Corona Virus

Corona-Impfstoffe: Was man dazu wissen sollte

Von Juliette Irmer

Noch nie zuvor sind Impfstoffe so schnell entwickelt worden, wie jene gegen das Coronavirus. Schon knapp ein Jahr nachdem das Erbgut von SARS-CoV-2 entschlüsselt war, wurden erste Zulassungen für neuartige mRNA-Impfstoffe erteilt. Das Rekordtempo ist auch der Herstellungsweise zu verdanken: Fünf der sechs in Deutschland zugelassenen COVID-19-Impfstoffe werden gentechnisch hergestellt. Im dritten Jahr der Pandemie zeichnet sich nun ab, dass der Impfschutz mit der Zeit nachlässt und Auffrischungsimpfungen zumindest für einen Teil der Bevölkerung notwendig sind.

In den vergangenen Jahrzehnten haben SARS, Ebola, Zika und jetzt COVID-19 gezeigt, dass die Menschheit nicht vor neu entstehenden Infektionskrankheiten gefeit ist. Im Gegenteil: Die Kombination aus dicht bevölkerten Städten und sehr hoher Mobilität bietet Krankheitserregern ideale Ausbreitungsbedingungen.

Vor diesem Hintergrund wird seit über zwanzig Jahren an neuen, gentechnisch herstellbaren Impfstoffen geforscht, die eine schnellere Entwicklung und die Produktion im großen Maßstab ermöglichen sollen. Denn die Entwicklung klassischer Impfstoffe braucht Zeit. In aller Regel bestehen diese aus abgeschwächten oder inaktivierten Erregern oder Bestandteilen derselben, was die Kultivierung des gesamten Erregers erfordert. So müssen Grippeviren etwa in Hühnereiern vermehrt werden, was mehrere Monate in Anspruch nimmt und die Herstellung des Impfstoffs in die Länge zieht.

Die Corona-Pandemie hat einen historisch einmaligen Wettlauf um einen Impfstoff entfacht, der den genbasierten Kandidaten zum Durchbruch verholfen hat. Der „Startschuss“ war der 10. Januar 2020, als chinesische Wissenschaftler die vollständige Genomsequenz von SARS-CoV-2 in einer Online-Datenbank veröffentlichten. Weltweit machten sich Wissenschaftler an die Erbgutanalyse, entwarfen Nachweisverfahren und identifizierten 29 Proteine (siehe auch: Genetischer Code). Sie kamen rasch voran, auch weil das Erbgut des neuen Coronavirus jenem des bereits bekannten Sars-CoV ähnelte, das 2003 zu mehreren Ausbrüchen geführt hatte. Schnell stand fest, dass das Spike-Protein sich als Antigen eignet: Der dreiteilige Stachel ragt aus der Virushülle heraus und verschafft dem Virus Einlass in die Wirtszelle.

Antigene sind die Grundlage jeder Impfung, egal ob klassisch oder genbasiert. Es handelt sich dabei um jene Virusteile, die das Immunsystem als körperfremd erkennt, woraufhin es Antikörper bildet. Diese können die Antigene, also die abstehenden Stachelproteine oder Teile davon, überall im Körper detektieren. Stoßen sie dabei auf ein Coronavirus, heften sich Antikörper an die Stachelproteine und versperren dem Virus so den Weg in die Zelle.

COVID-19 Impfstoffe

Impfstoffe gegen COVID19. Impfstofftypen und Wirkungsweisen

Grafik: vfa; Grafik oben: iStock

Der entscheidende Unterschied zwischen den verschiedenen Impfstofftypen ist der Transport des Antigens in die Zelle: Bei klassischen Impfstoffen wird das Antigen direkt gespritzt, in Form inaktivierter oder abgeschwächter Viren oder viraler Proteinbruchstücke. Bei genbasierten Impfstoffen überbringt entweder ein harmloses Virus die genetische Information für das Antigen (Vektorimpfstoff) oder diese wird pur, also als DNA oder Messenger-RNA (mRNA) verabreicht. Hier stellt die Zelle das Antigen anhand der gespritzten Bauanleitung also selbst her – so wie täglich tausende andere Proteine auch.

