-Reis nur noch dann zu erlauben, wenn durch ein Zertifikat belegt werden kann, dass die betreffende Reischarge nachweislich keine Spuren von LL601-Reis enthält. Ein Verfahren zum Nachweis von LL601-Reis war am 28. August 2006 einsatzbereit. Nach Unstimmigkeiten über einheitliche Standards für Probenahme und Analytik verschärfte die EU die Bestimmungen für die Einfuhr von US-Reis. Bevor Schiffe mit Reis in europäischen Häfen entladen werden, musste jede Lieferung auf LL601-Beimischungen untersucht werden. Nur wenn ein von der EU anerkanntes Labor bestätigte, dass der Reis nachweislich frei von LL601-Spuren war, durfte er eingeführt werden. Von US-amerikanischen Laboren ausgestellte Zertifikate wurden in der EU nicht mehr akzeptiert. - Im Dezember 2007 hob die EU die obligatorischen Kontrollen für Reisimporte aus den USA auf.

Bis dahin führte die EU jährlich etwa 280.000 Tonnen reis aus den USA ein. Im Verlauf der LL601-Krise gingen sie auf etwa 50.000 Tonnen zurück.

Frage: Haben die europäischen Behörden Reisimporte aus den USA kontrolliert?

Antwort: Spuren von LL601-Reis wurden bei Kontrollen in Deutschland, Frankreich, Schweden, Großbritannien, Österreich, Italien, Finnland, den Niederlanden und der Schweiz gefunden. Nach Angaben der EU-Kommission haben Unternehmen des Verbandes der europäischen Reismühlen 162 Proben aus Reisimporten untersucht. In 33 konnte LL601-Reis nachgewiesen werden. Im Hafen von Rotterdam wurden Schiffsladungen untersucht. Aufgrund von positiven LL601-Tests wurden drei Frachtschiffe gestoppt.

Frage: Wurde in Deutschland LL601-Reis gefunden?

Antwort: In Deutschland sind die Bundesländer für die Lebensmittelüberwachung zuständig. Nach einer Zusammenstellung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) wurden zwischen Anfang September 2006 und 31. Januar 2007 insgesamt 1221 Reis-Lebensmittel untersucht. In 116 Proben konnten Spuren von gv-Reis nachgewiesen werden, überwiegend in Langkornreis aus den USA. Zudem wurden in einigen asiatischen Reisprodukten Spuren von gv-Reis (Bt63) gefunden, der 2002/03 in China zu Versuchszwecken angebaut wurde. (Links unter „Weitere Informationen“).

Frage: Wie hoch sind die Anteile von LL601-Reis?

Die in Deutschland gemessenen Anteile von LL601-Reis sind sehr gering. Sie liegen in allen Fällen unter 0,05 Prozent. Das heißt: Auf 10.000 „normale“ Reiskörner kommen fünf LL601-Reiskörner. Das entspricht etwa auch den in den USA gefundenen Werten. Bei Untersuchungen in der Schweiz wurden LL601-Konzentrationen von 0,01 Prozent gemessen. Diese Werte liegen an der Nachweisgrenze.

Frage: Was passiert mit Reisprodukten, bei denen LL601-Reis nachgewiesen wurde?

Antwort: Im Falle eines positiven Nachweises wird die Einfuhr von Reislieferungen untersagt. Betroffene Lebensmittel-Produkte müssen aus dem Handel genommen werden. Da eine „akute Gefahr“ nicht besteht, hat es bisher keine offiziellen Rückrufaktionen gegeben. Allein in Deutschland haben Hersteller insgesamt zehn Tonnen Reis und Reisprodukte freiwillig zurückgerufen.

Frage: Ist der Verzehr von LL601-Reis schädlich für die Gesundheit?

Antwort: Als LL601-Reis „entdeckt“ wurde, war er weltweit in keinem Land zugelassen. In den USA erlaubt ist jedoch der „verwandte“ LL62-Reis, der über die gleichen neu eingeführten Gene wie LL601-Reis verfügt und sich von diesem in einigen molekulargenetischen Details unterscheidet. Daher gingen die Behörden in den USA davon aus, dass LL601-Reis genau so sicher ist wie LL62-Reis. Ende November haben die US-amerikanischen Behörden die von Bayer CropScience nachträglich beantragte Zulassung für LL601-Reis erteilt. Er wurde als „sicher für den menschlichen Verzehr“ eingestuft.

Frage: Wie schätzen die deutschen Behörden die Sicherheit von LL601-Reis ein?

Antwort: Nach Aussagen des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gibt es „wahrscheinlich kein erhöhtes Gesundheitsrisiko“. Auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMVEL) sieht „keine Gesundheitsgefahr“. Ein ähnliche Erklärung hat auch die französische Regierung abgegeben.

Frage: Gibt es eine offizielle Bewertung durch die Europäischen Behörden?

Antwort: Das zuständige Sachverständigengremium (GMO Panel) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat sich am 13./14. September 2006 mit LL601-Reis befasst. Danach ist es äußerst unwahrscheinlich, dass er die Gesundheit von Mensch und Tier gefährden könnte. Dabei stützte sich das GMO Panel auf Daten zu dem in LL601 eingeführten Gen, das auch in anderen, bereits zugelassenen und als sicher bewerteten Pflanzen verwendet wurde. Allerdings lagen nicht alle Daten vor, die für eine umfassende Sicherheitsbewertung der gesamten gv-Pflanze erforderlich sind.

Frage: Wer ist verantwortlich dafür, dass nicht zugelassener gv-Reis in Lebensmittel gelangen konnte?

Antwort: Das ist derzeit nicht geklärt. BayerCropScience weist die Verantwortung zurück. LL601-Reis sei von Aventis CropScience entwickelt worden. Das Projekt wurde 2001 eingestellt. Erst zwei Jahre später hat Bayer Aventis übernommen. In mehreren US-Bundesstaaten haben Reisanbauer-Verbände inzwischen Klagen gegen Bayer CropScience eingereicht. Ihnen geht es um einen Ausgleich der Einkommensverluste, die ihnen durch die Einfuhrverbote oder -beschränkungen in Europa und Japan entstanden sind.

Frage: Wurden aus dem Fall LL601 Konsequenzen gezogen?

Antwort: Der Untersuchungsbericht der US-Behörden kommt zu dem Ergebnis, dass kein Verschulden von Bayer CropScience vorliegt und daher keine Strafmaßnahmen eingeleitet werden sollen. Über die Schadensersatzklagen der Reisfarmer ist bisher nicht entschieden. - Nach Abschluss der Untersuchungen wurden neue Empfehlungen für ein besseres Qualitätsmanagement in der Saatgutproduktion erarbeitet. So soll etwa die Entfernung zwischen Vermehrungsflächen für gentechnisch veränderte und konventionelle Sorten vergrößert werden.

Stand: 27. Dezember 2007

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