In England und vielen anderen Ländern: Kaum noch Auflagen für Pflanzen aus Präzisionszüchtung
Zahlreiche Länder auf allen Kontinenten haben bereits umgesetzt, worüber die Europäische Union seit Jahren streitet: Einen eigenen, angepassten Rechtsrahmen für Pflanzen, die mit neuen genomischen Verfahren gezüchtet wurden. Gerade ist in England die letzte Stufe eines 2023 beschlossenen Gesetzes in Kraft getreten, das einfache genom-editierte Pflanzen aus den restriktiven Gentechnik-Regeln herausnimmt. Freilandversuche, Anbau und Vermarktung solcher Pflanzen sind nun weitgehend freigegeben. (Mit einer Länderübersicht zur Neu-Regulierung von genom-editierten Pflanzen.)
Nach dem Austritt aus der Europäischen Union hatte Großbritannien beim Umgang mit genom-editierten Pflanzen die neuen Spielräume genutzt, die sich mit dem Austritt aus der Europäischen Union eröffneten hatten, und sich vom zögernden Hin und Her des EU-Gesetzfindungsprozesses abgekoppelt.

Weizen aus Präzisionszüchtung im Freiland: Weniger Bürokratie, mehr Freiheiten für die Pflanzenforschung.
Als Sofortmaßnahme beschloss das Parlament in London, dass Freilandversuche mit Pflanzen aus „Präzisionszüchtung“ – in der EU als Neue genomische Techniken (NGT) bezeichnet – nur noch angemeldet werden müssen. Englische Forschungseinrichtungen konnten von da an genomeditiertes Pflanzenmaterial im Freiland testen, ohne langwierige Genehmigungen wie sie in der EU noch immer vorgeschrieben sind.
Parallel dazu begannen Regierung und Parlament mit den Beratungen eines eigenen Gesetzes für Präzisionszüchtung (Precision Breeding Act), das im März 2023 in Kraft trat. Es nimmt genom-editierte Pflanzen und Tiere aus den Geltungsbereich des britischen Gentechnik-Gesetzes heraus, wenn dabei keine Fremd-Gene ins Genom eingeführt wurden und deren neuen Eigenschaften auch durch zufällige natürliche Mutationen oder mit konventioneller Züchtung hätten entstehen können.
Im November 2025 folgte noch eine das Gesetz ergänzende Verordnung (Precision Breeding Regulations), die im einzelnen Zulassung, Anbau und Vermarktung von Saatgut und pflanzlichen Produkten aus Präzisionszüchtung regelt.
Dazu müssen Anträge beim Landwirtschaftsministerium (Department for Environment, Food and Rural Affairs) eingereicht werden. Die zuständige Fachbehörde (Food Standards Agency) prüft, ob die jeweilige genom-edierte Pflanze die gesetzlichen Kriterien erfüllt, damit sie nicht mehr unter das Gentechnik-Gesetz fällt, und führt eine „verhältnismäßige Risikobewertung“ durch. Alle relevanten Informationen werden in einem öffentlichen Register zugänglich gemacht.
Auch für Lebens- und Futtermittel aus für die Vermarktung freigegebenen genom-editierten Pflanzen werden in ein öffentliches Register (Food and feed marketing authorisations register) eingetragen. Besondere Regeln beim Anbau und für die Kennzeichnung der Produkte gibt es nicht. Diese Verordnung betrifft vorerst nur Pflanzen, entsprechende Regeln für Tiere aus Präzisionszüchtung und deren Produkte sollen folgen.
Rothamsted Research, das führende britische Agrar- und Pflanzenforschungsinstitut, begrüßte die neuen „ermöglichenden Vorschriften“ als „positiv und spannend“. „Die präzisionsgezüchteten Pflanzen, die wir entwickeln, haben nun eine echte Chance, zu kommerziellen Produkten zu werden.“ Am Rothamsted-Institut wurden etwa Gerste, Weizen und Camelina (Leindotter) mit Präzisionstechnik editiert und so mit neuen, oft gesundheitsfördernden Eigenschaften versehen.
