Reis, IRRI

Reis mit erhöhtem Eisen- und Zinkgehalt: „Durchbruch im Kampf gegen versteckten Hunger“

(19.02.2016) Die ersten Versuche im Freiland waren erfolgreich: Ein von einem internationalen Wissenschaftler-Team entwickelter gentechnisch veränderter Reis bildet in seinen Körnern deutlich mehr Eisen und Zink. Dank zweier neu eingeführter Gene liegen die Mengen um ein Vielfaches über denen herkömmlicher Sorten. Für die Zeitschrift Rice Today ist es der „Durchbruch im globalen Kampf gegen den versteckten Hunger“. Zu wenig Eisen und damit „Blutarmut“ ist nach Angaben der WHO die am meisten verbreitete Mangelerkrankung.

Etwa zwei Milliarden Menschen, ein Drittel der Weltbevölkerung, nehmen mit ihrer Nahrung zu wenig Eisen auf. Eisenmangel ist die häufigste Ursache für Anämie – zu wenig rote Blutkörperchen. Dadurch kann im Blutkreislauf nicht genug Sauerstoff transportiert werden. Die Folgen: Müdigkeit, Herz-Kreislauf-Probleme und eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionskrankheiten wie Malaria oder HIV sowie Parasitenbefall. Vor allem Frauen und Kinder sind von Anämie betroffen. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) schätzt, dass weltweit jede zweite schwangere Frau und 40 Prozent der Kinder im Vorschulalter unter Anämie leiden.

Weltkarte Eisenmangel

Anämie durch Eisenmangel: Nach Angaben der WHO leiden etwa zwei Milliarden Menschen unter Anämie. Sie haben zu wenig rote Blutkörperchen.

Weltkarte Zinkmangel

Zinkmangel ist die Ursache für Wachstumstörungen vor allem bei Kindern.

Großes Foto oben: Dr. Inez Slamet-Loedin, leitende Wissenschaftlerin am IRRI und Mitglied des internationalen Teams, das den angereicherten Reis entwickelt hat. Foto: William Sta Clara, IRRI, CC BY-NC-SA 2.0

Gut 15 Prozent der Weltbevölkerung nehmen mit ihrer Nahrung zu wenig Zink auf. Eine starke Unterversorgung mit Zink, wie häufig in Afrika und in Südost-Asien anzutreffen ist, führt bei Kindern zu Wachstums- und Entwicklungsstörungen, bei Frauen zu Komplikationen in der Schwangerschaft. Es wird geschätzt, dass jährlich etwa 400.000 Kinder in Folge von Zinkmangel sterben.

Gerade in den Regionen, wo Reis Grundnahrungsmittel ist, sind solche Mangelerkrankungen weit verbreitet, denn in geschältem Reis sind die natürlichen Eisen- und Zinkgehalte viel zu niedrig, um die Menschen ausreichend mit diesen Mikronährstoffen zu versorgen.

Schon länger arbeitet das Internationale Reisforschungsinstitut (IRRI) daran, den Eisen- und Zinkgehalt im Reis zu steigern. Allein am IRRI wurden im Rahmen eines breit angelegten Programms 12.000 Reis-Varietäten auf hohe Eisengehalte untersucht, am CIAT (International Center for Tropical Agriculture) noch einmal 11.000 weitere. Ohne Erfolg: Die gefunden Eisengehalte waren durchweg zu gering und zudem stark von den Jahreszeiten abhängig.

Nur eine Reispflanze wies einen hohen Eisengehalt auf, doch sie gehört zur Japonica-Familie, nicht zu den Indica-Sorten (Langkornreis), wie sie hauptsächlich in den von Eisenmangel und Anämie besonders betroffenen Regionen angebaut werden. Beide Reis-Unterarten sind genetisch zu unterschiedlich, um daraus neue Varianten züchten zu können, die sowohl nährstoffreich sind als auch ähnlich gute Anbaueigenschaften aufweisen wie die zahlreichen regional angepassten Sorten, die heute überall auf den Feldern stehen.