Die WHO listet momentan (Stand 26.10.2022) 371 Corona-Impfforschungsprojekte weltweit auf, 172 davon befinden sich in der klinischen Entwicklung. Bisher wurden 47 Impfstoffe gegen COVID-19 in verschiedenen Ländern zugelassen - sechs davon in der EU. Fünf davon sind gentechnisch hergestellt. Das hat den Vorteil, dass Hühnereier oder aufwändige Zellkulturen zum Teil wegfallen.

Die technischen Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte sind zudem enorm, die Preise massiv gesunken. DNA lässt sich sehr schnell und günstig entziffern, und DNA und RNA ebenso leicht Baustein für Baustein neu synthetisieren. Wissenschaftler haben außerdem einen Weg gefunden, die fragileren RNA-Moleküle zu stabilisieren, indem sie sie mit Lipidnanopartikeln, also Fetttröpfchen, umhüllen und so für den Transport ins Zellinnere rüsten. Die Fortschritte in der Gentechnik haben sicherlich ihren Anteil an der überraschenden Geschwindigkeit, mit der Corona-Impfstoffe entwickelt wurden und werden. Hinzu kommen aber weitere Faktoren:

  • Das Antigen, das Stachelprotein, war von der Impfstoffforschung an SARS-CoV bereits bekannt.
  • Die Rekrutierung von Studienteilnehmern in ausreichender Anzahl ist während einer Pandemie viel leichter.
  • Der entscheidende, normalerweise stark limitierende Faktor, Geld, spielte zu Beginn der Pandemie keine Rolle.

Die Frage, die sehr viele Menschen gerade anfangs beschäftigt hat, ist jene nach der Sicherheit der Impfstoffe. Die zugelassenen Impfstoffe wurden alle an zehntausend Personen getestet. Mittlerweile existieren auch Real-World-Daten aus etlichen Ländern wie Israel, USA, England und auch der EU, wo sie millionenfach verimpft wurden. Rund 70 Prozent der Weltbevölkerung hat mindestens eine Dosis eines Corona-Impfstoffes erhalten, das sind rund 5,6 Milliarden Menschen.

Die Schutzwirkung der Impfstoffe ist hoch, auch gegen die Virusvarianten, wobei unterschieden werden muss zwischen dem Schutz vor einer Infektion und dem Schutz vor einem schweren Verlauf. So nimmt der Schutz vor einer Infektion bei allen Impfstoffen nach einiger Zeit ab, so dass es zu sogenannten Impfdurchbrüchen bei Geimpften kommen kann. Der Schutz vor einem schweren Verlauf hingegen bleibt häufig bestehen. Vor allem bei älteren Personen und Vorerkrankten kann aber auch dieser mit der Zeit nachlassen.

Herausfordernd ist die Entstehung immer neuer Virus-Varianten wie etwa Omikron und seine zahlreichen Nachkommen wie BA.1, BA.4, BA.5, die sich leichter übertragen, aber vor allem die durch Impfung oder natürliche Infektion erworbene Immunantwort durch so genannte Immunfluchtmutationen unterlaufen.

Zwischenergebnisse der Immunebridge-Studie zeigen zwar, dass der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung (95 Prozent der Studienteilnehmenden) bereits Antikörper gegen SARS-CoV-2 aufweist – nur sagt das wegen der Mutationsfreude von SARS-CoV-2 wenig über den bestehenden Schutz vor einer Erkrankung aus. Immerhin: Bisher hat es keine SARS-CoV-2-Variante geschafft, der Immunabwehr vollständig zu entgehen. Entscheidend dafür ist die durch T-Zellen vermittelte Immunität: Sie zielt auf antigene Virusstrukturen ab, die gut konserviert sind, also nicht oder kaum mutieren. Wer vollständig geimpft ist, also drei Impfungen erhalten hat, ist nach gegenwärtigem Wissensstand daher gut vor einem schweren Verlauf geschützt. (Wie sich die Impfung auf das LongCovid-Risiko auswirkt, ist noch unklar.)

