Befall durch Phytophthora

Resistenzgene in Kartoffeln: Deutlich weniger spritzen, aber in der EU noch immer verboten

Phytophthora infestans - so heißt der Erreger der Kraut- und Knollenfäule. Die verheerende Kartoffelkrankheit führt weltweit zu Ernteeinbußen von etwa zwanzig Prozent. Den Landwirten bleibt bisher kaum anderes übrig, als immer wieder zu spritzen, auch im Öko-Landbau. Dabei gibt es Alternativen: An der Universität Wageningen (Niederlande) wurden Resistenzgene aus Wildkartoffeln in gängige Kultursorten eingeführt. In mehrjährigen Feldversuche erwiesen sie sich als dauerhaft resistent. 80 Prozent der Fungizide können eingespart werden. Doch noch immer dürfen solche „nachhaltigen“ Kartoffeln in Europa nicht auf die Felder. Die Gentechnik-Gesetze bremsen sie aus.

Freilandversuch Wageningen

Projektleiter Anton Haverkort (Uni Wageningen) auf einem Versuchsfeld mit dem üblichen Phytophtora-Vorkommen. Vorne: Unbehandelte Kartoffeln; hinten: Die gleiche Kartoffelsorte mit zusätzlichen Resistenzgenen.

Pflanzenschutzmittel Behandlungsintensität 2021, JKI

Einsatz von Fungiziden: Bei Kartoffeln muss im Vergleich mit anderen Ackerfrüchten deutlich mehr gespritzt werden.

Fotos, Grafik: i-bio

Manche halten Phytophthora für die gefährlichste Pflanzenkrankheit überhaupt, denn der Erreger verbreitet sich so schnell, dass er binnen kürzester Zeit großen Schaden anrichten kann. Und er ist so flexibel, dass er bislang noch jede gegen ihn gerichtete Bekämpfungsstrategie mit neuen, angepassten Formen beantwortet hat.

Traurige Berühmtheit erlangte Phytophthora durch die Ereignisse in Irland Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Pilz vernichtete mehrere Jahre hintereinander nahezu die gesamte Kartoffelernte des Landes und löste damit eine Hungerkatastrophe aus, in deren Folge etwa eine Million Menschen starben und weitere zwei Millionen nach Australien und Nordamerika auswanderten.

Pilzresistenz – eine schwierige Aufgabe

Die Bekämpfung von Phytophthora erfolgt bisher fast ausschließlich durch chemische Pflanzenschutzmittel (Fungizide). Sobald im Frühsommer die Kartoffelpflänzchen groß genug sind, dass sie sich gegenseitig berühren, muss vorsorglich gespritzt werden. Wenn erst die Erreger da sind, ist es dafür zu spät. In Deutschland werden in einer Vegetationsperiode 10 bis 15 Spritzgänge nötig. Deswegen ist die Kartoffel die Ackerfrucht, die am häufigsten chemischen Pflanzenschutzmittel ausgesetzt werden muss.

Im Biolandbau wird Phytophthora mit Kupferverbindungen bekämpft. Insbesondere wegen der negativen Auswirkungen auf Bodenmikroorganismen ist der Einsatz von Kupferpräparaten gesetzlich begrenzt, kann aber in starken Befallsjahren ausgeweitet werden. Da den Ökolandwirten wirksame umweltverträgliche Mittel gegen die Kraut- und Knollenfäule fehlen, sind ihre Erträge im Kartoffelanbau nur etwa halb so groß wie die ihrer konventionellen Kollegen.

Doch auch die konventionelle Züchtung kommt bei Phytophthora an ihre Grenzen. Verschiedene Wildkartoffelarten sind natürlicherweise resistent gegen den Erreger. Seit langem versucht man, die dafür veranwortlichen Erbanlagen in Kultursorten einzukreuzen. Die dabei ebenfalls übertragenen unerwünschten Eigenschaften der wilden Kartoffeln müssen dann aber wieder herausgezüchtet werden, ohne die Resistenzeigenschaften zu verlieren. Wegen der komplexen Vererbungsmuster der Kartoffel ist das schwierig und zeitaufwändig. Außerdem ist die entstehende Sorte nicht mehr identisch mit den Geschmacks- und Anbaueigenschaften der Ausgangssorte.

