Roggen, Hybridzüchtung

Hybridzüchtung: Vitalere Nachkommen

Die Hybridzüchtung zählt zu den klassischen Züchtungsverfahren. Sie nutzt den sogenannten Heterosis-Effekt: Wenn zwei reinerbige Elternlinien miteinander gekreuzt werden, entstehen Nachkommen, die robuster und ertragreicher sind als ihre Eltern. Doch dieser erstaunliche Effekt verschwindet in der nächsten Generation wieder. Landwirte, welche die Vorteile der Hybridsorten nutzen wollen, müssen das Saatgut jedes Jahr neu kaufen.

Hybridmais im Schaugarten Üplingen

Heterosiseffekt bei Mais: Größere Nachkommen, aber nur in der ersten Generation. Hybridmais (rechts), reinerbige Elternlinie (links)

Grafik Hybridzüchtung

Hybridzüchtung bei Roggen. Die als Mutter genutzte Linie darf keinen befruchtungsfähigen Pollen ausbilden, damit sie sich nicht selbst bestäuben kann. Hier ist die Mutterlinie das Ergebnis einer Kreuzung zweier Inzuchtlinien, von denen eine männlich steril ist. Die als Vater genutzte Linie enthält ein sogenanntes „Restorer-Gen“, das die Sterilität wieder aufhebt. Damit die Nachkommen Körner ausbilden.

Titelfoto: Um reinerbige Ausgangslinien zu erhalten, werden die Pflanzen über mehrere Generationen „geselbstet“, d.h. sie müssen sich selbst befruchten. Dazu werden sie eingetütet.

Alle Fotos: i-bio

Seit rund einhundert Jahren nutzen Pflanzenzüchter den Heterosiseffekt. Dafür müssen sie zunächst Inzuchtlinien entwickeln, bei denen genetisch möglichst weit auseinanderliegende Mutter- und Vaterlinien die jeweils gewünschten Merkmale reinerbig (homozygot) ausbilden. Beide Linien sind infolge der Inzucht über mehrere Generationen geschwächt (Inzuchtdepression). Werden sie miteinander gekreuzt, bringen sie Nachkommen hervor, die deutlich vitaler, widerstandsfähiger, ertragreicher und auch gleichförmiger sind – nicht nur gemessen an ihren Eltern, sondern auch an „normalen“ Sorten.

Die Nachkommen aus der Kreuzung der Inzuchtlinien nennt man Hybriden. Sie sind vollständig mischerbig (heterozygot). Bei ihnen ergänzen sich die jeweils positiven Eigenschaften aus beiden reinerbigen Elternlinien.

Die Überlegenheit der Hybriden zeigt sich allerdings nur in der ersten Nachkommensgeneration (F1). In den folgenden Generationen geht der Leistungsvorteil wieder verloren. Die Verwendung der Ernte zur Wiederaussaat ist bei Hybriden mit einem deutlichen Ertragsverlust verbunden und damit für Landwirte wirtschaftlich nicht interessant. Anders als „samenfeste“ Sorten muss Hybridsaatgut in jedem Jahr neu gekauft werden.

Die Hybridzüchtung ist aufwändig und zeitraubend. Es kann oft Jahre dauern, bis geeignete Inzuchtlinien mit einer bestimmten genetischen Kombination erwünschter Merkmale gefunden sind. Um zu gewährleisten, dass bei der Saatgutvermehrung die als Mutter genutzte Inzuchtlinie ausschließlich durch die väterliche Inzuchtlinie bestäubt wird und keine Selbstbefruchtung stattfindet, muss die Bestäubung kontrolliert durchgeführt werden. Bei Mais können bei der Mutterlinie die männlichen Blütenstände an der Spitze der Pflanzen manuell entfernt werden, bei Raps oder Roggen werden spezielle Mutterlinien genutzt, die durch einen biologischen Mechanismus männlich steril sind und keinen Pollen produzieren (CMS, Cytoplasmatische männliche Sterilität).

Bei Kulturpflanzen, deren Früchte oder Samen genutzt werden, z. B. bei Getreide oder Raps, muss die Linie, die als Vater genutzt wird, ein sogenanntes Restorer-Gen besitzen, welches die Sterilität wieder aufhebt. Sonst könnte der Landwirt keine Körner ernten. Bei Nutzpflanzen, deren Wurzeln und Blätter geerntet werden, z. B. bei Möhren oder Kohl, ist es nicht nötig, die Sterilität wieder aufzuheben.

Wegen seiner besonderen Blühbiologie ist die Hybridzüchtung bei Weizen schwierig. Weizen ist ein Selbstbefruchter und die Bestäubung findet weitgehend innerhalb der geschlossenen Blüte statt. Damit eine Pflanze die Blüte einer anderen erfolgreich bestäuben kann, ist aber eine hohe Pollenausschüttung erforderlich. Zudem fällt der Heterosiseffekt bei Selbstbefruchtern wie Weizen vergleichsweise gering aus. Weizen-Hybridsorten gibt es zwar, sie werden aber kaum angebaut. Inzwischen wird verstärkt an geeigneten Inzuchtlinien geforscht, um damit ertragreicheren Hybridweizen züchten zu können.

Der Heterosiseffekt ist nicht bei allen Kulturarten gleich stark ausgeprägt. Bei Fremdbefruchtern wie Mais und Roggen kann er bis zu einhundert Prozent Ertragszuwachs betragen. Hier haben sich Hybridsorten weitgehend durchgesetzt. Bei Zuckerrübe, Raps oder Sonnenblumen sind sie weit verbreitet, ebenso wie Tomaten, Brokkoli oder Rosenkohl. In Deutschland wird der Anteil der Hybridsorten bei den gängigen Gemüsesorten auf etwa 70 Prozent geschätzt.

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