Corona Impfstoff

Nobelpreis 2023! Was man zu mRNA-Technologie und Corona-Impfstoffen wissen sollte

Von Juliette Irmer

Der Nobelpreis für Medizin 2023 geht an Katalin Karikó und Drew Weissman. Ihre Forschung ermöglichte die Entwicklung wirksamer mRNA-basierter Impfstoffe gegen COVID19. - Noch nie zuvor sind Impfstoffe so schnell entwickelt worden, wie jene gegen das Coronavirus. Schon knapp ein Jahr nachdem das Erbgut von SARS-CoV-2 entschlüsselt war, wurden erste Zulassungen für neuartige mRNA-Impfstoffe erteilt. Das Rekordtempo ist auch der Herstellungsweise zu verdanken: Sieben der inzwischen acht in Deutschland zugelassenen COVID-19-Impfstoffe werden mithilfe gentechnischer Methoden hergestellt. Im vierten Jahr nach dem Beginn der Pandemie ist klar, dass der Impfschutz mit der Zeit nachlässt und Auffrischungsimpfungen zumindest für einen Teil der Bevölkerung notwendig sind.

In den vergangenen Jahrzehnten haben SARS, Ebola, Zika und jetzt COVID-19 gezeigt, dass die Menschheit nicht vor neu entstehenden Infektionskrankheiten gefeit ist. Im Gegenteil: Die Kombination aus dicht bevölkerten Städten und sehr hoher Mobilität bietet Krankheitserregern ideale Ausbreitungsbedingungen.

Vor diesem Hintergrund wird seit über zwanzig Jahren an neuen, gentechnisch herstellbaren Impfstoffen geforscht, die eine schnellere Entwicklung und die Produktion im großen Maßstab ermöglichen sollen. Denn die Entwicklung klassischer Impfstoffe braucht Zeit. In aller Regel bestehen diese aus abgeschwächten oder inaktivierten Erregern oder Bestandteilen derselben, was die Kultivierung des gesamten Erregers erfordert. So müssen Grippeviren etwa in Hühnereiern vermehrt werden, was die Herstellung des Impfstoffs in die Länge zieht.

Die Corona-Pandemie hat einen historisch einmaligen Wettlauf um einen Impfstoff entfacht, der den genetischen Kandidaten zum Durchbruch verholfen hat. Der „Startschuss“ war der 10. Januar 2020, als chinesische Wissenschaftler die vollständige Genomsequenz von SARS-CoV-2 in einer Online-Datenbank veröffentlichten. Weltweit machten sich Wissenschaftler an die Erbgutanalyse, entwarfen Nachweisverfahren und identifizierten 29 Proteine (siehe auch: Genetischer Code). Sie kamen rasch voran, auch weil das Erbgut des neuen Coronavirus jenem des bereits bekannten Sars-CoV ähnelte, das 2003 zu mehreren Ausbrüchen geführt hatte. Schnell stand fest, dass das Spike-Protein sich als Antigen eignet: Der dreiteilige Stachel ragt aus der Virushülle heraus und verschafft dem Virus Einlass in die Wirtszelle.

Eine Impfung täuscht eine Ansteckung mit dem Erreger vor, so dass unser Immunsystem im Falle einer Infektion vorbereitet ist. Grundlage jeder Impfung sind die Antigene. Es handelt sich dabei um Virusbestandteile, die unser Immunsystem als körperfremd erkennt, woraufhin es Antikörper bildet. Diese können die Antigene (Virusbestandteile) überall im Körper detektieren. Stoßen sie dabei auf ein Coronavirus, heften sich Antikörper an die Stachelproteine und versperren dem Virus so den Weg in die Zelle.

COVID-19 Impfstoffe

Impfstoffe gegen COVID19. Impfstofftypen und Wirkungsweisen

Grafik: vfa / adlerschmidt; Grafik oben: Bing Image Creator

Der entscheidende Unterschied zwischen den verschiedenen Impfstofftypen ist der Transport des Antigens in die Zelle: Bei klassischen Impfstoffen wird das Antigen direkt gespritzt, in Form inaktivierter oder abgeschwächter Viren oder viraler Proteinbruchstücke. Bei genetischen Impfstoffen überbringt entweder ein harmloses Virus die genetische Information für das Antigen (Vektorimpfstoff) oder diese wird pur, also als DNA oder Messenger-RNA (mRNA) verabreicht. Hier stellt die Zelle das Antigen anhand der gespritzten Bauanleitung also selbst her – so wie täglich tausende andere Proteine auch.

Die WHO listet momentan (Stand Oktober 2023) 382 Corona-Impfforschungsprojekte weltweit auf, 183 davon befinden sich in der klinischen Entwicklung. Bislang wurden 40 Impfstoffe gegen COVID-19 in verschiedenen Ländern zugelassen - acht davon in der EU. Sieben davon sind mithilfe gentechnischer Methoden hergestellt.

