Pflanzenforschung

Vielfältig, regional, nicht nur für den Weltmarkt. Wie die Gen-Schere CRISPR die Pflanzenzüchtung demokratisiert

Weltweit boomen Forschung und Entwicklung mit genom-editierten Pflanzen - weil neue Techniken wie die Gen-Schere CRISPR schnell, präzise und dazu noch kostengünstig sind. Das macht sie nicht nur für kleinere Unternehmen interessant, sondern auch für die internationale Agrarforschung, die sich um neue, angepasste Sorten für Kleinbauern in Entwicklungsländern kümmert. In der EU wird derweil noch darüber gestritten, ob die neuen Verfahren auch in Zukunft streng reguliert bleiben - und damit faktisch verhindert werden.

Entwicklungsstand von Genome-Editing-Anwendungeen (bei Pflanzen mit mehr als fünf GE-Projekten), JRC, 2021

Genome Editing bei wichtigen Kulturpflanzenarten: Die meisten Projekte befinden sich noch in einer frühen Forschungsphase, nur wenige schon kurz vor der Kommerzialisierung.

Genome-Editing-Anwendungen bei Pflanzen, nach Merkmalen und Entwicklungsstand, JRC, 2021

Züchtungsziele: Veränderte Inhaltsstoffe sowie Resistenzen gegen Krankheiten und Schädlinge liegen weit vorne, gefolgt von Ertragssteigerung und Stresstoleranz.

Großes Foto oben: iStock

Im Frühjahr 2021 erschienen, ist es noch immer die umfassendste Studie über den Stand der Nutzung neuer Züchtungsverfahren wie der Gen-Schere CRISPR/Cas: Die Gemeinsame Forschungsstelle der EU (JRC, Joint Research Center) wertete dafür nicht nur die verfügbare wissenschaftliche Literatur aus, sondern darüber hinaus zahlreiche Experten aus der ganzen Welt befragt - sowohl aus Zulassungsbehörden, als auch aus Unternehmen und öffentlichen Institutionen, die genom-editierte Pflanzen entwickeln.

Der Auftrag dafür kam von der EU-Kommission. Die vom JRC erhobenen Daten Daten flossen in deren großen Bericht über neue „genomische“ Züchtungstechnologien ein. Er ist die Grundlage für die überfällige wissenschaftliche und rechtliche Neubewertung dieser Verfahren in der EU.

Demnach sind 426 Genome Editing-Anwendungen bei über 70 verschiedenen Pflanzenarten weltweit in Bearbeitung. Das wichtigste Werkzeug ist dabei mit großem Abstand die Gen-Schere CRISPR/Cas. Mehr als 70 Prozent aller Projekte arbeiten damit.

Die meisten Projekte stammen federführend aus den USA (154), gefolgt von China (86). Die Autoren der JRC-Studie räumen allerdings ein, dass es in Bezug auf China Datenlücken gibt und die tatsächliche Anzahl vor allem schon recht weit fortgeschrittener Genome-Editing-Anwendungen weitaus höher liegen könnte. In Europa hat Deutschland mit 37 Projekten die Nase vorn, gefolgt von Frankreich.

Zwar befinden sich die allermeisten Genome-Editing-Projekte (292) noch im Anfangsstadium der Forschung, aber über 130 bereits in einer fortgeschritten Phase. Als die JRC-Studie erschien, wurde erst eine genom-editierte Pflanze kommerziell genutzt. Im Frühjahr 2018 begann in den USA der Anbau einer Sojabohne, deren Fettsäureprofil mit der Genome Editing-Methode TALEN verändert wurde ( Calyxt). Sie enthält weniger gesättigte Fettsäuren, dafür deutlich mehr der gesundheitlich wertvolleren Ölsäure. 2020 wuchsen die editierten Sojabohnen bereits auf 40.000 Hektar. Besondere Bestimmungen wie für herkömmliche Gentechnik-Pflanzen gelten in den USA für sie nicht, das Speiseöl (Calyno) muss nicht gekennzeichnet werden.

Als kurz vor der Kommerzialisierung stehend, werden 16 genom-editierte Pflanzen genannt. Darunter befinden sich einige, die schon vorher mit klassischer Gentechnik mit demselben Merkmal ausgestattet wurden, z. B. Kartoffeln der Firma Simplot, die weniger druckempfindlich sind und beim Bräunen weniger Acrylamid bilden. Andere wurden dank der neuen Verfahren erstmals bearbeitet, etwa herbizidresistente Straucherbsen oder Flachs und Leindotter mit veränderter Fettsäurezusammensetzung. Oder sie weisen neue Merkmale auf wie etwa eine Tomate, die fünfmal so viel Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) enthält, einen wichtigen Botenstoff im Körper, der entspannend und Blutdruck senkend wirken soll. Die CRISPR-Tomate wurde von einem japanischen Startup-Unternehmen entwickelt und ist in Japan bereits für Anbau und Verzehr zugelassen.

