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Die Wissenschaft ist sich einig: Keine Angst vor Gentechnik-Pflanzen

Gentechnisch veränderte Pflanzen sind nicht „automatisch“ gefährlicher als herkömmliche, so das Ergebnis einer systematischen Auswertung von 1800 wissenschaftlichen Publikationen aus zehn Jahren. Nur weil bei ihrer Entwicklung gentechnische Verfahren genutzt wurden, gehen von einer Pflanze keine besonderen Gefahren für Umwelt und Gesundheit aus. In der Wissenschaft ist das weitgehend Konsens - und deckt sich mit den langjährigen Erfahrungen beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen.

1996 kamen in den USA die ersten gentechnisch veränderten (gv-) Nutzpflanzen auf den Markt. Seitdem werden hauptsächlich gv-Pflanzen mit den Merkmalen Herbizidtoleranz und Schädlingsresistenz angebaut, mittlerweile auf jährlich über 190 Millionen Hektar weltweit.

Von Anfang an wurden Pflanzen, sofern mit Hilfe gentechnischer Verfahren entwickelt, in der Öffentlichkeit heftig kritisiert, vor allem weil grundsätzliche Zweifel an ihrer Sicherheit bestanden. Welche Folgen eine Freisetzung von gv-Pflanzen für Natur und Ökosysteme haben könne, sei „unvorhersehbar“, hieß es. Einmal in die Umwelt ausgebracht, seien gv-Pflanzen „nicht rückholbar“. Daraus gewonnene Lebensmittel brächten gesundheitliche Gefahren mit sich, vor allem Langzeitrisiken seien nicht erforscht.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist eine pauschale Ablehnung gentechnisch veränderter Pflanzen aus Sicherheitsgründen nicht haltbar.

Leopoldina Nationale Akademie der Wissenschaften; Thema im Fokus: Grüne Gentechnik (2021)

Wissenschaftlicher Konsens auf Basis von 1800 Einzelstudien

Bis heute haben sich diese Befürchtungen gehalten, immer wieder werden sie gegen gv-Pflanzen und daraus hergestellte Lebensmittel vorgebracht. Obwohl solche Pflanzen inzwischen seit mehr als 25 Jahren ohne Schäden angebaut worden sind, ohne dass es zu Schäden gekommen wäre. In großen Studien und zahlreichen haben Wissenschaftler untersucht, ob von gv-Pflanzen tatsächlich besondere Gefährdungen für Umwelt und Gesundheit ausgehen. Die Ergebnisse sind eindeutig.

2014 veröffentlichte ein Team der Universität Perugia (Italien) eine systematische Auswertung der bis dahin publizierten Forschungsergebnisse. Es ist die bis heute wohl umfangreichste Metastudie dazu. Um herauszufinden, ob es „einen wissenschaftlichen Konsens gibt, der sich mit dem weltweiten Anbau von gv-Pflanzen herausgebildet hat“, wertete die Gruppe die öffentlich zugänglich Literatur zu allen sicherheitsrelevanten Fragen aus, „die in der Debatte um gv-Pflanzen auftauchen“ - insgesamt 1783 Publikationen, sowohl zu einzelnen Forschungsprojekten als auch Reports und zusammenfassende Artikel. Alle wurden zwischen 2002 und 2012 veröffentlicht.

Gefährden gv-Pflanzen die Artenvielfalt?

Zahlreiche solcher Einzelstudien beschäftigten sich mit den Auswirkungen von gv-Pflanzen auf Biodiversität und Artenvielfalt. Die meisten insektenresistenten gv-Pflanzen produzieren so genannte Bt-Proteine, bakterielle Wirkstoffe, die gegen bestimmte Schadinsekten gerichtet sind und diese abtöten. Doch die Befürchtungen vieler Naturschützer, dass solche gv-Pflanzen mit ihren Bt-Proteinen auch Nicht-Zielorganismen schädigen und so etwa andere Insektenarten oder Bodenorganismen dezimieren könnten, bestätigten die allermeisten Studien nicht. Auch eine neuere, 2022 publizierte Metastudie des schweizerischen Forschungsinstituts Agroscope und des Department of Agriculture in den USA kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Bt-Mais hat nur geringe Auswirkungen auf Nicht-Zielorganismen.

