Weizen, Schwarzrost, Ug99

Pilzkrankheiten bei Weizen: Neue Erreger, neue Züchtungsstrategien

Text: Lucian Haas

Wenn es um hohe Erträge und gute Qualität bei der Weizenernte geht, zählen Pilzkrankheiten zu den größten Gefahren. Pilzbefall schwächt die Pflanzen, sie liefern dann weniger und auch kleinere Körner. Im Extremfall können die Ernteverluste sogar hundert Prozent erreichen. Darum ist es ein wichtiges Ziel der Landwirtschaft, Pilzerkrankungen des Weizens so gut es geht zu vermeiden. Der Schlüssel dazu ist die Züchtung von robusten, pilzresistenten Sorten.

Natürlich gibt es neben der Züchtung auch andere Möglichkeiten, den Pilzbefall in Schach zu halten, etwa eine geeignete Fruchtfolge oder das Unterpflügen von Ernteresten, um fortlaufende Infektionen auf einem Feld zu unterbrechen. Zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt, reduzieren Fungizide einen Pilzbefall deutlich. Sie können als Spritzmittel oder zum Beizen des Saatguts verwendet werden. Allerdings sind sie für die Landwirte mit erheblichen Kosten verbunden. In Entwicklungsländern können sich viele Kleinbauern den Einsatz von Fungiziden nicht leisten.

Weizen, Schwarzrost, Ug99

Sridar Bhavani vom Internationalen Mais- und Weizenzüchtungszentrum (CIMMYT) prüft verschiedene Weizenlinien auf ihr Resistenzverhalten, nachdem sie mit dem Ug99-Stamm des Schwarzrost-Pilzes infiziert worden sind. Die Versuchsstation liegt in Kenia, einem Hotspot des Erregers.
Fotos: M. DeFreese / CIMMYT

Norman Borlaug

Norman Borlaug, der „Vater der Grünen Revolution“ und Täger des Friedensnobelpreises 1970, fand wirkungsvolle Resistenzgene gegen Schwarzrost. Sie wurden in viele Weizensorten eingekreuzt. Doch der „Sieg“ über die Pilzkrankheit war nur vorrübergehend: Ab 1998 tauchten verschiedene neue Schwarzrost-Rassen auf, denen der Weizen auf den Feldern wenig entgegenzusetzen hatte.
Foto: CIMMYT

Die Züchtung pilzresistenter Weizensorten ist ein ständiger Wettlauf mit den Erregern. Wünschenswert wäre eine dauerhafte Resistenz. Doch die verschiedenen Pilze, die in der Regel sehr spezialisiert sind, entwickeln sich durch Mutation ständig weiter (Co-Evolution). Wirksame Resistenzen können binnen weniger Jahre gebrochen werden. Die Züchter müssen darum immer wieder neue Sorten entwickeln, die auch den neuen Pilzvarianten trotzen können. Eine zentrale Aufgabe dabei ist es, in der Natur oder in Pflanzensammlungen jene Pflanzen zu erkennen und zu selektieren, die sich gegen die neue Pilzvariante schon als resistent erwiesen haben. Durch Kreuzung wird dann versucht, diese Eigenschaft auf bestehende, ertragreiche Sorten zu übertragen.

Mit allen Verfahren: Von Kreuzung bis CRISPR/Cas

Der übliche Weg dabei ist noch immer die klassische Selektionszüchtung. Heute wird sie unterstützt durch molekularbiologische Methoden, um das Vorhandensein gewünschter Gene bzw. Genregionen anhand von Markern im Erbgut direkt erkennen zu können (Smart Breeding). Klassische Gentechnik unter Einsatz artfremder Gene spielt in der Resistenzzucht bei Weizen schon wegen der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz bislang kaum eine Rolle. Als interessanter gilt die Cisgenetik. Hierbei werden nur arteigene Gene aus anderen Weizenpflanzen oder sehr nahen Verwandten übertragen und ins Erbgut eingebaut.

In Zukunft wird zudem das Genome Editing an Bedeutung gewinnen. Dabei wird mit molekularen Scheren wie Crispr/Cas oder TALEN direkt das bestehende Erbgut von Pflanzen minimal verändert. So können bekannte Resistenzgene direkt modifiziert werden. Das Ergebnis ist von natürlichen Mutationen nicht zu unterscheiden.

Gerade der Weizen bietet Züchtern enorme Möglichkeiten, aber auch Schwierigkeiten. Das liegt an seinem besonderen genetischen Setup. Das Weizengenom ist fünf Mal so komplex wie das des Menschen. Das Erbgut des Weichweizens ist hexaploid, das heißt, es besitzt dreimal einen doppelten Chromosomensatz. Im Grunde ist Weizen ein Hybrid, der von drei unterschiedlichen Wildgräsern abstammt. Entsprechend groß ist der natürliche Genpool, auf den die Züchter zurückgreifen können. Um allerdings auch die verwandten Wildgräser und deren Resistenzgene in Weizen einkreuzen zu können, sind in der Regel besondere Techniken etwa aus der Gewebekultur nötig.

