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Alles Gentechnik, alles verbieten? Zwischentöne in der grünen Debatte um CRISPR und Genome Editing

(20.01.2017) Gentechnik-Pflanzen verbieten – für die Grüne Partei und die Umweltbewegung ein Dogma. Auch neue Genome Editing-Verfahren wie etwa CRISPR werden einfach der über viele Jahre als gefährlich und unerwünscht gebrandmarkten Gentechnik zugerechnet. Doch ganz so festgefügt wie es oft den Anschein hat, ist das grüne Lager nicht. Wissenschaftler, pragmatische Öko-Bauern und sogar Greenpeace wissen, dass eine moderne Pflanzenzüchtung der Schlüssel ist, den Ressourcenverbrauch der Landwirtschaft zu senken. Eine pauschale Ablehnung der neuen Verfahren teilen sie nicht.

Kursbuch Agrarwende

Das Kursbuch Agrarwende 2050 beschreibt ein Szenario für eine aus Sicht von Greenpeace wünschenswerte Entwicklung hin zu einer ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft in Deutschland. Dazu tragen auch neue biotechnologische Verfahren in der Pflanzenzüchtung bei, die immer mehr „Bedeutung gewinnen“. Ausdrücklich genannt werden neben Smart Breeding auch verschiedene Methoden des Genome Editings wie CRISPR/Cas9.

Für den grünen Bundestagsabgeordneten Harald Ebner ist er ein „Skandal“, für seine SPD-Kollegin Elvira Dobrinski-Weiß „nicht tragbar“. Gemeint ist ein knapper Satz im Begründungstext zur Änderung des Gentechnik-Gesetzes, die derzeit im Bundestag beraten wird. Organismen, die mit neuen Züchtungstechniken wie CRISPR/Cas erzeugt wurden, sollten im Einzelfall daraufhin geprüft werden, ob sie als „gentechnisch verändert“ anzusehen sind oder eher der nicht regulierten Mutationszüchtung gleichen. Dabei solle, so will es die Bundesregierung, nicht allein das Vorsorgeprinzip zugrunde gelegt werden, sondern ein „Innovationsprinzip“. Für SPD-MdB Matthias Miersch ist das ein „gefährlicher Paradigmenwechsel, der auf keinen Fall durchgehen darf“ und drohte, das ausgehandelte Gesetz scheitern zulassen.

Noch ist auf europäischer Ebene politisch nicht entschieden, wie die neuen Genome Editing-Verfahren – allen voran CRISPR/Cas – gentechnik-rechtlich einzustufen sind. Im Gegensatz zu den allermeisten Wissenschaftlern will das grüne Umfeld sie pauschal in die Schublade der „bösen“ Gentechnik stecken. Schon seit längerem läuft die Kampagne „keine Gentechnik durch die Hintertür“, der Bund für ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) fordert „CRISPR raus“ und der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) verlangt, „die neuen Verfahren genauso zu behandeln wie die klassische Gentechnik“.

Doch inzwischen zeigen sich erste Risse im scheinbar festgefügten Meinungsblock, meist nicht in aller Öffentlichkeit, sondern eher diskret auf fachlich-wissenschaftlicher Ebene.

Pünktlich zur aktuellen Grünen Woche brachte Greenpeace sein „Kursbuch Agrarwende 2050“ heraus. Darin entwirft das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) ein Szenario, wie sich Deutschland in naher Zukunft umweltfreundlich ernähren könnte. Dafür sei etwa ein drastisch reduzierter Fleischverzehr erforderlich, keine Agrarexporte mehr und ein Totalverbot chemischer Pflanzenschutzmittel. Zwar sparten vor allem die Landwirtschaftsverbände nicht mit heftiger Kritik, doch in der Langfassung der Studie versteckt sich ein bemerkenswerter Perspektivwechsel – gegen den grünen Mainstream.