In der Vergangenheit wurden die aus Wildkartoffeln eingezüchteten Resistenzen jedes Mal nach wenigen Jahren von Phythophthora durchbrochen: Der Pilz passte sich durch Mutationen an. Inzwischen versuchen Forscher und Züchter, mehrere erbliche Resistenzen zu kombinieren. Das Ziel ist nicht mehr ein absoluter Schutz vor Phythophthora, sondern eine Art Grundresistenz der Pflanzen, die die Vermehrung des Erregers dauerhaft verlangsamt und nicht so leicht durch neue Mutationen durchbrochen werden kann.

Dauerhaft resistent: Gentechnik, aber ausschließlich Erbmaterial aus Kartoffeln

Mit gentechnischen Methoden kann die Übertragung von Resistenz-Genen aus Wildkartoffeln erheblich schneller erfolgen als mit konventioneller Züchtung, vor allem, wenn mehrere Resistenz-Gene kombiniert werden sollen. Ein wesentlicher Vorteil: Die Sorten mit ihren jeweiligen Geschmacks- und Anbaueigenschaften bleiben dabei erhalten. Für eine vergleichbare konventionelle Züchtung würde man 20 bis 30 Jahre benötigen.

Solche Kartoffeln wurden an der Universität Wageningen (Niederlande) in einem auf zehn Jahre angelegten Forschungsprojekt entwickelt und getestet. Das Besondere: Die Wageninger Wissenschaftler verwendeten ausschließlich Erbmaterial aus Kartoffeln. Auch die Gensequenzen, die für die Übertragung und Ausprägung der Resistenzgene erforderlich sind, kommen aus dem Genpool der Kartoffel. Zudem verzichteten sie auf ein Markergen, das üblicherweise etwa aus Bakterien stammt. Da die gv-Kartoffeln nur arteigenes Genmaterial enthalten, werden sie als cisgen (cis=diesseits) im Unterschied zu transgen (trans=jenseits) bezeichnet.

Ein erster Freilandversuch wurde 2009 in den Niederlanden gestartet. Es folgten weitere, teils mehrjährige Freisetzungen in Belgien und Irland. Schon 2016 wurde das Projekt abgeschlossen und die Ergebnisse veröffentlicht.

  • Alle getesteten Kartoffelvarianten mit verschiedenen Resistenzgenen und Kombinationen aus diesen waren widerstandsfähiger gegenüber Phytophthora als die konventionellen Ausgangssorten.
  • Pflanzen mit nur einem Resistenzgen waren anfälliger als solche mit mehreren kombinierten Resistenzgenen. Pflanzen mit drei Resistenzgenen blieben bis zum Ende der Anbausaison vollständig resistent.
  • In Kombination mit einem geeigneten Resistenzmanagement könnten beim Anbau der cisgenen Kartoffeln 80 Prozent der üblichen Fungizid-Spritzungen eingespart werden.

Ein wirksamer dauerhafter Schutz gegen Phytophthora, gute Erträge bei deutlich weniger Pflanzenschutzmitteln, alles getestet in mehrjährigen Freilandversuchen - und dennoch ist der Anbau dieser Kartoffel nicht erlaubt. Denn in der EU gilt sie als GVOund muss alle Bestimmungen der Gentechnik-Gesetzte erfüllen. Das ist aufwändig und teuer. Vor allem: Die Kartoffeln, aber auch alle damit hergestellten Lebensmittelprodukte müssten als „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet werden.

Ändern sich weder die Gesetze noch die weit verbreitete Skepsis gegenüber Gentechnik bei Lebensmitteln, haben die resistenten und zugleich weniger umweltbelastenden Kartoffeln in Europa wohl keine Marktchancen. Die Landwirte müssen weiter spritzen, obwohl es das politisch beschlossene Ziel (Green Deal) der EU ist, den Einsatz von „chemischen Pestiziden“ in der Landwirtschaft bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren.

Die Wageninger Kartoffel ist längst nicht mehr allein. Schon in den 2000er Jahren entwickelte die BASF phytophthora-resistente Kartoffeln (Fortuna), allerdings mit herkömmlicher Gentechnik. Auch in Deutschland wurde sie im Freiland getestet. Später zog das Unternehmen die schon eingereichten Zulassungsanträge - auch für den Anbau - in der EU zurück.

