Weizen

Gentechnisch veränderte Pflanzen: Vom Labor ins Freiland

Ganz gleich, ob bei wissenschaftlichen Versuchen oder beim kommerziellen Anbau: Jede Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen in die Umwelt ist genehmigungspflichtig.

Mit gentechnischen Verfahren können einzelne, aus anderen Organismen stammende Gene gezielt in das Erbgut einer Pflanze übertragen werden. Unter normalen Bedingungen ist das in der Natur nicht möglich. Aus diesem Umstand leitet sich grundsätzlich der Vorbehalt ab, dass von solchen „gentechnisch veränderten Organismen“ (GVO) negative Wirkungen auf die Umwelt ausgehen könnten.

Arabidopsis Modellpflanzen

Im geschlossenen System. Pflanzenforschung mit gentechnischen Verfahren darf nur in Laboren und Gewächshäusern durchgeführt werden, die bestimmte technische Standards erfüllen. Arbeiten mit gv-Pflanzen finden in der Regel in Räumen der Sicherheitsstufe 1 statt.

Weizen

Genehmigung unter Auflagen. Bei gv-Pflanzen, bei denen man noch wenig praktische Erfahrungen hat, sind die Sicherheitsauflagen am Anfang hoch. Foto: Versuch mit gv-Weizen mit Netzen gegen Vögel.

Daher schreibt der Gesetzgeber immer ein Genehmigungsverfahren vor, wenn gv-Pflanzen in die Umwelt freigesetzt werden. Nur wenn der Vorbehalt entkräftet werden kann und nach dem Stand des Wissens keine besonderen Umweltrisiken zu erkennen sind, wird eine Erlaubnis zur Freisetzung erteilt.

Die gesetzliche Grundlage dafür ist die „EU-Richtlinie über die absichtliche Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt (2001/18)“. Alle EU-Mitgliedstaaten haben sie in nationales Recht umgesetzt, in Deutschland mit dem Gentechnik-Gesetz.

Prüfung von Freilandversuchen: Case by case und step by step

Bei der Entwicklung von gentechnisch veränderten Pflanzen werden die meisten Arbeitschritte in „geschlossenen Systemen“ durchgeführt. Das sind Räume oder Gewächshäuser mit besonderen Sicherheitsstandards.

Sind bestimmte Gene für ein neues Merkmal identifiziert, müssen diese zunächst auf Pflanzenzellen übertragen und dort stabil in das Erbgut integriert werden. Waren die Wissenschaftler - oft erst nach vielen Versuchen - erfolgreich, müssen sie noch dafür sorgen, dass das neue Protein, welches das gewünschte neue Merkmal vermittelt, in den Pflanzenzellen in den richtigen Mengen gebildet wird. Erst wenn das gelungen ist und aus einem Übertragungsereignis – auch Event genannt - genug junge Pflänzchen hervorgegangen sind, kann man den Schritt ins Freiland wagen.

Im Labor oder Gewächshaus können erste Daten über Verhalten und Eigenschaften der neuen gv-Pflanze gewonnen werden. Doch erst im Freiland zeigt sich, wie sie sich im Feld bei Wind und Wetter verhält, ob sie tatsächlich „funktioniert“ und ihren Zweck erfüllt. Auch viele Sicherheitsaspekte lassen sich unter freiem Himmel oder in gewachsenem Boden besser und realitätsnäher untersuchen als im Labor.

Um abschätzen zu können, wie sich eine neu entwickelte Pflanze auf die Umwelt auswirkt, muss man anfangs auf Erfahrungen mit ähnlichen Pflanzen oder Merkmalen und auf biologisches Grundwissen zurückgreifen. Präzise Daten gibt es noch nicht. Für die ersten Freilandversuche verlangen die Behörden daher meist hohe Sicherheitsauflagen: Etwa Zäune oder Netze, um Tiere abzuhalten, Abstandsflächen oder „Fängerpflanzen“, die Pollen sammeln.

Festgelegt wird auch, was mit den gv-Pflanzen nach Ende des Versuchs geschieht. Zwar ist eine völlige Abschirmung des Versuchs gegenüber der Umwelt nicht möglich. Das schrittweise Vorgehen ermöglicht es jedoch, unter kontrollierten Bedingungen mehr Erfahrungen zu gewinnen. Nach und nach werden die Sicherheitsauflagen gelockert. Die Versuchsflächen werden größer, es kommen neue Freisetzungs-Standorte hinzu.

Von Beginn an wird in diesen Testreihen auch Sicherheitsfragen untersucht: Etwa, ob die gv-Pflanze mit ihrem neuen Merkmal Tiere und Pflanzen schädigt, die Umwelt belastet oder die Bodenfruchtbarkeit mindert. Solche Daten werden in verschiedenen Regionen und Ökosystemen gesammelt. Sie sind Voraussetzung dafür, dass eine gentechnisch veränderte Pflanze für den kommerziellen Anbau zugelassen werden kann.

Genehmigung durch die zuständige nationale Behörde

Für jede einzelne Freisetzung einer gv-Pflanze in die Umwelt ist eine Genehmigung erforderlich. Der Antrag wird bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaates eingereicht, in dem die Freisetzung stattfinden soll. In Deutschland ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zuständig.

Aus den Unterlagen muss hervorgehen, dass die Freisetzung der jeweiligen gv-Pflanze nicht die Umwelt und die umgebenden Ökosysteme gefährdet. Anhand des Antrages entscheidet die zuständige Behörde innerhalb von 90 Tagen, ob die Freisetzung genehmigt werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass wenn dem Stand der Wissenschaft keine „unvertretbaren schädlichen Einwirkungen“ zu erwarten sind. In der Regel schreiben die Behörden bestimmte Auflagen vor, etwa eine Abschirmung des Versuchsfeldes oder eine Nachbeobachtung der Freisetzungsfläche in den nachfolgenden Jahren.

Wenn mit einer bestimmten gv-Pflanze genügend Erfahrungen gesammelt worden sind, ist eine Anmeldung nach einem „vereinfachten Verfahren“ möglich. Danach kann die gv-Pflanze an verschiedenen Orten über mehrere Jahre freigesetzt werden. Eine Genehmigung der jeweiligen Einzelversuche ist dann nicht mehr erforderlich.

Bei allen Freisetzungsvorhaben muss die Öffentlichkeit informiert und angehört werden. Innerhalb einer angemessenen Frist können Einzelpersonen oder Gruppen Stellungnahmen abgeben.

In Deutschland müssen alle Flächen, auf denen gv-Pflanzen wachsen, in ein öffentliches Standortregister eingetragen werden. Das gilt auch für Freisetzungsversuche.