Die Entwicklung ist den enormen Fortschritten der vergangenen Jahrzehnte zu verdanken: DNA und RNA lassen sich heute schnell und günstig entziffern und ebenso leicht Baustein für Baustein neu synthetisieren. Wissenschaftler haben außerdem einen Weg gefunden, die fragileren RNA-Moleküle zu stabilisieren, indem sie sie mit Lipidnanopartikeln, also Fetttröpfchen, umhüllen und so für den Transport ins Zellinnere rüsten. Diese Fortschritte haben sicherlich ihren Anteil an der überraschenden Geschwindigkeit, mit der Corona-Impfstoffe entwickelt wurden und werden. Hinzukommen aber weitere Faktoren:

  • Das Antigen, das Stachelprotein, war von der Impfstoffforschung an SARS-CoV bereits bekannt.
  • Die Rekrutierung von Studienteilnehmern in ausreichender Anzahl ist während einer Pandemie viel leichter.
  • Der entscheidende, normalerweise stark limitierende Faktor, Geld, spielte zu Beginn der Pandemie keine Rolle.

Gut 70 Prozent der Weltbevölkerung (Stand März 2023) hat mindestens eine Dosis eines Corona-Impfstoffes erhalten, das sind rund 5,5 Milliarden Menschen. Die Schutzwirkung der Impfstoffe ist hoch, auch gegen die Virusvarianten, wobei unterschieden werden muss zwischen dem Schutz vor einer Infektion und dem Schutz vor einem schweren Verlauf. So nimmt der Schutz vor einer Infektion bei allen Impfstoffen nach einiger Zeit ab, so dass sich auch geimpfte Personen infizieren können. Der Schutz vor einem schweren Verlauf hingegen bleibt länger bestehen. (Wie sich die Impfung auf das LongCovid-Risiko auswirkt, ist noch unklar.)

Die Ergebnisse der Immunebridge-Studie zeigen, dass der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung (95 Prozent der Studienteilnehmenden) bereits Antikörper gegen SARS-CoV-2 aufweist und damit die meisten Menschen einen moderaten bis hohen Schutz gegen einen schweren Verlauf genießen.

Herausfordernd ist die Entstehung immer neuer Virus-Varianten wie etwa Omikron und seine zahlreichen Nachkommen wie BA.1, BA.4 oder XBB1.5, die sich leichter übertragen, aber vor allem die durch Impfung oder natürliche Infektion erworbene Immunantwort durch so genannte Immunfluchtmutationen unterlaufen.

Aus diesem Grund wird Teilen der Bevölkerung eine regelmäßige Auffrischungsimpfung empfohlen, aktuell mit dem an die XBB.1.5-Variante angepassten Impfstoff von Biontech/Pfizer oder Moderna. Erste Ergebnisse zeigen, dass er auch gegen die Eris-Variante (EG.5) schützt, für die neue Pirola-Variante (BA.2.86) gibt es noch keine Ergebnisse. Grundsätzlich verbreitert eine Auffrischungsimpfung die bestehende Immunantwort und führt zur Bildung spezifischer Antikörper gegen die entsprechende Variante. (Eine tabellarische Übersicht der Stiko-Impfempfehlung findet sich auf Seite 4 und 5 des Epidemiologischen Bulletin 21/2023, siehe Im Web)

Parallel wird an Pan-Coronaviren-Impfstoffen geforscht, also an Impfstoffen, die vor einem breiten Spektrum dieser variablen Viren schützen und im Idealfall auch Infektionen verhindern sollen. Das soll erreicht werden durch die Wahl von Antigenen, die die Viren nicht so einfach verändern können.

Überblick: Gentechnisch hergestellte COVID 19-Impfstoffe

Die mRNA-Impfstoffe sind ein Novum: Noch nie wurde eine Impfung auf Basis von mRNA zugelassen, und noch nie erhielt ein Impfstoff so schnell grünes Licht. Viele Menschen hat das zu Beginn verunsichert, auch weil Fehlinformationen kursierten. Fakt ist, die einsträngige mRNA wandelt sich in Körperzellen nicht in doppelsträngige DNA um, gelangt nicht in den Zellkern und kann sich daher auch nicht in das Erbgut integrieren. Im Zellplasma (Zytosol) angekommen, übersetzt die körpereigene Zellmaschinerie die gespritzte mRNA automatisch in das Antigen-Spikeprotein und baut sie danach ab.

An RNA-Impfstoffen wurde schon lange vor Corona geforscht. So laufen derzeit mehrere klinische Studien zu Krebs und anderen Infektionskrankheiten wie Tollwut, Zika, Chikungunya und Influenza.

Die neuen mRNA-Impfstoffe lassen sich relativ einfach aktualisieren, indem die Antigen-Information für das Spike-Protein an die mutierte Virussequenz angepasst wird. Aber selbst mit der so flexiblen mRNA-Technologie hinkt man der Evolution des Virus hinterher.

Auch an Vektor-Impfstoffen wird seit vielen Jahren gearbeitet. Vor der Corona-Pandemie wurde ein Vektor-Impfstoff gegen Ebola in der EU zugelassen. Wissenschaftler nutzen hierbei harmlose Schnupfenviren, so genannte Adenoviren, entfernen einen Teil des viralen Erbguts und fügen stattdessen das gewünschte Antigen-Gen ein. In den Arm gespritzt, tun die Viren das, worauf Viren spezialisiert sind: Sie dringen in Zellen ein und sorgen dafür, dass ihr Erbgut von der Zellmaschinerie übersetzt wird.