Im Gegenteil: oft wirken die in gv-Pflanzen gebildeten Bt-Proteine weitaus „zielgenauer“ als etwa chemische Pflanzenschutzmittel, die in der Regel nicht nur den jeweiligen Schädling treffen, sondern weitere Tier- und Pflanzenarten. Ganz ähnlich die Ergebnisse der öffentlich geförderten biologischen Sicherheitsforschung in Deutschland: Allein 55 Projekte untersuchten mögliche Umwelteffekte von gv-Mais. Anzeichen für Schäden, die über das Niveau bei gleichartigen konventioneller Pflanzen hinausgehen, fanden sich nicht.

Anders sind die Begleitfolgen herbizidtoleranter gv-Pflanzen zu bewerten: Genau wie die mechanische Unkrautregulierung hat jeder Einsatz von Herbiziden das Ziel, die Konkurrenten der jeweiligen Nutzpflanzen zurückzudrängen - auf Kosten der Biodiversität. Einige Studien belegen dabei den relativen Vorteil von herbizidtoleranten gv-Pflanzen: Beim Anbau konventioneller Pflanzen werden in der Regel mehr und oft giftigere Herbizide gespritzt. Allerdings, auch das zeigt die Metastudie, können Anbauformen mit gv-Pflanzen die gute fachliche Praxis des integrierten Pflanzenschutzes nicht ersetzen, sondern nur ergänzen.

Was ist, wenn gv-Pflanzen auskreuzen? Oder ihre Gene von Mikroorganismen aufgenommen werden?

Ein weiteres Forschungsthema vieler Einzelstudien ist der Genfluss – sowohl durch Kreuzung mit verwandten Arten als auch durch Aufnahme von DNA durch Bodenbakterien. Letzteres wurde vor allem im Zusammenhang mit Antibiotikaresistenz-Genen untersucht. Diese wurden lange Zeit bei der Entwicklung von gv-Pflanzen als Marker eingesetzt, mit deren Hilfe man überprüfen konnte, ob die Übertragung von Genen erfolgreich war. Heute werden sie meistens nachträglich wieder entfernt. Dass solche Resistenz-Gene bei der Verrottung der Pflanzen von Bodenbakterien aufgenommen werden und so zu einer weiteren Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen beitragen könnten, hat sich als äußerst unwahrscheinliches Ereignis herausgestellt, das unter idealen Laborbedingungen zwar grundsätzlich möglich ist, im Freiland aber nicht nachgewiesen werden konnte.

Der Genfluss von gv-Pflanzen zu verwandten Wildpflanzen ist dagegen möglich und konnte in Einzelfällen auch beobachtet werden. Negative Effekte auf die Umwelt wie eine invasive Ausbreitung solcher Wildpflanzen wurden aber in keinem Fall gefunden. Die Autoren der Metastudie verweisen darauf, dass seit langem bekannt ist, dass der Genfluss zwischen Kulturarten und verwandten Wildarten die Biodiversität beeinflussen kann, unabhängig vom Einsatz der Gentechnik.

Für die Risikobewertung neuer Pflanzenzüchtungen sollten die spezifischen Eigenschaften (…) im Mittelpunkt stehen und weniger die Methoden, mit denen sie erzeugt wurden. Dies würde zu einer Versachlichung der öffentlichen Debatte (…) auch über die Grüne Gentechnik insgesamt beitragen und wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen Rechnung tragen.

Gemeinsame Stellungnahme von: Leopoldina Nationale Akademie der Wissenschaft, Acatech, Union der Deutschen Akademien der Wissenschaft (2015)

Lebens- und Futtermittel aus gv-Pflanzen: Sind sie auf Dauer wirklich sicher?

Bei der Verwendung von gv-Pflanzen als Lebens- und Futtermittel ist vielfach untersucht worden, ob die gentechnische Veränderung zu einer veränderten stofflichen Zusammensetzung der jeweiligen Pflanze führt. Alle in der Metastudie ausgewerteten Untersuchungen zeigen, dass gv-Pflanzen äquivalent zu ihren konventionellen Ausgangspflanzen sind, was etwa den Gehalt an Nährstoffen, Vitaminen und toxischen Substanzen angeht. Im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Zulassungsverfahren wird diese substanzielle Äquivalenz überprüft. Dazu werden bestimmte, vorher ausgewählte Pflanzeninhaltsstoffe gemessen und verglichen. Um auch „unerwartete Effekte“ für die gesundheitliche Sicherheit zu finden, werden oft Fütterungsversuche meist mit Nagetieren durchgeführt.

