Pflanzenschutzmittel

Immer mehr Resistenzen: Eine neue biotechnologische Ära im Pflanzenschutz

(05.04.2017) Seit Jahren nimmt die Zahl der Schädlinge, Unkräuter und Krankheitserreger mit Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel zu. Neue Wirkstoffe werden kaum noch gefunden oder sind so teuer, dass sich eine Markteinführung nicht lohnt. Auswege aus der Misere könnten neue biotechnologische Konzepte eröffnen, allen voran die „Genschere“ CRISPR/Cas.

Resistenzen Pflanzenschutzmittel

Resistenzen: Allein an der Gentechnik liegt es nicht. Anzahl der Arten bei Schädlingen (Insekten, Mücken) und Unkräutern mit einer Resistenz gegen ein oder mehrere synthetische Pflanzenschutzmittel (Achse links) und Anbauflächen gentechnisch veränderter Pflanzen (Achse rechts).

Zahlen: nach Nature, ISAAA

GE Schema

Neue Verfahren, neue Möglichkeiten. Anders als beim chemischen Pflanzenschutz greifen neue molekularbiologische Ansätze gezielt in die Interatktion zwischen Pflanze und ihren Schädlingen ein.

Großes Foto oben: Kostic Dusan 123RF

Die Erfahrung ist so alt wie es Pflanzenschutz gibt: Mit der Zeit werden Schädlinge, Unkräuter und Krankheitserreger resistent gegen die Mittel, mit denen die Landwirte sie bekämpfen. Als in den 1950er Jahren chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel eingesetzt wurden, traten auch erste Resistenzen auf, anfangs bei Insekten, später auch bei Unkräutern und Krankheitserregern. In den Datenbanken von Crop Life International, einem Verband der Agrarindustrie, sind nach einem Bericht im Wissenschaftsmagazin Nature inzwischen 586 Insektenarten, 252 Unkräuter und 235 pathogene Pilze registriert, die mindestens gegen einen im Pflanzenschutz eingesetzten Wirkstoff resistent sind.

Lange bevor gentechnisch veränderte Pflanzen in großem Stil angebaut wurden, war diese massive Resistenzbildung schon zum Problem geworden. Landwirte müssen ihre Nutzpflanzen gegen deren Feinde und Konkurrenten schützen. Wenn sie dabei auf die Vorteile moderner Pflanzenschutzmittel zurückgreifen, dann ist es eine nahezu unausweichliche Folge, dass Insekten, Unkräuter und Pathogene mit der Zeit gegen die eingesetzten Wirkstoffe resistent werden. Das kann man mit geeigneten Maßnahmen hinauszögern, aber nie ganz verhindern.

Über Jahrzehnte konnte die Agrarindustrie in diesem Wettlauf immer nachlegen. Wenn ein Mittel seine Wirkung verlor, weil die Schädlinge dagegen resistent geworden waren, wurde es einfach durch ein neues, meist sogar besseres ersetzt. Das verschaffte der Landwirtschaft wieder einige Jahre Vorsprung. Doch inzwischen funktioniert das nicht mehr richtig. Die Unternehmen haben kaum noch etwas in ihrer Forschungs-Pipeline.

„Die Anzahl neu entdeckter Wirkstoffe tendiert gegen Null“, so Sara Olson, eine Forschungsanalystin in Nature. Die meisten Wirkmechanismen, die gezielt Schädlinge, Unkräuter oder Krankheitserreger treffen, ohne die jeweilige Kulturpflanzen zu schädigen, werden bereits genutzt. Neue lassen sich kaum noch finden. Und wenn doch, dann sind die daraus entwickelten Produkte zu teuer. In den letzten zwanzig Jahren haben sich die Kosten für Erforschung, Entwicklung und Zulassung eines neuen Pflanzenschutzmittels nahezu verdoppelt. Der Aufwand rentiert sich nur, wenn das jeweilige Anwendungsgebiet ausreichend groß ist. Zudem sind die Anforderungen an Umwelt- und Verbrauchersicherheit immer größer geworden. Viele früher gern verwendete Wirkstoffe sind bereits verboten oder ihre Anwendung stark eingeschränkt.

Der klassische Pflanzenschutz – gleich ob er auf chemischen oder „natürlichen“ Wirkstoffen beruht – stößt an seine Grenzen. Das treibt die Suche nach Alternativen an. Neben einigen anderen Ansätzen kommen dafür vor allem neue molekularbiologische Verfahren in Frage.