Pilzresistenzen beruhen typischerweise auf einer Abwehrreaktion der Pflanzen. Sie wird von spezifischen Genen gesteuert. Die Züchter unterscheiden dabei major genes und minor genes, bzw. starke und schwache Resistenzgene. Die starken major genes unterdrücken die Besiedelung einer Pflanze durch die Pilze, indem befallene Zellen als Immunreaktion direkt komplett absterben. Schwächere minor genes hingegen hemmen nur das Wachstum der Pilze, indem sie zum Beispiel deren Nährstoffversorgung reduzieren. Die Resistenzzüchtung hat sich lange Zeit auf die Suche und das Einkreuzen von major genes fokussiert. Neuere Strategien setzen aber auch darauf, mehrere minor genes in einer Sorte zu vereinen und deren Wirkung gewissermaßen zu addieren. Die Resistenz gegenüber einem Pilz ist dann nicht so stark ausgeprägt, dafür wird es dem Pilz aber viel schwerer fallen, diese multi-genetische Abwehr der Pflanzen zu durchbrechen.

Weizen

Der Echte Mehltau ist weltweit verbreitet, die Ertragsausfälle können bis zu 25 Prozent betragen. Das Ziel der Züchter sind dauerhaft resistente Weizensorten. Mit Gentechnik, aber auch den neuen Genome Editing-Verfahren, könnten sie dem näher kommen.

Foto: Bildpool Bayer CropScience

Zum Beispiel: Mehltau

Der Echte Getreidemehltau ist weltweit verbreitet. Bei Weizen kann er Ernteausfälle von bis zu 25 Prozent bewirken. Aus manchen Weizenlinien sind Gene bekannt, die eine gewisse Resistenz gegen Mehltau bewirken. An der Universität Zürich versuchen Forscher die Wirkung dieser weizeneigenen Gene mit gentechnischen Methoden zu verstärken. Dafür isolierten sie erst einmal verschiedene Formen bzw. Allele des Resistenzgens Pm3 und übertrugen diese dann in andere Weizenpflanzen. Die Allele kombinierten sie zudem mit einem besonderen Promotor, der die Genaktivität steigert.

Versuche im Gewächshaus und auch im Freiland ergaben, dass diese transgenen Weizenpflanzen eine verbesserte Mehltauresistenz besitzen. Seit 2014 läuft eine zweite Versuchsreihe. Die bereits transformierten Weizenpflanzen wurden dafür mit anderen, von Natur aus resistenten Weizenlinien gekreuzt, um nun Pflanzen zu erhalten, die mehr als eine Form des Resistenzgens Pm3 in sich tragen. Jetzt geht es um die Frage, ob Pflanzen mit je zwei Pm3-Allelen resistenter sind als ihre Elternpflanzen mit nur einem Pm3-Allel. Das Projekt läuft noch bis 2018.

Einen anderen Ansatz verfolgt die US-Biotechfirma Calyxt in Kooperation mit chinesischen Forschern. Sie nutzte eine Gen-Schere vom Typ TALEN, um per Genome Editinggleich mehrere sogenannte MLO-Gene in Weizen zu deaktivieren. Die MLO-Gene steuern Prozesse, die dem Mehltau-Pilz beim Eintritt in die Zellen helfen. Sind sie abgeschaltet, sind die Pflanzen gegen Mehltau resistent. In den USA hat Calyxt im Frühjahr 2016 die offizielle Einstufung erhalten, dass die so erzeugten, mehltau-resistenten Weizenlinien nicht unter die amerikanischen Gentechnik-Gesetze fallen. Eine Kommerzialisierung in den nächsten Jahren ist wahrscheinlich.

Weizen, Schwarzrost, Ug99

Schwarzrost: Die Züchter glaubten, sie hätten die gefürchtete Pilzkrankheit besiegt. Doch dann kehrte sie in neuer Form zurück.

Ug99 Rassen

Der neue Ug99-Stamm ist in ganz Ostafrikas und einigen arabischen Ländern verbreitet. Erstmals trat er 1998 in Uaganda in Erscheinung. Mittlerweile sind 13 verschiedene Rassen bekannt.
Foto, Grafik: CIMMYT

Zwei Typen von Resistenzgenen:
Major Resitance: Löst eine Immunantwort gegen die Pilzerreger aus, indem die befallenen Zellen absterben und so eine weitere Verbreitung der Pathogene in der Pflanze verhindern. Die betreffenden Gene wirken meist nur gegen eine bestimmte Rasse des jeweiligen Erregers.
Minor Resistance: Zielt auf eine Einschränkung der Nährstoffversorgung und der Sporenbildung der Pilze. Die Krankheitssymptome der befallenen Pflanzen werden abgeschwächt. Diese Resistenzen wirken oft gegen verschiedene Erreger-Rassen.