Ein großes Forschungsthema ist schließlich die Frage, ob die mit gentechnischen Verfahren eingeführten DNA- oder RNA-Sequenzen in den Organismen, die gv-Pflanzen als Futter- oder Lebensmittel verzehren, biologisch aktiv werden könnten. Nach Auswertung zahlreicher Studien zu diesem Thema kommen die Autoren der Metastudie zu dem Schluss, dass das Risiko genauso vernachlässigbar ist wie bei der Aufnahme von DNA und RNA aus konventionellen Nahrungs- und Futtermitteln. Der weitaus größte Teil dieser Moleküle wird bei der Verdauung so weit degradiert und abgebaut, dass die biologische Aktivität verlorengeht. In den seltenen Fällen, in denen intakte DNA-Fragmente aus der Nahrung in inneren Organen gefunden wurden, konnte keine damit verbundene Veränderung oder gar Schädigung nachgewiesen werden.

In gv-Pflanzen neu einführte oder modifizierte Proteine könnten toxische oder allergieauslösende Effekte haben. Auch dazu sind zahlreiche Untersuchungen gemacht worden. Nach der zusammenfassenden Auswertung der Metastudie ist dieses Risiko jedoch nicht größer als beim Verzehr von konventionellen Nahrungsmitteln. Bis dahin habe es erst zwei Fälle gegeben, in denen eine allergene Wirkung von Proteinen aus gv-Pflanzen näher untersucht werden musste.

Die Schlussfolgerung der Perugia-Studie ist eindeutig: „Die bisher durchgeführten wissenschaftlichen Untersuchungen haben keine signifikanten Gefahren im Zusammenhang mit der Verwendung von gv-Kulturpflanzen festgestellt.“ Eine pauschale Ablehnung gentechnisch veränderter Pflanzen aus Sicherheitsgründen sei daher wissenschaftlich nicht haltbar.

Die wichtigste Schlussfolgerung aus (…) mehr als 130 Forschungsprojekten, die einen Zeitraum von mehr als 25 Jahren abdecken und an denen mehr als 500 unabhängige Forschungsgruppen beteiligt sind, lautet, dass die Biotechnologie und insbesondere GVOs nicht riskanter sind als herkömmliche Pflanzenzüchtungs-technologien.

Europäische Kommission (2010)

Nicht das Verfahren ist maßgebend, sondern das neue Merkmal

Anders als von Gentechnik-Kritikern dargestellt, gibt es in der wissenschaftlichen Gemeinschaft keinen grundsätzlichen Streit über die Sicherheit von gv-Pflanzen. Zahlreiche Studien, zusammen mit den Überprüfungen, die von Regulierungsbehörden auf der ganzen Welt von Fall zu Fall durchgeführt wurden, haben zu einem soliden und klaren wissenschaftlichen Konsens geführt: Gv-Pflanzen haben per se kein höheres Risiko als solche, die mit konventionellen Verfahren gezüchtet wurden.

Nicht das Verfahren entscheidet darüber, wie sich eine neu gezüchtete Pflanze in der Umwelt verhält oder ob sie zu einer nachhaltigen, ressourcenschonenden Landwirtschaft beitragen kann, sondern ihre jeweiligen neuen Eigenschaften. Auch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat 2015 in einer gemeinsamen Stellungnahme den politisch Verantwortlichen dazu geraten, „die Risikobewertung zukünftig vor allem auf die spezifischen Eigenschaften neuer Pflanzensorten und nicht auf den Prozess ihrer Erzeugung abzustellen.“ Sie sprachen sich gegen wissenschaftlich unbegründete pauschale Anbauverbote für GVO aus und empfahlen mit Nachdruck wissenschaftsbasierte Einzelfallprüfungen.

Diese Empfehlungen stützen sich auf 30 Jahre internationaler Sicherheitsforschung zu gentechnisch veränderten Pflanzen, überwiegend öffentlich gefördert. Bis heute warten sie darauf, politisch und rechtlich umgesetzt zu werden.

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