In Deutschland wird ein zweiter Booster – also eine vierte Impfung – mit den bivalenten, an Omikron angepassten Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna bislang Menschen ab 60 Jahren und Personen mit erhöhtem Risiko empfohlen. (Bei besonders gefährdeten Menschen kann laut RKI auch eine fünfte Impfung sinnvoll sein). Der bivalente Impfstoff richtet sich sowohl gegen die Omikron-Untervariante BA.1. oder BA.5 als auch gegen den ursprünglichen Virusstamm. Wer vollständig geimpft ist und eine Omikron-Durchbruchsinfektion überstanden hat, kann diese als natürliche Auffrischung betrachten. (Eine tabellarische Übersicht der Stiko-Impfempfehlung findet sich auf Seite 5 und 8 des Epidemiologischen Bulletin 40/2022, siehe Im Web)

Für eine Omikron-spezifische Auffrischimpfung spricht, dass diese eine Infektion mit den kursierenden Varianten für eine gewisse Zeit verhindern könnte und die Immunantwort als solche weiter stärkt und verbreitert. Wie gut der zweite Booster gegen eine Infektion mit neuen Omikron-Untervarianten mit noch besserer Immunflucht funktioniert, ist allerdings noch offen.

Geforscht wird nun an Impfstoffen, die eine Infektion verlässlich verhindern sollen. Die Hoffnung ist, SARS-CoV-2 direkt am Eintrittsort, den Schleimhäuten der Atemwege, durch einen Nasenspray-Impfstoff abzuwehren. Anfang September 2022 wurden zwei Präparate in Indien und China zugelassen. Wie gut sie funktionieren lässt sich schwer einschätzen, da kaum Daten dazu veröffentlicht wurden.

Überblick: Gentechnisch hergestellten COVID 19-Impfstoffe

Die mRNA-Impfstoffe sind ein Novum: Noch nie wurde eine Impfung auf Basis von mRNA zugelassen, und noch nie erhielt ein Impfstoff so schnell grünes Licht. Viele Menschen hat das zu Beginn verunsichert, auch weil Fehlinformationen kursierten. Fakt ist, mRNA kann sich nicht in das menschliche Erbgut integrieren: mRNA gelangt nicht in den Zellkern und einsträngige RNA kann sich nicht in doppelsträngige DNA umwandeln, was eine Integration zusätzlich unmöglich macht. Im Zellplasma (Zytosol) angekommen, übersetzt die körpereigene Zellmaschinerie die mRNA also automatisch in das Antigen-Spikeprotein und baut sie danach ab.

An RNA-Impfstoffen wurde schon lange vor Corona geforscht. So laufen derzeit mehrere klinische Studien zu Krebs und anderen Infektionskrankheiten wie Tollwut, Zika, Chikungunya und Influenza.

Die neuen mRNA-Impfstoffe lassen sich relativ einfach aktualisieren, indem die Antigen-Information für das Spike-Protein an die mutierte Virussequenz angepasst wird. Aber selbst mit der so flexiblen mRNA-Technologie hinkt man der Evolution des Virus hinterher.

Auch an Vektor-Impfstoffen wird seit vielen Jahren gearbeitet. Vor der Corona-Pandemie wurde ein Vektor-Impfstoff gegen Ebola in der EU zugelassen. Wissenschaftler nutzen hierbei harmlose Schnupfenviren, so genannte Adenoviren, entfernen einen Teil des viralen Erbguts und fügen stattdessen das gewünschte Antigen-Gen ein. In den Arm gespritzt, tun die Viren das, worauf Viren spezialisiert sind: Sie dringen in Zellen ein und sorgen dafür, dass ihr Erbgut von der Zellmaschinerie übersetzt wird.

Vektor-Impfstoffe sind robuster als mRNA-Impfstoffe, weil DNA nicht so fragil ist wie RNA und die Virushülle des Vektors sie zusätzlich schützt. Aus diesem Grund müssen Vektor-Impfstoffe nicht gefroren gelagert werden und sind nicht so empfindlich gegen Erschütterungen.

Bei Vektor-Impfstoffen kann es jedoch zur Vektor-Immunität kommen: Menschen können aus früheren Infektionen mit Adenoviren bereits neutralisierende Antikörper besitzen, die die Vektoren abfangen können, bevor sie in die Zellen eindringen. Das könnte die Wirksamkeit reduzieren. Der Pharmakonzern AstraZeneca verwendet deswegen Schimpansen-Viren mit denen Menschen noch nicht in Berührung gekommen sind. Der russische Vektor-Impfstoff Sputnik V umgeht das Problem, in dem zwei unterschiedliche Adenoviren genutzt werden und der Impfstoff von Johnson&Johnson wird nur einmal verabreicht.