Vektor-Impfstoffe sind robuster als mRNA-Impfstoffe, weil DNA nicht so fragil ist wie RNA und die Virushülle des Vektors sie zusätzlich schützt. Aus diesem Grund müssen Vektor-Impfstoffe nicht gefroren gelagert werden und sind nicht so empfindlich gegen Erschütterungen.

Bei Vektor-Impfstoffen kann es jedoch zur Vektor-Immunität kommen: Menschen können aus früheren Infektionen mit Adenoviren bereits neutralisierende Antikörper besitzen, die die Vektoren abfangen können, bevor sie in die Zellen eindringen. Das könnte die Wirksamkeit reduzieren. Der Pharmakonzern AstraZeneca verwendet deswegen Schimpansen-Viren mit denen Menschen noch nicht in Berührung gekommen sind. Der russische Vektor-Impfstoff Sputnik V umgeht das Problem, in dem zwei unterschiedliche Adenoviren genutzt werden und der Impfstoff von Johnson&Johnson wird nur einmal verabreicht.

Anders als bei mRNA-Impfstoffen besteht bei Vektor-Impfstoffen ein theoretisches Risiko, dass sich DNA in das Erbgut integriert. Experten relativieren die Gefahr: „Wir Menschen haben regelmäßig Adenoviren-Infektionen. Sie verursachen Erkältungssymptome, Augenentzündungen oder Magen-Darm-Probleme, aber Spätfolgen wie Tumorerkrankungen kennen wir nicht – trotz intensiver Forschung über Jahrzehnte“, sagt Friedemann Weber, Direktor des Instituts für Virologie an der Uni Gießen, in der Pharmazeutischen Zeitung.

Protein basierte Impfstoffe: Ein herkömmlicher „Totimpfstoff“ mit inaktivierten Erregern oder Erregerbestandteilen ist das Novavax-Vakzin (Nuvaxovid) nicht: Es enthält bestimmte Bereiche des Spike-Proteins, die wie bei anderen Impfstofftypen auch als Antigene fungieren. Anders als bei der mRNA-Technologie werden diese Proteine separat in gentechnisch veränderten Mottenzellen hergestellt, in welche die dafür codierenden Gene eingefügt wurden. Damit das Immunsystem wirksam reagiert, ist ein „Verstärker“ (Adjuvans) erforderlich.

Das Paul-Ehrlich-Institut, die zuständige Behörde in Deutschland, hat während der Pandemie regelmäßig Sicherheitsberichte mit gemeldeten Verdachtsfällen von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen veröffentlicht, die im Frühjahr 2023 aufgrund des Abklingens der Pandemie und der umfangreichen Datenlage zur Sicherheit der Impfstoffe eingestellt wurden (siehe: Im Web). Die Sicherheit der COVID-Impfstoffe wird aber weiterhin engmaschig überwacht.

In der EU zugelassene COVID 19-Impfstoffe



mRNA-Technologie
BioNtech/Pfizer Comirnaty
Erstzulassung am 21.12.2020. Inzwischen sind weitere Impfstoff-Varianten zugelassen: Jeweils der ursprüngliche Basisimpfstoff mit einer Anpassung an die Omikron-Variante BA.1 sowie ein weiterer mit Anpassung an Omikron-Variante BA.4-5. Letzte Zulassung: Angepasster Impfstoff an Variante XBB.1.5 (31.08.2023).
>European Medicines Agency (EMA): Comirnaty
Moderna Spikevax
Erstzulassung am 06.01.2021. Weitere Impfstoff-Varianten zugelassen, mit Anpassung an Omikron-Variante BA.1 und BA. 4-5 (wie bei Comirnaty). Letzte Zulassung: Angepasster Impfstoff an Variante XBB.1.5 (15.09.2023).
>European Medicines Agency (EMA): Spikevax


Vektor-Impfstoffe
Astra-Zeneca Vaxzevria
Erstzulassung am 29.01.2021
>European Medicines Agency (EMA): Vaxzevria
Johnson&Johnson (Janssen) Jcovden
Erstzulassung am 11.03.2021
>European Medicines Agency (EMA): Jcovden


Proteinbasierte Impfstoffe (gentechnisch hergestelltes Virus-Antigen + Adjuvans)
Novovax Nuvaxovid
Erstzulassung am 20.12.2021
>European Medicines Agency (EMA): Novaxovid
Sanofi/GSK VidPrevtyn Beta
Erstzulassung 10.11.2021
>European Medicines Agency (EMA): VidPrevtyn Beta
Hipra Bimervax
Erstzulassung 30.03.2023
>European Medicines Agency (EMA): Bimervax


Impfstoffe mit inaktiviertem Virus (+ Adjuvans) abgetötete, nicht mehr vermehrungsfähige Viren
Valneva Austria Valneva
Erstzulassung am 24.06.2022 (für Personen zwischen 18 und 50 Jahren)
>European Medicines Agency (EMA): Valneva


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