Fünfzig der Genome-Editing-Projekte werden in Entwicklungs- und Schwellenländern oder unter Beteiligung solcher Länder durchgeführt. Hauptanliegen ist hier, Lösungen zu finden gegen Pflanzenkrankheiten und –schädlinge, die für enorme Ernteverluste sorgen. So arbeiten etwa in Nigeria Wissenschaftler am International Institute of Tropical Agriculture (IITA) daran, mit Hilfe von CRISPR/Cas Bananen resistent gegen das Banana streak virus sowie auch gegen verschieden Bakterien- und Pilzerkrankungen zu machen. Weitere vorrangige Züchtungsziele sind ein verbesserter Nährwert, etwa die Anreicherung mit Vitaminen, sowie die Stresstoleranz bei Trockenheit, Hitze und versalzten Böden.

Gemone Editing: Besseres Saatgut für vernachlässigte Kulturarten

Da die Entwicklung genom-editierter Pflanzen deutlich weniger aufwändig und kostengünstiger ist als mit klassischer Gentechnik, wird es auch für kleinere Züchtungsunternehmen möglich, neue, an regionale Bedingungen angepasste Sorten zu entwickeln. Und es lohnt sich, auch solche Pflanzen züchterisch zu verbessern, die nicht überall auf der Welt ausgebracht werden und deswegen für internationale Konzerne kaum von Interesse sind. Sogenannte „Orphan Crops“ wie Hirse, Cassava, Süßkartoffel oder Kichererbsen, die meist von Kleinbauern angebaut werden, spielen zwar keine große Rolle auf dem Weltmarkt, sind aber für die Ernährungssicherheit in Ländern mit niedrigem und mittleren Einkommen von großer Bedeutung.

Wie wichtig die neuen Verfahren sind, um gerade die bisher vernachlässigten Kulturarten zu verbessern und so zu einer „Diversifizierung landwirtschaftlicher Systeme in benachteiligten Regionen“ beizutragen, unterstreicht ein aktueller Bericht im Wissenschaftsmagazin Nature (April 2022). „Die weit verbreitete Zugänglichkeit von Genome Editing-Technologien bedeutet, dass sie von Einrichtungen der öffentlichen Agrarforschung genutzt werden können, um besseres, frei erhältliches Saatgut zu entwickeln, das für den gewinnorientierten Privatsektor unattraktiv ist.“

Der Nature-Artikel führt zahlreiche Genome Editing-Projekte an, die aktuell in den CGIAR-Zentren (Consultative Group for International Agricultural Research, CGIAR) laufen. Bearbeitet werden Reis, Weizen, Mais, Cassava, Kartoffeln und Banane, es geht um Resistenzen gegen verschiedene Krankheiten, bessere Stickstoffverwertung und eine Reduktion gefährlicher Inhaltsstoffe. Einige Projekte befinden sich bereits in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium. Die 15 CGIAR-Zentren mit jeweils verschiedenen Forschungsschwerpunkten liegen vor allem Afrika, Südostasien und Lateinamerika.

US-amerikanische Agrarökonomen haben die Vorteile der neuen Züchtungsverfahren im Vergleich zu den klassischen Gentechnik-Methoden untersucht. Sie fanden heraus, dass die Züchtung einer neuen Sorte mit Gentechnik im Schnitt acht Jahre in Anspruch nimmt, bei den Genome-Editing-Methoden dauert es nur fünfeinhalb Jahre. Die Risiken gerade in frühen Forschungsphasen sind deutlich geringer. Die Erfolgsquote liegt mit Genome Editing bei rund 25 Prozent, mit klassischer Gentechnik bei etwa fünf Prozent. Das führt zu einer erheblichen Kostenersparnis. Während für die Entwicklung einer neuen Sorte mit klassischer Gentechnik rund 76 Millionen US-Dollar benötigt werden, sind es bei Anwendung von GE-Verfahren nur zwölf Millionen.

Damit sich die Investitionen rechnen, müssen - unter Einbeziehung einer durchschnittlichen Gewinnmarge - klassisch gentechnisch veränderte Pflanzen auf 25 Millionen Hektar angebaut werden, genom-editierte Pflanzen benötigen hingegen nur 930.000 Hektar, das sind gerade mal vier Prozent der bei klassischer Gentechnik erforderlichen Fläche. Diese Berechnung setzt allerdings voraus, dass genom-editierte Pflanzen wie konventionell gezüchtete Pflanzen eingestuft werden und nicht einer strengen Gentechnik-Gesetzgebung unterliegen. Käme ein teurer Zulassungsprozess hinzu, würde sich die benötigte Anbaufläche zwar um 75 Prozent erhöhen, läge aber immer noch weit unterhalb (etwa 7 Prozent) der erforderlichen Fläche für eine mit klassischer Gentechnik erzeugte Pflanze.

In der Wissenschaft ist es weitgehend Konsens, dass genom-editierte Pflanzen, in die keine Fremd-DNA eingeführt wurde und die auch „natürlicherweise“ so hätten entstehen können, genauso eingestuft werden sollten wie Pflanzen, die mit herkömmlichen Methoden gezüchtet wurden.

Viele Länder haben ihre gesetzlichen Bestimmungen bereits entsprechend reformiert. Auch die EU will nun endlich die veralteten Gentechnik-Gesetze „an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt anpassen“. Mitte 2023 wird die EU-Kommission einen ersten konkreten Vorschlag dazu vorlegen.

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