Pro GMO, non GMO

Gegen neue Gentechnik: Die starren Fronten bröckeln

(17.01.2019) Zum Auftakt der Grünen Woche zieht auch in diesem Jahr wieder die große „Wir haben es satt“-Demo durch Berlin. Alle Umweltverbände sind dabei, die gesamte Öko-Branche, auch die kirchlichen Hilfswerke Brot für die Welt und Misereor. Es scheint, als seien sich alle einig - gegen „Agrarindustrie“, „Ackergifte“ und jetzt auch gegen „neue Gentechnik“. Doch die demonstrative Einigkeit täuscht: Gerade bei den neuen Genome Editing-Verfahren sehen einige Grüne und Ökos nicht mehr nur Gefahren, sondern auch Chancen.

Theresia Bauer

Theresia Bauer, Grüne und seit 2011 Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg: „Grünen und Umweltaktivisten wurde deshalb vorgeworfen, dass die Kritik an neuen gentechnischen Verfahren nicht sachlich sei. Nicht ganz zu Unrecht, meine ich. In der Debatte werden Fakten nicht gleichberechtigt anerkannt. Die Grünen sollten den Stand der Wissenschaft anerkennen. Und der Gentechnik eine Chance geben.“

Urs Niggli

Prof. Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FIBL) Schweiz: Gentechnik & Ökolandwirtschaft - warum nicht? Vortrag am 15.03.2019 im Museum für Naturkunde, Berlin (Reihe: Wissenschaft im Sauriersaal)

Fotos MWK, Eleni Kougionis/FIBL; großes Foto oben: John Pritchet/Civil Beat

„Gleich ob alt oder neu – Gentechnik ist Risikotechnologie“. So wie der Europa-Parlamentarier Martin Häusling lehnen viele Grüne – darunter einige prominente Köpfe - die Gentechnik bei Pflanzen und Tieren strikt ab. Daran soll sich nichts ändern, auch wenn sich die neuen Genome Editing-Verfahren grundlegend von der bisher bekannten Gentechnik unterscheiden: Erstmals lassen sich damit präzise Veränderungen einzelner DNA-Bausteine an einer vorgegebenen Stelle im Erbgut herbeiführen. Dennoch vergleicht der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner sie mit einer „grobschlächtigen Heckenschere“, die frühere Parteivorsitzende Simone Peter sieht „nicht eingelöste Heilsversprechen“ und Ex-Landwirtschaftsministerin Renate Künast beruft sich auf das „Vorsorgeprinzip“. Wer dem nicht folgen will, wird als „Agrarlobbyist“ oder „Pseudowissenschaftler“ abgestempelt.

Seit fast dreißig Jahren ist die kompromisslose Anti-Gentechnik-Politik ein Markenkern der Grünen. Abwägende Zwischentöne, etwas weniger laute Töne als sie auf den „Wir haben es satt“-Bühnen bejubelt werden, gehen im Getöse der emotionalen Parolen unter. Dennoch: So fest geschlossen, wie es nach außen scheint, sind die Reihen nicht mehr. Einige in der grünen Partei ahnen, dass ein starres, reflexartiges Nein angesichts der rasanten Entwicklung - und gegen den breiten Konsens in der Wissenschaft - schon bald nicht mehr ausreichen könnte.

Der erste öffentliche Anstoß kam von ganz oben. Obwohl sie „Genveränderungen bei Lebensmitteln ablehnen“, heißt es in einem vom Bundesvorstand angenommenen Impulspapier (April 2018), sollten die Grünen „noch einmal hinterfragen, ob bestimmte neue Technologien nicht helfen könnten, die Versorgung mit Nahrungsmitteln auch dort zu garantieren, wo der Klimawandel für immer weniger Regen oder für versalzenen Boden sorgt.“ Wir wollen „nicht unreflektiert die alten Antworten darüberstülpen, wenn Dinge neu sind“, legte Parteichef Robert Habeck in einem Interview mit der FAZ (18.07.2018) nach. „Diese neue Technik bringt kein artfremdes Gen ein, sondern simuliert einen natürlichen Prozess, im Schnellverfahren“.

Schnell gab es heftigen Gegenwind, vor allem von den traditionellen Umweltpolitikern und -verbänden, die einen Verrat grüner Werte anprangerten. Doch die Debatte war damit nicht zu Ende.