Anders als bei mRNA-Impfstoffen besteht bei Vektor-Impfstoffen ein theoretisches Risiko, dass sich DNA in das Erbgut integriert. Experten relativieren die Gefahr allerdings: „Wir Menschen haben regelmäßig Adenoviren-Infektionen. Sie verursachen Erkältungssymptome, Augenentzündungen oder Magen-Darm-Probleme, aber Spätfolgen wie Tumorerkrankungen kennen wir nicht – trotz intensiver Forschung über Jahrzehnte“, sagt Friedemann Weber, Direktor des Instituts für Virologie an der Uni Gießen, in der Pharmazeutischen Zeitung.

Protein basierte Impfstoffe: Ein herkömmlicher „Totimpfstoff“ mit inaktivierten Erregern oder Erregerbestandteilen ist das Novavax-Vakzin (Nuvaxovid) nicht: Es enthält bestimmte Bereiche des Spike-Proteins, die wie bei anderen Impfstofftypen auch als Antigene fungieren. Anders als bei der mRNA-Technologie werden diese Proteine separat in gentechnisch veränderten Mottenzellen hergestellt, in welche die dafür codierenden Gene eingefügt wurden. Damit das Immunsystem wirksam reagiert, ist ein „Verstärker“ (Adjuvans) erforderlich.

Das Paul-Ehrlich-Institut, die zuständige Behörde in Deutschland, dokumentiert mögliche Nebenwirkungen und veröffentlicht regelmäßig Sicherheitsberichte mit gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen (siehe: Im Web). Leichte Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Fieber oder Schmerzen an der Einstichstelle sind recht häufig, aber vorübergehend, schwere Nebenwirkungen sehr selten. So wurden bis zum 30. Juni 2022 gut 180 Millionen Impfungen in Deutschland verabreicht. Auf 1000 Impfungen wurden für alle Impfstoffe 1,8 Verdachtsfälle gemeldet, wovon 0,3 schwerwiegend waren. Ein sogenanntes Risikosignal für Long COVID-ähnliche Beschwerden nach einer Impfung, auch Postvac genannt, konnte das Paul-Ehrlich-Institut bis Juni 2022 nicht feststellen.

In der EU zugelassene COVID 19-Impfstoffe



mRNA-Technologie
BioNtech/Pfizer Comirnaty
Erstzulassung am 21.12.2020, zunächst für Personen ab 12 Jahren. Mehrfache Erweiterung der Zulassung, nun auch für Kinder ab 6 Monaten. Inzwischen sind zwei weitere Impfstoff-Varianten zugelassen: Jeweils der ursprüngliche Basisimpfstoff mit einer Anpassung an die Omikron-Variante BA.1 sowie ein weiterer mit Anpassung an Omikron-Variante BA.4-5 (ab 12 Jahren)
>European Medicines Agency (EMA): Comirnaty
Moderna Spikevax
Erstzulassung am 06.01.2021; zunächst ab 12 Jahren, inzwischen ab 6 Monaten. Weitere Impfstoff-Varianten zugelassen, mit Anpassung an Omikron-Variante BA.1 und BA. 4-5 (wie bei Comirnaty)
>European Medicines Agency (EMA): Spikevax


Vektor-Impfstoffe
Astra-Zeneca Vaxzevria
Erstzulassung am 29.01.2021 (ab 18 Jahren)
>European Medicines Agency (EMA): Vaxzevria
Johnson&Johnson (Janssen) Jcovden
Erstzulassung am 11.03.2021 (ab 18 Jahren)
>European Medicines Agency (EMA): Jcovden


Proteinbasierte Impfstoffe (gentechnisch hergestelltes Virus-Antigen + Adjuvans)
Novovax Nuvaxovid
Erstzulassung am 20.12.2021 (ab 18 Jahren)
>European Medicines Agency (EMA): Novaxovid


Impfstoffe mit inaktiviertem Virus (+ Adjuvans) abgetötete, nicht mehr vermehrungsfähige Viren
Valneva Austria Valneva
Erstzulassung am 24.06.2022 (für Personen zwischen 18 und 50 Jahren)
>European Medicines Agency (EMA): Valneva


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