Eine ähnliche Kartoffel wie die aus Wageningen wird in den USA und Kanada bereits angebaut. Auch hier sind Resistenzgene aus Wildkartoffeln übertragen worden, ausschließlich mit arteigenem Genmaterial. Zusätzlich besitzen diese Kartoffeln (Simplot, Markenname Innate) weitere Eigenschaften: Ihre Knollen bilden beim Erhitzen weniger Acrylamid und sie bekommen weniger schnell braune Druckstellen. Die daran beteiligten Gene wurden mit einem neuartigen Verfahren (RNAi, RNA-Interferenz blockiert. Auch in den USA gelten diese Kartoffeln zwar als gentechnisch verändert, erfüllen jedoch die gesetzlichen Kriterien, um sie von allen Auflagen zu befreien. Landwirte dürfen sie wie normale Kartoffeln auspflanzen und ihre Produkte vermarkten.

Bessere Resistenzen auch mit CRISPR & Co

Inzwischen gibt es auch Ansätze, Kartoffeln mit Hilfe neuer Züchtungstechniken wie der Gen-Schere CRISPR/Cas gegen die Kraut- und Knollenfäule zu wappnen. Sie eröffnen neue Möglichkeiten, im Laufe der Züchtung „verschüttete“ Resistenz-Gene wieder zu aktivieren oder bestimmte Gene gezielt „umzuschreiben“, die die Empfindlichkeit der Kartoffel gegenüber Krankheitserregern beeinflussen. Ein Forschungsteam aus Schweden hat mit Hilfe von CRISPR/Cas zwei Gene bei der Kartoffelsorte Desirée gezielt ausgeschaltet. In ersten Versuchen unter Laborbedingungen erwiesen sich die editierten Kartoffeln als weitaus weniger anfällig gegenüber Phytophthora im Vergleich zu konventionellen Pflanzen. Im nächsten Schritt sollen die Kartoffeln im Freiland getestet werden.

Die schwedische Universität für Agrarwissenschaften (SLU) führt noch bis 2024 einen Freilandversuch mit verschiedenen Kartoffellinien durch, bei denen Gene sowohl mit Genome Editing als auch mit RNAi verändert wurden. Hier sollen die Resistenzmechanismen erforscht werden mit dem langfristigen Ziel einer Resistenz gegen Phytophthora und andere pilzliche Erreger.

Kartoffeln mit neuen Resistenzgenen gegen Kraut- und Knollenfäule (fortgeschrittene Projekte mit marktreifen Produkten oder bereits im Anbau)

Cisgene Kartoffeln, Universität Wageningen (NL)
Übertragung von ein bis drei Resistenzgenen aus Wildkartoffeln, dabei Verwendung von ausschließlich kartoffeleigenem Erbmaterial; seit 2009 Freilandversuche in mehreren europäischen Ländern.
Kartoffel Fortuna von BASF
Übertragung von zwei Resistenzgenen aus einer mexikanischen Wildkartoffel (transgen, mit teils artfremden Genmaterial). Ende 2011 Antrag auf EU-Zulassung für den Anbau und als Lebensmittel; 2012 Rückzug der Biotech-Sparte des Unternehmens aus Europa, Anfang 2013 Stopp der Zulassungsverfahren für alle gv-Kartoffeln von BASF in Europa.
Innate-Kartoffel, J.R. Simplot Company (USA)
Übertragung von Resistenzgenen aus Wildkartoffel; weitere neue Eigenschaften (Abschalten von Genen mit RNA-Interferenz). In den USA und Kanada für den Anbau zugelassen.
Das Sainsbury Laboratory in Großbritannien testete von 2016 bis 2021 in Kooperation mit Simplot verschiedene Kartoffel-Linien mit mehreren Resistenzgenen.
Projekte in Bangladesch, Indonesien und Uganda
Bangladesch und Indonesien: Kartoffel Diamant mit drei Resistenzgenen, Freilandversuche an mehreren Standorten seit 2022
Uganda: Freilandversuche seit 2015, Kartoffel Victoria mit drei Resistenzgenen


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