In einer künftigen Landwirtschaft werden Fortschritte in der Pflanzenzüchtung tatsächlich auch genutzt. Neue biotechnologische Entwicklungen gewinnen an Bedeutung, meint Greenpeace und verweist auf verschiedene molekularbiologische Verfahren wie Smart Breeding oder Tilling. Ausdrücklich genannt werden Cisgenetik sowie verschiedene Methoden des Genome Editings wie CRISPR/Cas. Greenpeace lehne diese nicht pauschal ab, so die FAZ (09.01.2017), sondern sehe diese Verfahren als „Teil der Zukunft“. Damit werde es möglich, „low-input-Pflanzen“ zu entwickeln, die im Sinne einer besseren Umwelt weniger Ressourcen benötigen und gleichzeitig höhere Erträge liefern.“

Eine ganz ähnliche Sicht auf eine moderne, auch molekularbiologische Verfahren nutzende Pflanzenzüchtung hat eine Strömung bei den Grünen, die auf Green Economy setzt und ein „intelligentes Wachstum“ ohne zusätzlichen Ressourcenverbrauch anstrebt. Einer der Vordenker, der ehemalige Bremer Umweltsenator Ralf Fücks, langjähriger Vorstand der grün-nahen Heinrich Böll-Stiftung, erwartet von „moderner Kreislaufwirtschaft und verfeinerter Pflanzenzucht“ eine „nachhaltige Steigerung landwirtschaftlicher Erträge. Biotechnologie – die technische Nutzung biologischer Prozesse und Ressourcen – wird zur neuen Leitwissenschaft. Künstliche Fotosynthese ermöglicht die Umwandlung von Sonnenlicht, Wasser und Kohlendioxid in synthetische Kraftstoffe.“ (Aus dem Vorwort seines Buches „Intelligent wachsen. Die grüne Revolution.“)

Gerade die neuen Genome Editing-Verfahren passen gut in diese grüne Fortschrittsidee. Überall auf der Welt wird daran gearbeitet, damit besser und schneller zu wirksamen Resistenzen gegen Pflanzenkrankheiten zu kommen. Weizen, Reis, Bananen, Orangen, Gurken – bei vielen wichtigen Kulturarten haben sich mit CRISPR, TALEN & Co schlagartig neue Möglichkeiten eröffnet, Pflanzen widerstandsfähiger gegen pathogene Pilze, Viren oder Bakterien zu machen. Wenn es gelingt, könnten nicht nur Pflanzenschutzmittel weitgehend überflüssig werden, vor allem gäbe es deutlich weniger krankheitsbedingte Ertragsverluste.

Das sieht auch Urs Niggli so, „Öko-Papst“ (taz) und Direktor der Schweizer FiBL-Zentrale. Im Frühjahr warnte er in einem Interview mit der taz vor einer pauschalen Ablehnung des Genome Editings. Es sei sinnvoll, diese Verfahren zu nutzen, „um Gene für Krankheitsanfälligkeit auszuschalten oder Resistenzgene aus der verwandten Wildpflanze wieder in moderne Sorten einzuführen. Da könnte man tatsächlich in großem Maßstab Pestizide einsparen.“ Inzwischen hat sich Niggli in mehreren Interviews und Beiträgen für große Zeitungen ähnlich geäußert.

Gerade Pilzkrankheiten sind im Bio-Landbau ein Problem. Da chemische Fungizide nicht eingesetzt werden dürfen, wird Kupfer gespritzt, das „im Boden nicht abgebaut wird und dort Bakterien und Pilze hemmen kann.“ (Niggli) Im vergangenen Jahr haben viele Biobauern in Deutschland drastische Ertragsausfälle vor allem bei Kartoffeln und Wein erlitten. Der Pilzbefall war in vielen Regionen zu stark, um ihn mit erlaubten Kupfermengen in Schach halten zu können. Allen verbandspolitischen Verboten zum Trotz werden sich viele Landwirte gewünscht haben, auch sie dürften künftig resistente Sorten nutzen – selbst wenn neue Züchtungstechniken dabei im Spiel waren.

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