Abstimmung in Brüssel: Keine ausreichende Mehrheit gegen Gentechnik-Mais 1507

(11.02.2014) Die EU-Kommission wird in Kürze den Anbau des gentechnisch veränderten Maises 1507 in der EU erlauben. Bei der heutigen Abstimmung im Ministerrat sprach sich zwar eine Mehrheit der EU-Länder gegen die Zulassung aus, doch es reichte nicht zu der nach den EU-Verträgen erforderlichen qualifizierten Mehrheit von 260 Stimmen. Deutschland hat sich wie angekündigt enthalten. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass der 1507-Mais noch in diesem Jahr auf die Felder kommt. Die grundsätzlich gentechnik-kritischen Staaten werden nun alle Möglichkeiten nutzen, den Anbau bei sich zu verbieten.

Tonio Borg

EU-Verbraucherschutz- kommissar Tonio Borg: Die Mitgliedsstaaten haben sich nicht mit qualifizierte Mehrheit entscheiden können. Nun wird die EU-Kommission den Anbau von 1507-Mais zulassen.Foto: EU-Kommission

Mais, Befall Maiszünsler

Larven des Maiszünslers: Gegen diese und ähnliche Schädlinge bildet 1507-Mais Bt-Protein, einen bakteriellen Wirkstoff, der auch im ökologischen Landbau eingesetzt wird. Das zweite Merkmal des 1507-Maises, eine Herbizdresistenz, darf in Europa nicht genutzt werden, da das Herbizid im Maisanbau nicht mehr zugelassen ist.

Zulassung unter Bedingungen.

Der Entscheidungsvorschlag der Kommission sieht vor, den Anbau von 1507-Mais nur unter bestimmten Bedingungen zu erlauben, etwa:

Anbau unter Nutzung des Merkmals Herbizidtoleranz verboten

Anlage von Refugienflächen mit konventionellem Mais (mindestens zwanzig Prozent)

Überwachungsprogramme durch den Antragsteller in Bezug auf Resistenzbildung bei Schädlingen

Bei der Abstimmung heute im Rat für Allgemeine Angelegenheiten sprach sich eine große Mehrheit der EU-Länder gegen den Vorschlag der EU-Kommission aus, den gentechnisch veränderten 1507-Mais der beiden Agrokonzerne Pioneer und Dow AgroSciences unter bestimmten Auflagen für den landwirtschaftlichen Anbau in der EU freizugeben.

Deutschland wie auch Tschechien, Belgien, und Portugal enthielten sich. Für die Zulassung votierten Großbritannien, Spanien, Schweden, Finnland und Estland; dagegen stimmten Frankreich, Italien und weitere 17 Länder mit einem Stimmgewicht von 210 Stimmen. Damit wurde die für eine Ablehnung erforderliche qualifizierte Mehrheit von 260 Stimmen verfehlt.

Die Ablehnung wurde vor allem politisch begründet. Es sei der Öffentlichkeit nicht vermittelbar, wenn sowohl das Europäische Parlament wie auch die Mitgliedsstaaten mehrheitlich gegen eine Zulassung stimmten, diese aber aus juristischen Gründen dennoch erteilt werde. Dies trage zu einer weiteren Entfremdung zwischen den Europäischen Behörden und der Bevölkerung bei. Der Vertreter der Spanischen Regierung wies hingegen darauf hin, dass der 1507-Mais mehrfach auf seine Sicherheit geprüft worden sei und viele Landwirte in Spanien ihn nutzen wollten.

Nun ist die EU-Kommission nach den EU-Verträgen verpflichtet, den Anbau von 1507-Mais zu genehmigen. Sie muss eine Zulassung aussprechen, wenn die in den EU-Rechtsvorschriften dafür festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte sich mehrfach mit der Sicherheitsüberprüfung des 1507-Maises beschäftigt und war zu dem Ergebnis gekommen, dass er sich in Bezug auf Umwelt und Gesundheit nicht von herkömmlichen Sorten unterscheidet. Die Behörde hatte verschieden Maßnahmen vorgeschlagen, um vorsorglich den Schutz von Schmetterlingen zu erhöhen, da das in den Maispflanzen gebildete Bt-Protein für diese schädlich ist. Die Behörde schloss in ihrer Stellungnahme aus, dass infolge des 1507-Anbaus ganze Schmetterlingspopulationen gefährdet sein könnten.

Mit der Zulassung durch die Kommission ist das 1507-Saatgut noch längst nicht im Handel. Zunächst müssen die beiden Unternehmen den zusammen mit dem Antrag eingereichten Überwachungsplan anpassen. Damit soll insbesondere das mögliche Auftreten resistenter Schädlinge beobachtet werden. Erst nachdem die Mitgliedsstaaten über den geänderten Plan informiert und ihre Meinungen eingeholt worden sind, kann Spanien - dort wurde der ursprüngliche Antrag eingereicht - über den Plan entscheiden. Ist er genehmigt, müssen die aus den 1507-Mais hervorgegangenen Sorten in den spanischen Saatgutkatalog aufgenommen werden. Und erst wenn diese auch in den europäischen eingetragen sind, könnte 1507-Saatgut in anderen Ländern auf den Markt kommen - ganz sicher nicht mehr in diesem Jahr.

Verschiedene Länder - etwa Frankreich, Italien oder Österreich - haben bereits angekündigt, auch nach der europäischen Zulassung den Anbau von 1507-Mais auf ihrem Gebiet verbieten zu wollen. Es ist allerdings unklar, auf welcher Rechtsgrundlage solche Verbote ausgesprochen werden können. Bisher haben die Länder - wie etwa Deutschland im Fall des MON810-Maises - sich auf die Safeguard-Klausel berufen. Danach können europäischen Zulassungen ausgesetzt werden, wenn neue, bei der Zulassung noch nicht bekannte wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die Zweifel an der Sicherheit begründen. Da der 1507-Mais jedoch gerade und nach aktuellem wissenschaftlichem Erkenntnisstand zugelassen wurde, dürften es unter Berufung auf die _Safeguard-_Klausel schwer werden, ihn sofort wieder zu verbieten.

Nun kommt erneut ein alter, bereits mehrfach gescheiterter Vorschlag des damaligen Verbraucherschutzkommissars Dalli ins Spiel. Danach sollten die Mitgliedsstaaten auch nach der EU-Zulassung einer gv-Pflanze deren Anbau einschränken oder verbieten dürfen, wenn sie dafür politische oder „sozioökonomische“ Gründe anführen können. Doch selbst wenn nun eine Mehrheit der Staaten für eine Re-Nationalisierung stimmen würde, müssten die derzeitigen Rechtsvorschriften in einem komplizierten Verfahren - unter Beteiligung des EU-Parlaments - geändert werden.

Auch einige Bundesländer - vor allem die, die sich zur gentechnik-freien Region erklärt haben - wollen einen 1507-Anbau unterbinden. Denkbar ist, dass sie alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Koexistenz-Vorschriften beim Anbau so zu verschärfen, dass er für Landwirte praktisch nicht mehr in Frage kommt. In Regionen mit hohem Anteil an Öko-Betrieben oder mit einer kleinteiligen landwirtschaftlichen Struktur wie in Süddeutschland könnte ein Anbau von 1507-Mais so faktisch verboten werden.