Weizen

Freilandversuch mit Gentechnik-Weizen: Mehr Biomasse durch effektivere Fotosynthese

(07.02.2016) Im kommenden Frühjahr wird auf einem Versuchsgut nördlich von London gentechnisch veränderter Weizen ausgesät. Gerade haben die britischen Behörden den über drei Jahre geplanten Versuch genehmigt. Dank eines zusätzlich eingeführten Gens aus einem verwandten Gras soll der Weizen besser Sonnenlicht und CO2 in Biomasse umwandeln und damit höhere Erträge liefern. Die bisherigen Versuche im Gewächshaus waren vielversprechend.

Elisabete Carmo-Silva

Dr. Elizabethe Carmo-Silva, Lancaster University, forscht schon länger zur Fotosynthese. Mit Prof. Christine Raines, University of Essex und dem Rothamsted Research leitet sie das Forschungsprojekt für Ertragssteigerung beim Weizen. Finanziert wird es über öffentliche Agrarforschungsprogramme aus Großbritannien und den USA sowie dem International Wheat Yield Partnership, einem internationalen Gemeinschaftsprojekt zur Weizenforschung.

Mit Mais und Reis zählt Weizen zu den wichtigsten Nutzpflanzen. Er liefert ein Fünftel der weltweit konsumierten Kalorien. Doch ausgerechnet beim Weizen ist es in den letzten Jahren kaum noch gelungen, die Erträge nennenswert zu steigern. Mit klassischen Verfahren ist das züchterische Potenzial ausgereizt.

Nach allen Prognosen muss die globale Nahrungsmittelerzeugung in den nächsten 20 Jahren um 40 Prozent gesteigert werden - ohne jedoch dafür mehr Ressourcen zu benötigen. Landwirtschaft und Pflanzenzüchter stehen vor gewaltigen Herausforderungen.

Schon seit einigen Jahren verfolgen Wissenschaftler des britischen Agrarforschungsinstituts Rothamsted Research und der Universitäten Essex und Lancaster einen ganz neuen Ansatz, den Weizenertrag signifikant zu steigern – entgegen der Stagnation in der Züchtung. Er zielt auf die Fotosynthese, diesen grundlegenden biochemischen Prozess, der in allen grünen Pflanzen abläuft und Sonnenlicht und CO2 in Biomasse – und die darin gespeicherte chemische Energie – umwandelt. „Entscheidend für den Ertag ist eine über die ganze Vegetationsperiode effiziente Fotosynthese“, so Prof. Christine Raines, Biologin an der Universität Essex. „Für die Züchtung war sie bisher kaum zugänglich. Doch mit gentechnischen Methoden kann es uns gelingen, die Wirksamkeit der Fotosynthese zu steigern.“ Für Malcom Hawkesford, Abteilungsleiter bei Rothamsted Research, ist es ein vielversprechender Weg zu höheren Erträgen bei Weizen – und ohne dafür zusätzliche Dünge- oder Pflanzenschutzmittel zu benötigen. Zudem werde mehr CO2 gebunden.

In den letzten Jahren ist das Wissen über die genetischen und biochemischen Grundlagen der Fotosynthese stark angewachsen. Auf dieser Basis veruchen weltweit mehrere Arbeitsgruppen bei verschiedenen Nutzpflanzen deren Effizienz zu erhöhen. So hatte Christine Raimes 2011 ein bestimmtes Enzym (SBPase) identifiziert, das einen Teilabschnitt der Fotosynthese steuert und damit für den gesamten Prozess maßgebend ist. In den heutigen Kulturweizen-Sorten ist es die natürliche SBPase-Menge, welche die Biomassebildung begrenzt.

Die Forscher haben nun ein weiteres SBPase-Gen aus einer verwandten Art (Brachypodium distachyon; zweijährige Zwenke) in Weizen eingeführt. Eine dieser Weizenlinien enthält zwei Kopien des SBPase-Gens, eine andere sechs.

Im Gewächshaus ist bereits untersucht worden, ob die veränderten Weizenpflanzen über die Vegetationsperiode tatsächlich mehr Biomasse bilden, möglichst viel davon in den Körnern. Die ersten Testreihen waren vielversprechend, der Ertrag lag bis zu 40 Prozent höher als bei konventionellen Pflanzen. Doch erst realitätsnahe Versuche unter Freilandbedingungen werden zeigen, ob es sich lohnen könnte, das Konzept einer SBPase-Anreicherung bei Weizen weiterzuverfolgen.

Im November 2016 hatte Rothamsted Research den Versuch beantragt, jetzt haben die Behörden ihn nach einer Sicherheitsbewertung durch eine unabhängige wissenschaftliche Kommission und einer öffentlichen Konsultation genehmigt. Im Frühjahr soll auf dem institutseigenen Versuchsgelände in Harpenden (Hertfordshire) erstmals der veränderte Weizen ausgesät werden. Die Genehmigung ist bis 2019 befristet.

Wie bei einem ähnlichen Versuch 2012 lehnen gentechnik-kritische Gruppen die neue Weizen-Freisetzung ab. Der gv-Weizen könne sich in der Umwelt verbreiten und mit konventionellem Saatgut vermischen, so die Befürchtungen. Zudem sei nicht eine ineffiziente Fotosynthese die Ursache für den Hunger in der Welt, sondern Armut.

Doch neben den üblichen, seit Jahren vorgebrachten Einwänden geht es bei den Auseinandersetzungen um den Weizen-Versuch wohl auch um den künftigen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in Großbritannien. Nach dem Brexit ist das Land nicht mehr an die EU-Vorschriften mit ihren komplizierten und oft extrem politisierten Entscheidungsprozessen gebunden. Seine Regierung prüfe, wie künftig GVO reguliert werden könnten, sagte der britische Landwirtschaftsminister George Eustice gegenüber der BBC. Politik und Gesetzgebung sollten „wissenschaftsbasiert und angemessen sein.“