Zielscheibe, Ziel

Gen-Schere CRISPR/Cas trifft doch ins Ziel. Studie über unkontrollierbare Nebenwirkungen zurückgezogen

(10.04.2018) Im letzten Jahr hatte eine wissenschaftliche Studie für Aufsehen gesorgt. Darin war die Präzision der Gen-Schere CRISPR/Cas angezweifelt worden. Doch nun hat das Fachjournal Nature Methods die eigene Publikation offiziell wieder zurückgezogen. Die Daten ließen solche Rückschlüsse nicht zu, heißt es in einem Editorial der Redaktion.

Eine ganz bestimmte Stelle im unendlich großen Genom zu finden und nur dort gezielt einzelne Mutationen hervorzurufen – das ist es, was die neuen Genome Editing-Verfahren – allen voran CRISPR/Cas – grundsätzlich von anderen unterscheidet. Das betrifft herkömmliche Verfahren wie die Mutationszüchtung, aber auch die klassische Gentechnik. Mehr Präzision bedeutet auch: Ungewollte, zufällige Veränderungen – sogenannte Off target-Effekte – sind beim Genome Editing selten und, wenn sie auftreten sollten, vergleichsweise einfach zu finden.

DNA Mutation

USA: Freie Bahn. Die US-Landwirtschaftsbehörde hat jetzt offiziell bestätigt, dass genom-editierte Pflanzen auch in Zukunft nicht besonders reguliert werden. Voraussetzung ist unter anderem, dass in den Pflanzen nur einzelne neue DNA-Bausteine geändert werden und dass die dafür eingeführten Genkonstrukte in den genutzten Pflanzen nicht mehr vorhanden sind.

Foto: Caralin Rusnat, großes Foto oben: Pachai Leknettip (beide 123RF)

Als im Mai 2017 im Fachjournal Nature Methods eine Studie publiziert wurde, die genau das in Frage stellte, war die Aufregung groß – nicht nur in Fachkreisen, sondern auch bei vielen Gentechnik-Gegnern, die ihre Vorbehalte gegen Genome Editing bestätigt sahen.

Eine Gruppe um die kalifornische Molekularbiologin Kellie Schaefer hatte bei zwei Labormäusen eine bestimmte Mutation erfolgreich mit CRISPR korrigiert. Anschließend sequenzierten die Wissenschaftler deren komplettes Genom und verglichen es mit dem „unbehandelter“ Mäuse derselben Zuchtlinie. Sie fand eine große Anzahl von Abweichungen, die sie als ungewollte Folgen des CRISPR-Eingriffs interpretierten.

Doch schon bald geriet die Schaefer-Studie selbst in die Kritik. Allein fünf wissenschaftlich geprüfte (peer reviewed) Publikationen hat Nature inzwischen veröffentlicht, welche zu anderen Schlussfolgerungen kamen. Der wichtigste Einwand: Bei den von Schaefer gefundenen Unterschieden im Erbgut handele es sich vermutlich um ganze normale genetische Variationen, wie sie bei jeder Fortpflanzung auftreten – unabhängig von der mit CRISPR herbeigeführten Veränderung.

Ende März zog dann die Nature-Redaktion die Publikation der Schaefer-Gruppe offiziell zurück. Diese habe, schrieb sie in ihrem Editorial, „grundlegende Untersuchungen versäumt, um die beobachteten genetischen Veränderungen im Erbgut auf CRISPR zurückführen zu können“. Und auch Kellie Schaefer selbst schob nun eine „ergänzende Korrektur“ nach: „Untersuchungen auf der Ebene des gesamten Genoms bestätigen, dass in spezifischen Fällen mit CRISPR/Cas9 präzise Veränderungen im Genom eines Organismus möglich sind, ohne dass dies zu zahlreichen, ungewollten off-target-Mutationen führt.“

Dass solche Effekte gerade beim Genome Editing von Pflanzen äußerst selten sind, bestätigt auch der aktuelle „Wissenschaftliche Bericht zu den neuen Techniken in der Pflanzenzüchtung und der Tierzucht“, den das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und weitere öffentliche Forschungsinstitute im Februar 2018 veröffentlicht haben. Er verweist auf Untersuchungen, bei denen „das gesamte Genom von Pflanzen (…) sequenziert wurde, um Off target-Effekte aufzuzeigen, die nicht vorhergesagt wurden. Bisher wurden in keiner dieser Studien Off target-Effekte detektiert, die eindeutig der verwendeten Technik zugeschrieben werden konnten.“ Zudem sind inzwischen weitere CRISPR-Varianten mit einer noch einmal verbesserten Zielgenauigkeit entwickelt worden.

Diese weitaus größere Präzision, mit der die DNA von Pflanzen – und auch anderen Organismen – punktuell verändert werden kann, ist mittlerweile wissenschaftlich gut belegt. Dennoch verweisen Gentechnik-Gegner immer wieder darauf, dass es ähnlich wie bei der Gentechnik auch beim Genome Editing zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen komme. Es seien „tiefgreifende Veränderungen“ möglich, und es sei nur „schwer vorhersehbar, ob dadurch kleine oder gar größere Risiken ausgelöst werden.“ (Ricarda Steinbrecher, Forum Umwelt und Entwicklung 1/2018)

Während CRISPR und die anderen Genome Editing-Verfahren einen Quantensprung in der Pflanzenforschung markieren, haben sich die Einwände der Gentechnik-Kritiker seit 25 Jahren kaum verändert. Als ob es keine Unterschiede zwischen gentechnisch veränderten und editierten Pflanzen gäbe, fordern sie pauschale Verbote, mindestens aber strenge Zulassungsverfahren und berufen sich dabei auf das Vorsorgeprinzip – in einer so restriktiven Interpretation, die nahezu jede Innovation unmöglich macht.

Noch in diesem Jahr wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) darüber entscheiden, ob genom-editierte Pflanzen und Tiere unter die strikten Vorschriften der Gentechnik-Gesetze fallen oder wie die Mutationszüchtung von diesen ausgenommen werden. Die neue Große Koalition in Berlin will das Urteil zwar abwarten, hat sich aber bereits jetzt darauf verständigt, „gegebenenfalls auf nationaler Ebene Regelungen vorzunehmen, die das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit gewährleisten.“

Dass jedoch diffuse, wissenschaftlich nicht begründete Vermutungen keine Basis sein können, um vorsorgende Verbote zu rechtfertigen, hat der Generalanwalt Michal Bobek in dem EuGH-Verfahren deutlich gemacht: Schutzmaßnahmen „können nicht wirksam mit einer rein hypothetischen Betrachtung des Risikos begründet werden, die auf bloße, wissenschaftlich noch nicht verifizierte Vermutungen gestützt wird“, so Bobek in seinem Schlussplädoyer. „Vielmehr können sie ungeachtet ihrer vorläufigen Natur und auch wenn sie Präventivcharakter haben, nur getroffen werden, wenn sie auf eine möglichst umfassende Risikobewertung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Falles gestützt sind, die erkennen lassen, dass diese Maßnahmen geboten sind“.

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