Zum Beispiel: Schwarzrost

Rostpilze gelten als besonders gefährliche Weizenschädlinge. Stärker noch als Braun- und Gelbrost wird der Schwarzrost gefürchtet. Bis in die 1960er Jahre hinein kam es weltweit immer wieder zu regionalen Schwarzrost-Epidemien, die mit enormen Ernteverlusten einhergingen. Doch dann fanden Züchter am Internationalen Zentrum für Mais- und Weizenzüchtung (CIMMYT), allen voran Norman Borlaug, sehr wirkungsvolle Resistenzgene, die als major genes seither weltweit in fast alle moderne Hochertragssorten eingekreuzt wurden. Dieser Sieg über den Schwarzrost galt als eine der großen Errungenschaften der sogenannten Grünen Revolution.

Doch der Pilz schlug zurück. 1998 wurden in Uganda Weizenfelder, deren Pflanzen eigentlich als resistent galten, erstmals wieder stark von Schwarzrost befallen. Untersuchungen ergaben, dass es sich um eine neue Variante des Pilzes handelt. Nach dem Fundort wurde dieser Stamm Ug99 genannt. Seither hält er die Weizenzüchterwelt in Atem. Denn es stellte sich heraus, dass fast alle üblicherweise eingesetzten Resistenzgene gegen Schwarzrost bei Ug99 wirkungslos sind. Damit wuchs die Sorge, Ug99 könnte sich von Ostafrika aus verbreiten und auch wichtige Weizenanbauregionen in Asien oder auch Europa erreichen.

Tatsächlich hat sich Ug99, von dem mittlerweile 13 Unterarten bekannt sind, seither in vielen Ländern Afrikas verbreitet und wurde auch schon im Jemen und dem Iran gesichtet. Seit 2005 wurden international konzertierte Züchtungsprogramme wie die Borlaug Global Rust Initiative (BGRI) und Durable Rust Resistance in Wheat (DRRW) gestartet. Deren Ziel ist es, Wege zu finden, auch Ug99 in die Schranken zu weisen. Ein Großteil der Bemühungen richtet sich darauf, bekannte Weizensorten, aber auch Landrassen aus aller Welt sowie Wildgräser auf Versuchsfeldern in Hotspots der Schwarzrost-Verbreitung in Kenia und Äthiopien anzubauen, um sie auf möglicherweise vorhandene, natürliche Resistenzeigenschaften hin zu selektieren. Diese sollen dann - auf klassische Weise ohne Gentechnik - in bestehende Sorten eingekreuzt werden. Erste lokale Weizensorten, die eine gewisse Resistenz gegen Ug99 besitzen, sind mittlerweile in Kenia zugelassen.

Derweil geht die Suche nach wirksamen Resistenzgenen weiter. Forscher aus Australien und den USA konnten bereits die Gene Sr35 und Sr33 aus Wildgräsern isolieren. Bauten sie Sr35 in Weichweizen ein, waren die Pflanzen im Gewächshaus komplett immun gegen Ug99. Das Gen Sr33 erreicht eine moderate Resistenz gegen alle bisher getesteten Schwarzrostpilze. Beide Gene könnten gemeinsam besonders effektiv sein. Eine solche Kombination ohne die Hilfe der Gentechnik stabil in Weizensorten einzukreuzen, wird allerdings noch Jahre dauern.

Schnelle Identifizierung von Resistenzgenen

Eine der größten Herausforderungen bei der Resistenzzüchtung besteht darin, die zu einer Resistenz gehörenden Gene in einer Pflanze genau zu identifizieren. Britische Forscher haben ein neues Verfahren namens MutRenSeq entwickelt, das hier große Fortschritte verspricht. Die Gen-Identifizierung geschieht dabei in drei Schritten: Als erstes werden von Weizen-Wildformen, die zum Beispiel eine Resistenz gegen Schwarzrost besitzen, mit Hilfe von Chemikalien zahlreiche Mutanten erzeugt. Durch Tests werden dann jene Pflanzen ermittelt, die durch die induzierten Mutationen ihre Resistenz verloren haben. Im zweiten Schritt wird sowohl das Erbgut der resistenten Ausgangsform wie der mutierten Pflanzen, die nicht mehr resistent sind, sequenziert. Als drittes werden dann die vorliegenden Sequenzen miteinander abgeglichen. Je mehr DNA-Sequenzdaten von unterschiedlichen Mutanten in die Analyse mit einbezogen werden, desto genauer lässt sich nach dem Ausschlussprinzip ebenjene Mutation identifizieren, die für den Verlust der Resistenz verantwortlich ist. Die Position dieser Mutation erlaubt wiederum Rückschlüsse auf das zugehörige Resistenzgen in der ursprünglichen Wildform. Mit Hilfe von MutRenSeq konnten die Forscher bereits von mehreren Schwarzrost-Resistenzgenen, die bisher nur ungefähr bekannt waren, die genauen Sequenzdaten ermitteln.



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