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CRISPR: Die bessere Gentechnik

(14.12.2015) „Damit ändert sich in der Gentechnik alles“, titelte das Wissenschaftsmagazin Nature im Sommer über CRISPR. Mit diesem völlig neuen Verfahren ist es möglich geworden, das Erbgut von Organismen „umzuschreiben“ – viel präziser, schneller und einfacher als mit der klassischen Gentechnik. In der Grundlagenforschung wird CRISPR schon länger eingesetzt. Aber nun steht es an der Schwelle erster praktischer Anwendungen – vor allem in der Medizin, aber bald wohl auch in der Tier- und Pflanzenzüchtung.

CRISPR/Cas9 – so die vollständige Bezeichnung - gehört zu einer Reihe neuer molekularbiologischer Verfahren, die als Genome Editing bezeichnet werden. Im Prinzip funktionieren sie wie „Suchen und Ersetzen“ am Computer: Eine Sonde (CRISPR) wird so konstruiert, dass sie im unendlich großen Genom genau die jeweilige Zielsequenz findet. Dort schneidet eine molekulare Schere (das Cas9-Protein) den DNA-Strang, der anschließend durch die zelleigenen Reparatursysteme wieder geflickt wird. Dabei können – ganz ähnlich wie bei einer zufälligen Mutation - einzelne DNA-Bausteine abgeschaltet, geändert oder ergänzt werden. Am Ende ist ein kurzes Stück Gencode umgeschrieben, ohne dafür Gene oder Genkonstrukte von außen in die Zelle einführen zu müssen.

Kartoffeln, Forschung

Umschreiben, nicht rekombinieren. Koreanische Wissenschaftler haben am Beispiel von Salat gezeigt, dass es möglich ist, das Genom zu verändern ohne von außen fremde DNA einzuführen.

Großes Foto oben: HebiFot, Pixabay

Damit, so Prof. Jörg Hacker, Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in einem Interview mit der Welt, „lässt sich die Erbsubstanz von Lebewesen verändern, ohne dass man dafür Gentechnik im klassischen Sinn anwenden müsste. Nichts verrät den Eingriff. Die Werkzeuge lassen sich vollständig entfernen.“

Verglichen mit anderen Genome Editing-Verfahren (siehe Kasten) ist CRISPR deutlich zuverlässiger, präziser, einfacher und weniger kostenintensiv. Die Vorteile sind so groß, dass es inzwischen in vielen Forschungsbereichen zur Standard-Methode geworden ist. CRISPR sei die größte methodische Innovation in der Mikrobiologie seit mehr als zwanzig Jahren, meint Nature. Sie ermögliche „überraschend einfache Eingriffe zur kontrollierten Veränderung im Erbgut“, so Deutschen Akademien der Wissenschaften in einer gemeinsamen Stellungnahme.

In den letzten Wochen ist die von CRISPR vorangetriebene „Revolution“ stärker ins Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit gerückt. Vor wenigen Wochen berichteten Ärzte eines Londoner Krankenhauses, ihnen sei damit die Heilung eines an einer aggressiven Leukämie erkrankten Mädchens gelungen. Sie hatten Immunzellen eines Spenders so umgeschrieben, dass sie den Blutkrebs des Mädchens bekämpfen konnten, ohne von deren Immunsystem abgestoßen zu werden. Solche Veränderungen von Körperzellen sind ethisch wenig strittig. Anders bei menschlichen Embryonen: Anfang Dezember fand in Washington der viel beachtete Human Gene Editing Summit statt, auf dem Wissenschaftler aus aller Welt sich darum bemühten, Regeln und Grenzen für Veränderungen am menschlichen Erbgut zu vereinbaren.

Kallus

Genome Editing ist die Sammelbezeichnung für mehrere Verfahren, mit denen einzelne DNA-Bausteine „umgeschrieben“ werden können. Dazu zählen etwa:

Zinkfinger-Nukleasen

TALEN

CRISPR/Cas9

CRISPR wird erst seit etwa 2012 in der Forschung eingesetzt. Inzwischen gilt es als Standardverfahren für Genome Editing. Es ist nicht nur sehr viel zielgenauer als die anderen Verfahren, sondern auch einfacher und billiger. Die einzelnen Elemente („Sonde“ mit den Zielsequenzen, molekulare „Scheren“) können bei Spezialfirmen bestellt werden. Beim Zinkfinger-Verfahren kosten sie etwa 5000 US-Dollar, bei CRISPR nur 30. (Quelle: Nature) Zudem wird CRISPR ständig weiterentwickelt und verbessert. So gibt es inzwischen eine neue Gruppe von „Scheren“, die noch genauer sein sollen als die Cas-Proteine.