„Die Grünen dürfen die Chancen der Gentechnik nicht länger ignorieren“, so der provokante Titel des Debattenbeitrags der Baden-Württembergischen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, der auch bei Spiegel-online erschien. Eine grundsätzliche Ablehnung sei „auch für Grüne kein kluger Weg“. Die CRISPR/Cas-Methode „ist hochpräzise und kann Gene und Genabschnitte sehr viel schneller und effizienter verändern als alles bisher Dagewesene.“ Den Kritikern der neuen Verfahren wirft Bauer eine „schiefe Argumentation“ vor, weil sie ignorierten, dass „die Risiken durch wahllos herbeigeführte Mutationen steigen, wie sie bei der klassischen Züchtung genutzt werden.“

Ein anderer Debattenbeitrag, verfasst von Paula Louise Pichotta , Ärztin an einer Universitätsklinik, und Till Westermayer, Sprecher der grünen Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaft, Hochschule und Technologiepolitik, kritisiert das „schwierige Verhältnis zwischen Grün und Wissenschaft.“ Grüne forderten Wissenschaftlichkeit gerne in den Themenfeldern ein, „in denen sie uns selbst zupass kommt - und in anderen nicht“ – und verweisen dabei ausdrücklich auf Gentechnik in der Landwirtschaft. Die Grünen sollten hier „ihre eigenen Positionierungen auf ein belastbares Fundament wissenschaftlicher Fakten stellen können.“

Inzwischen wird diese Diskussion auch öffentlich – vor allem auf Twitter – geführt. Eine Reihe junger Grüner, meist mit naturwissenschaftlichem Hintergrund, will die sture Verbots-Politik ihrer Partei nicht mehr akzeptieren. „Ich habe viele grünaffine Menschen in meinem Umfeld, die sehr darauf hoffen, dass wir unsere Positionen im Gebiet der Gentechnik ändern“, so eine Medizinstudentin und Mitglied im Landesvorstand der Grünen Schleswig-Holstein. Ein grüner Bioinformatiker beklagt das „wissenschaftliche Rosinenpicken“, ein „linksgrünprogressiver“ Kybernetiker streitet dafür, die CRISPR-Technologie „für kleinere Unternehmen, Unis und Institute zugänglich zu machen.“ (Beispiele für innergrüne Twitter-Debatten finden sich etwa >hier oder >hier, auch die harschen Reaktionen einiger Traditions-Grüner.)

„Wir wollen die Debatte um grüne Gentechnik ohne Dogmen und ideologische Voreinstellung neu beginnen und auf wissenschaftlicher Basis politisch argumentieren“, so der Kernsatz eines umfangreichen Antrags, den die Grüne Jugend Niedersachsen im Oktober beschloss. Auch wenn er später auf dem Landesparteitag in Celle scheiterte – das plakative Nein findet in der grünen Partei zwar weiter Mehrheiten, doch differenzierte, abwägende Positionen sind inzwischen nicht mehr zu überhören und können nicht mehr einfach ausgegrenzt werden.

Ganz ähnlich die Situation bei den Verbänden des ökologischen Landbaus: Auch hier wollen vor allem junge Öko-Landwirte deren rigorose Verbotspolitik nicht mehr kritiklos akzeptieren. Gerade Genome Editing-Verfahren könnten endlich neue Möglichkeiten eröffnen, um mit bestimmten Krankheitserregern fertig zu werden, die sie sonst mit problematischen Mitteln – etwa Kupferpräparaten im Kartoffelanbau – bekämpfen müssen.

Es sei durchaus im Sinne der Ziele des ökologischen Landbaus, die neuen Verfahren zu nutzen, „um Gene für Krankheitsanfälligkeit auszuschalten oder Resistenzgene aus der verwandten Wildpflanze wieder in moderne Sorten einzuführen.“ Vor zwei Jahren hatte Urs Niggli, wissenschaftlicher Direktor des FIBL (Forschungsinstitut für Biologischen Landbau) die Debatte losgetreten und sich in mehreren Interviews und Artikeln dafür ausgesprochen, die alten Tabus zu hinterfragen. Am 15. März 2019 hält er im Sauriersaal des Naturkundemuseums in Berlin einen öffentlichen Vortrag. Titel: „Gentechnik und Öko-Landwirtschaft – warum nicht.“

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