Eine Grundidee ist es, die Pflanzen selbst weniger anfällig für Krankheitserreger zu machen, indem ihre „Immunantwort“ verbessert wird. Mit den neu entwickelten Genome Editing-Werkzeugen – allen voran CRISPR/Cas – können gezielt einzelne Gene oder DNA-Bausteine umgeschrieben werden. Auf diese Weise wird es möglich, die natürlichen, im jeweiligen Pflanzengenom bereits angelegten Abwehrmechanismen zu verstärken oder wirksamer zu regulieren. So ist es mit CRISPR bereits gelungen, Pflanzen - z.B. Reis, Tomaten, Gurken und Wein - zu entwickeln, die sich aus eigener Kraft besser gegen krank machende Bakterien, Viren oder Pilze schützen können. Bei Bananen, Zitrusfrüchten und vor allem Weizen eröffnet das Genome Editing endlich eine realistische Perspektive, etwas gegen hartnäckige, weltweit grassierende Krankheiten unternehmen zu können.

Anders als bei der klassischen Gentechnik – bei der wie beim Bt-Konzept das Gen für einen „fremden“ Wirkstoff übertragen wird – aktivieren die neuen Verfahren die in einer Pflanze oder ihrem Genpool bereits vorhandenen spezifischen Abwehrreaktionen gegen Krankheitserreger. Das geschieht durch eine gezielt herbeigeführte Punktmutation, ohne dafür in die Pflanzen dauerhaft neue Gene einfügen zu müssen.

Auch ein weiterer Ansatz nutzt einen natürlichen Schutzmechanismus der Pflanzen. Mit der sogenannten RNA-Interferenz kann die Bildung bestimmter Proteine reguliert oder unterdrückt werden, auch die von Viren oder Schädlingen. Werden Pflanzen dazu gebracht, bestimmte RNAi-Fragmente zu bilden, die genau zu der eines Virus oder Schädlings passt, wird diese Sequenz „neutralisiert“. Die Folge: Die darin codierte Information kann nicht „abgelesen“ und deswegen das jeweilige Gen nicht in das entsprechende Protein umgesetzt werden. Ist dieses für den Eindringling lebensnotwendig, stirbt er oder kann sich nicht mehr vermehren. (Die RNA transportiert die in der DNA codierte Information für ein Protein zu den Proteinfabriken (Ribosomen).)

Bei Bohnen sind so bereits virusresistente Sorten entwickelt worden, bei Kartoffeln – gegen den Kartoffelkäfer – sowie Reis und Mais – gegen Fraßinsekten – haben Forscherteams zeigen können, dass RNAi grundsätzlich als spezifisch wirksames Schutzkonzept funktioniert. Doch die entsprechenden Pflanzen sind gentechnisch verändert. Sie zu entwickeln ist aufwändig und kompliziert, zudem müssten sie nach den Bestimmungen des Gentechnik-Rechts zugelassen werden.

Inzwischen hat sich gezeigt, dass RNAi-Fragmente auch dann wirksam sind, wenn sie als Spray aufgebracht werden. Derzeit befinden sich RNAi-Sprays gegen den Kartoffelkäfer, einen Rapskäfer und die Varroa-Milbe, einen für das Bienensterben verantwortlichen Parasiten, in der Entwicklung. Solche Sprays herzustellen ist weitaus weniger aufwändig als Pflanzen entsprechend gentechnisch zu verändern. Zudem müssen sie nur dann ausgebracht werden, wenn die Bestände von dem jeweiligen Schädlinge oder Pathogen tatsächlich befallen sind. Die Sprays enthalten nur die jeweils passenden RNAi-Fragmente, keine vermehrungsfähigen Organismen.

Anders als bei der bisherigen Gentechnik, aber auch anders als Pflanzenschutzmittel, wirken die neuen Ansätze sehr genau: Sie greifen nur ihren jeweiligen Zielorganismus an – und auch nur an einem bestimmtem molekularbiologischen Wirkort. Genutzt werden - verstärkt und präziser - die natürlichen Abwehrkräfte der Pflanzen.

Dennoch können auch diese Schutzkonzepte durch Resistenzbildung durchbrochen werden. Ohne integrierten Pflanzenschutz – Fruchtwechsel, Schadschwellenprinzip, möglichste viele, unterschiedliche Wirkstoffe und –mechanismen – wird es wohl auf Dauer nicht gehen. Doch ohne die neuen Konzepte auch nicht.

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