Das neue Gesetz – Precision Breeding Act und Regulation – ist zunächst nur in England gültig. Schottland und Wales haben bisher noch nicht zugestimmt.
Weltweit: Mehr Freiheiten für Neue genomische Züchtungstechniken
Zahlreiche Länder – darunter die großen Agrarexporteure in Süd- und Nordamerika, aber auch zahlreiche asiatische – haben inzwischen die Regeln für Zulassung und Anbau genom-editierter Pflanzen angepasst. Diese werden nicht mehr pauschal den Gesetzen unterworfen, die seit vielen Jahren für gentechnisch veränderte Pflanzen gelten. Im Kern orientieren sich dabei fast alle Länder am breiten wissenschaftlichen Konsens, wie er sich in den letzten Jahren herausgebildet hat.
- Ist in einer genom-editierten Pflanze keine Fremd-DNA vorhanden und hätte sie auch unter natürlichen Bedingungen durch zufällige Mutationentstehen können, ist sie eher wie eine klassisch gezüchtete Pflanze zu bewerten. Besondere Risiken, die mit den neuen Verfahren verbunden sind, gibt es danach nicht.
- Sind jedoch mit Hilfe von Genome Editing-Verfahren neue Gene oder größere DNA-Abschnitte ins Genom eingefügt worden, gelten solche Pflanzen in der Regel als GVO und fallen unter die Gentechnik-Gesetze. Sie müssen den gleichen Sicherheitsanforderungen genügen und die gleichen Zulassungs- und Kennzeichnungsauflagen erfüllen.
Einige Länder haben editierte Pflanzen ohne neu eingeführtes Gen-Material ganz freigegeben, die meisten haben sich für ein Fall-zu-Fall-Verfahren entschieden: Forschungsinstitute oder Unternehmen, die eine genom-editierte Pflanze im Freiland testen oder sie als Saatgut auf den Markt bringen wollen, müssen gegenüber den Zulassungsbehörden darlegen, ob die Voraussetzungen für eine Deregulierung zutreffen (siehe Tabelle unten).
Nach Nigeria hat Kenia als zweites afrikanisches Land eigene Richtlinien für genom-editierte Pflanzen in Kraft gesetzt. Auch hier soll fallweise entschieden werden, ob eine neu entwickelte genom-editierte Pflanzen freigegeben wird oder besonderen Auflagen unterliegt. In Kenia laufen einige Forschungsprojekte zu regional wichtigen Kulturpflanzen wie Sorghum (Hirse), Bananen oder Mais. Ziele sind Resistenzen gegen ortstypische Krankheiten und Schädlinge sowie eine verbesserte Dürretoleranz. Auch Ghana und Malawi haben sich für eine fallweise Zulassung entschieden.