Mit konventioneller Züchtung war eine Anreicherung von Eisen und Zink in Reis auf das für eine bessere Ernährung erforderliche Niveau nicht möglich. Der durchschnittliche Eisengehalt von zwei Mikrogramm Eisen/Gramm (µg/g) und 16 µg/g Zink bei geschältem Reis konnte in den Züchtungsprogrammen nicht nennenswert gesteigert werden und blieb weit von der angestrebten Zielmarke entfernt: Die tägliche Reis-Ration sollte ein Drittel des Tagesbedarf an Eisen und Zink abdecken. Dafür hätte in den Reiskörnern 13µg/g Eisen und 28µg/g Zink erreicht werden müssen.

Reis, Eisen
Reis, Zink

Durchschnittlicher Eisen- und Zinkgehalt in konventionellen Reissorten und in gentechnisch verändertem Reis (in µg/g). Die rote Linie zeigt den angestrebten Eisen- bzw. Zinkgehalt in Reis, der notwendig ist, um Mangelkrankheiten zu verhindern.

Erst als sie auch gentechnische Verfahren einsetzten, hatten die Wissenschaftler am IRRI Erfolg. In eine viel genutzte Reissorte (IR64) führten sie zwei neue Gene ein: Eines aus Japonica-Reis (OsNAS2, Nicotianamine Synthase) ein weiteres aus Sojabohnen (Sfer-H1, Ferritin). Zudem probierten sie verschiedene Kombinationen von Promotoren und anderen Gen-Elementen aus. Insgesamt wurden 1689 mit Gentechnik transformierte Reispflanzen (Events) in verschiedenen IRRI-Forschungsstationen darauf untersucht, wie und wo die Gene in das Genom eingebaut wurden und wie effektiv sie die Bildung von Eisen und Zink steuern. Schließlich wurde eine einzige dieser Pflanzen (Event NASFer-274) identifiziert, welche die rigorosen Anforderungen erfüllte: Bei ihr waren die eingeführten Gene an einer genau bekannten Stelle integriert worden. Als einzige erreichte sie die als Ziel gesetzten hohen Eisen- und Zinkgehalte ohne Einbußen bei Ertrag und Kornqualität. Inzwischen ist dieses Event in verschiedene, lokal verbreitete Reissorten eingekreuzt worden.

Bei Freilandversuchen auf den Philippinen und in Kolumbien wurde in den geschälten Körnern dieser gentechnisch veränderten Reislinie ein Eisengehalt von durchschnittlich 15 µm/g gemessen, bei Zink waren es 45,7 µg/g – damit war die Zielmarke für eine Überwindung der Mangelernährung übertroffen.

„Diesen deutlichen Anstieg bei den Eisen- und Zinkgehalten haben wir durch eine konsequente Optimierung der eingeführten Gene erreicht, aber auch, indem wir unzählige Pflanzen transformiert und dann mit großem Aufwand nach dem besten Event gesucht haben,“ so Inez Slamet-Loedin, leitende Wissenschaftlerin am IRRI gegenüber Rice Today. Gerade hat die internationale Forschergruppe, der Mitglieder aus sechs Ländern angehören, ihre Reislinie und die Ergebnisse der Feldversuche in Nature‘s Scientific Reports veröffentlicht. Ihr Projekt, über das Programm Harvest Plus finanziert, habe gezeigt, dass es grundsätzlich möglich ist, Reis mit hohen Eisen- und Zinkgehalten ohne Ertrags- und Qualitätsnachteile zu entwickeln. „Unser mit Eisen und Zink angereicherter Reis“, so die Wissenschaftler, „könnte einen Beitrag leisten, die Lebensqualität in ländlichen Regionen zu verbessern und die hohen volkswirtschaftlichen Verluste durch Mangelerkrankungen deutlich zu reduzieren.“

Bisher ist nicht bekannt, ob eine Markteinführung angestrebt wird. Die Kosten für eine Zulassung als gentechnisch veränderte Pflanze wären hoch und – wie die unendliche Geschichte um den Vitamin A-angereicherten Golden Rice zeigt – die Erfolgsaussichten ungewiss.

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