Im weiteren Sinne zum Genome Editing zählt auch das ODM-Verfahren. Damit gezüchteter Raps ist in Nordamerika bereits auf dem Markt.

Bisher wurde CRISPR vor allem in der Grundlagenforschung eingesetzt, etwa um den genetischen Hintergrund von Eigenschaften besser zu verstehen. Doch inzwischen zeichnen sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten ab - nicht nur in der Medizin. So wollen Forschergruppen Antibiotikaresistenzen in Krankheitserregern mit CRISPR kappen oder Populationen von Malaria übertragenden Stechmücken innerhalb weniger Generationen drastisch reduzieren. In China haben Wissenschaftler das Erbgut von Schweinen gleichzeitig an 63 Stellen umgeschrieben, so dass deren Organe ohne Abstoßungsreaktionen als Transplantate für Menschen geeignet sind. Mikroorganismen werden editiert, so dass sie weit besser als bisher Aromen und Duftstoffe produzieren.

Inzwischen haben sich überall – auch in Europa - Startup-Firmen gegründet, die das riesige Potenzial von CRISPR nutzen und für kommerzielle Anwendungen erschließen wollen. Nun steigen auch die großen Konzerne ein. So vereinbarte der amerikanische Chemie- und Biotechnologie-Riese Dupont eine weitreichende strategische Allianz mit Caribou Biosciences, einem Unternehmen im kalifornischen Berkeley, in das viel Geld aus dem Silicon Valley geflossen ist. Gegründet wurde es neben anderen von Jennifer Doudna, der Mit-Entdeckerin von CRISPR/Cas. Dupont finanziert ein mehrjähriges Forschungsprogramm bei Caribou. Beide Unternehmen wollen auf der Basis von CRISPR technologische Plattformen für Genome Editing-Verfahren entwickeln, die nicht nur in der Medizin zu kommerziellen Anwendungen führen, sondern auch in der Biotechnologie, Landwirtschaft und Agrarforschung.

Es herrscht Aufbruchsstimmung. CRISPR hat einen Technologieschub ausgelöst, der auch die Pflanzenforschung beflügelt. Fast täglich erscheinen in den Fachzeitschriften Berichte über erfolgreiche Genome Editing-Projekte bei zahlreichen Pflanzenarten – Gerste, Weizen, Mais, Raps, Reis, Sorghum-Hirse, Banane, Salat. Die Vielzahl der Publikationen zeigt, dass es mit den neuen Verfahren einfacher geworden ist, die Eigenschaften von Nutzpflanzen zu verändern.

Anders als bei der klassischen Gentechnik können mit CRISPR keine „fremden“ Gene – etwa aus Bakterien wie beim Bt-Konzept gegen Schädlinge – übertragen werden. Man bleibt in den Grenzen des artspezifischen Genpools. Allenfalls einzelne DNA-Bausteine können umgeschrieben werden, etwa durch das Abschalten oder Hinzufügen kurzer Sequenzen. Genome Editing kann die klassische Gentechnik nicht einfach ersetzen, aber in vielen Bereichen der Züchtung sind CRISPR&Co ein neues, faszinierendes Werkzeug. Es ist schneller und präziser als die herkömmliche Züchtung ohne den Makel der Gentechnik - hohe regulatorische Auflagen, lange Zulassungsverfahren und wenig Akzeptanz. Doch mit der Euphorie um CRISPR und andere Genome Editing Verfahren dürfte es vorbei sein, wenn die damit gezüchteten Pflanzen als „gentechnisch verändert“ eingestuft würden. Mit Spannung wird deshalb die seit langem angekündigte Entscheidung der EU-Kommission erwartet.

Im November hatte sich die zuständige Behörde in Schweden (Swedish Board of Agriculture) schon einmal vorgewagt. Zwei Wissenschaftler-Gruppen an den Universitäten in Uppsala und Umea erforschen an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) den genetischen Hintergrund der Photosynthese und haben mit CRISPR daran beteiligte Gene modifiziert. Sie hatten offiziell angefragt, ob ihre Pflänzchen unter die Gentechnik-Gesetze fallen. Nein, entschied die Behörde, denn sie enthielten keine fremde DNA. Das sei, freuten sich die Wissenschaftler, endlich „grünes Licht im Tunnel“.

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