Länderübersicht:
(De-) Regulierung von genom-editierten Pflanzen (Stand: Mai 2024)
| Europa (nicht-EU) | England | Einfache GE-Pflanzen sind von den GVO-Regeln ausgenommen. Für Freilandversuche sowie für kommerziellen Anbau und Vermarktung der Produkte sind jeweils Anmeldeverfahren vorgeschrieben. Relevante Informationen werden veröffentlicht. | |
| Schweiz | GE-Pflanzen sollen nicht mehr unter das weiter geltende Moratorium für GVO-Pflanzen fallen. 2026 soll ein „risikobasiertes Zulassungsverfahren“ für GE-Pflanzen beschlossen werden. | ||
| Norwegen | Fallweise Regulierung für GE-Pflanzen in Vorbereitung. | ||
| Nord- und Südamerika | USA | GE-Pflanzen sind konventionell gezüchteten Pflanzen gleichgesetzt. | |
| Kanada | GE-Pflanzen sind frei, sofern sie keine neuartigen Merkmale besitzen. | ||
| Chile, Costa Rica | Freigabe für GE-Pflanzen | ||
| Brasilien, Argentinien, Equador, Kolumbien, Paraguay, Honduras, Guatemala | GE-Pflanzen sind von den GVO-Regeln ausgenommen. Fallweise Überprüfung der Voraussetzungen. | ||
| Asien | China | Spezifische Regeln für die Zulassung von GE-Pflanzen. | |
| Indien | GE-Pflanzen sind von GVO-Regeln ausgenommen, wenn nachweislich transgen-frei. | ||
| Philippinen | GE-Pflanzen sind von GVO-Regeln ausgenommen. Produkte werden nach Überprüfung zertifiziert. | ||
| Indonesien | GE-Pflanzen sind von GVO-Regeln ausgenommen, wenn sie keine Fremd-DNA enthalten. | ||
| Japan | GE-Pflanzen der Kategorie SDN-1 sind von GVO-Regeln ausgenommen. Registrierung erforderlich. | ||
| Südkorea | GE-Pflanzen, in die kein Fremd-Gen eingefügt wurden, sind von GVO-Regeln ausgenommen. (vorläufige Regelung, 2021) | ||
| Israel | Freigabe für GE-Pflanzen | ||
| Afrika | Nigeria, Kenia, Ghana, Malawi | GE-Pflanzen sind von den GVO-Regeln ausgenommen. Fallweise Überprüfung der Voraussetzungen. | |
| Australien | Australien | GE-Pflanzen der Kategorie SDN-1 sind von GVO-Regeln ausgenommen. |
Als GE-Pflanzen werden in der Tabelle genom-editierte Pflanzen bezeichnet, die mit neuen Züchtungsverfahren der Kategorien SDN-1 und SDN-2 (Site-Directed Nuclease) entwickelt wurden.
SDN-1: Zunächst wird ein zielgerichteter Bruch des DNA-Doppelstrangs herbeigeführt. Bei der anschließender Reparatur der Bruchstelle sind zufällige Mutationen oder Sequenzverluste (Deletionen) möglich.
SDN-2: In die Zelle wird eine kleine DNA-Sequenz eingeführt, die der Zielsequenz bis auf die gewünschte Veränderung genau entspricht. Bei der Reparatur der Bruchstelle dient sie als Vorlage und wird in die Ziel-DNA eingefügt. Wie bei SDN-1 sind die damit erzeugten Pflanzen transgen-frei.
SDN-3: An der Bruchstelle werden neue Gene oder größere DNA-Sequenzen eingefügt. Solche Pflanzen werden weiterhin als GVO angesehen und den Gentechnik-Gesetzen unterworfen.
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Themen
Im Web
- Legislation.gov.uk; Genetic Technology (Precision Breeding) Act 2023
- Legislation.gov.uk; The Genetic Technology (Precision Breeding) Regulations 2025
- Precision Breeding regulations signed into law by UK Government; Rothamsted welcomes final step in establishing a practical and progressive framework for the regulation and commercialisation of gene edited crops; 13 May 2025
- Gene Editing and New Breeding Techniques: Regulations, Ratings and Index; Genetic Literacy Project
- Sprink T. et al. (2022): Genome editing around the globe: An update on policies and perceptions. Plant Physiology 190(3)
- Marcel Buchholzer, Wolf B. Frommer, An increasing number of countries regulate genome editing in crops; New Phytologist, 23 June 2022
- Crystal Turnbull et al; Global Regulation of Genetically Modified Crops Amid the Gene Edited Crop Boom – A Review; Front. Plant Sci., 24 February 2021
- Joan Concrow, Kenya publishes guidelines specific to gene editing;Alliance for Science, 16 March 2022
- Fei Yang et al; China’s regulatory change toward genome-edited crops; Trends in Biotechnology, Juky 2024
- India eases release of genome editing norms; experts say move will help breeders and researchers; The Indian Express, 31 March 2022

